Neue gesetzliche Regelung: Keine Kreditwürdigkeitsprüfung bei echten Abschnittsfinanzierungen!
Die Arbeit des Gesetzgebers an der missglückten Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in deutsches Recht geht weiter. Nach einem ersten „Reparaturansatz“ durch das FinErgWohn Ende März 2017 folgt nun für Immobiliar-Verbraucherdarlehen (IVD) als Bestandteil des am 1. Juni 2017 im Bundestag verabschiedeten Gesetzes zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie eine gesetzliche Befreiung von der Verpflichtung zur Kreditwürdigkeitsprüfung in Fällen von sog. echten Abschnittsfinanzierungen und Umschuldungen.
Der gesetzliche Befreiungstatbestand bringt für die Kreditvergabepraxis zwar grundsätzlich weitere Rechtssicherheit. Denn es wird klargestellt, dass es in den genannten Fällen keiner (erneuten) Kreditwürdigkeitsprüfung bedarf. Vom Gesetzgeber vorgesehene Einschränkungen dieser „Befreiung“ (Kreditvergabeverbot bei positiver Kenntnis fehlender Kapitaldienstfähigkeit) schaffen für Kreditinstitute aber neue Unklarheiten und Rechtsrisiken.
I. Ausgangslage
Kreditinstitute müssen seit der Umsetzung der WKR vor der Vergabe von IVD bei sog. echten Abschnittsfinanzierungen und bei Umschuldungen eine (erneute) Kreditwürdigkeitsprüfung nach dem strengen Maßstab von § 505a BGB durchführen. Dies führt z.B. bei echten Abschnittsfinanzierungen häufig dazu, dass Verbraucher, die nach den bei der Vergabe der Erstfinanzierung geltenden Kreditvergabestandards noch kreditwürdig waren, wegen zwischenzeitlich veränderter Lebensumstände (z.B. Renteneintritt) nach heutigen gesetzlichen Vorgaben bei Laufzeitende nicht mehr als kreditwürdig eingestuft werden können.
Eine Anschlussfinanzierung kann dann nicht mehr gewährt werden (Kreditvergabeverbot). Ähnliche Schwierigkeiten ergeben sich bei Umschuldungsmaßnahmen. Folge ist, dass Verbraucher trotz ursprünglich positiver Kreditentscheidung bei Erstvergabe gezwungen sind bzw. werden das von ihnen begonnene Finanzierungsprojekt abzubrechen und ihre Immobilie zu veräußern.
Dieses Problem möchte der Gesetzgeber durch die verabschiedeten Neuregelungen lösen, da das bisherige Ergebnis nach dem Verständnis des Gesetzgebers nicht im Einklang mit dem von der WKR intendierten Zweck der Kreditwürdigkeitsprüfung steht (Prüfung nur vor Erstkreditvergabe oder vor Krediterhöhung). Ziel der WKR sei es zudem, so die Gesetzesbegründung, dass ein Verbraucher die finanzierte Immobilie behalten kann und nicht, dass er – nach bereits getroffener Kreditentscheidung und durchgeführter Kreditwürdigkeitsprüfung – bei notwendigen Anschlussverträgen aufgrund hoher Hürden für die Fortführung der Finanzierung in die Gefahr des Verlusts der Immobilie gerät.
II. Gesetzliche Befreiung von der Verpflichtung zur Kreditwürdigkeitsprüfung
Ausgehend davon hat der Gesetzgeber in den §§ 505a Abs. 3 BGB bzw. § 18a Abs. 2 KWG neu geregelt, dass es keiner (erneuten) Kreditwürdigkeitsprüfung bei IVD in Fällen der echten Abschnittsfinanzierung oder bei Umschuldungen bedarf, solange sich nicht der Nettodarlehensbetrag des „Erstvertrages“ deutlich erhöht (§ 505a Abs. 2 BGB).
Unter einer echten Abschnittsfinanzierung versteht der Gesetzgeber dabei einen IVD, der im Anschluss an einen zwischen den Vertragsparteien abgeschlossenen Darlehensvertrag ein neues Kapitalnutzungsrecht zur Erreichung des von dem Darlehensnehmer mit dem vorangegangenen Darlehensvertrag verfolgten Zwecks einräumt.
Die Befreiung greift bei echten Abschnittsfinanzierungen jedoch nur, wenn der ausdrücklich geforderte Zweckzusammenhangzwischen dem „Erstvertrag“ und dem „Anschlussvertrag“ besteht. Sog. unechte Abschnittsfinanzierungen fallen hingegen nicht unter den Befreiungstatbestand, da bei diesen schon nach bisherigem Recht keine gesonderte Kreditwürdigkeitsprüfung erforderlich ist.
Unter einer Umschuldung versteht der Gesetzgeber IVD, die einen anderen Darlehensvertrag zwischen den Vertragsparteien zur Vermeidung von Kündigungen wegen Zahlungsverzuges des Darlehensnehmers oder zur Vermeidung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Darlehensnehmer ersetzen oder ergänzen.
III. Kreditvergabeverbot bei positiver Kenntnis von fehlender Kapitaldienstfähigkeit
Achtung:
Nach der gesetzlichen Neuregelung kann bei echten Abschnittsfinanzierungen und bei Umschuldungen – selbst wenn nach der vorgenannten Befreiung keine Kreditwürdigkeitsprüfung erforderlich ist – ein Kreditvergabeverbot (§ 505a Abs. 3 S. 2 BGB) gelten. Dies ist der Fall, wenn dem Kreditinstitut bekannt ist, dass der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen, die im Zusammenhang mit dem – neuen bzw. ergänzenden – Darlehensvertrag stehen, dauerhaft nicht nachkommen kann. Bei Verstößen gilt § 505d entsprechend („Zinsjoker“ bzw. „Kündigungsjoker“)!
IV. Fazit und Ausblick
Wenngleich der neue Befreiungstatbestand für die Kreditvergabepraxis bei IVD in Fällen einer echten Abschnittsfinanzierung oder Umschuldung begrüßenswert sind, verbleiben für Kreditinstitute wegen des in § 505a Abs. 3 S. 2 BGB rechtlich unklar geregelten Kreditvergabeverbots und des entsprechend anwendbaren § 505d BGB Rechtsrisiken (Zinsjoker bzw. Kündigungsjoker). Denn es ist ein logischer Widerspruch einerseits von der Verpflichtung zur Kreditwürdigkeitsprüfung befreit zu werden, andererseits aber einem Kreditvergabeverbot zu unterliegen, wenn dem Kreditinstitut die fehlende Kapitaldienstfähigkeit bekannt ist.
Der Gesetzgeber hat diesen Widerspruch offensichtlich erkannt und hält hierzu in der Gesetzbegründung fest, dass durch das Kreditvergabeverbot keine „neue“ Kreditwürdigkeitsprüfung angeordnet werden soll, sondern eine Grenze für den Fall geregelt wird, dass wider besseren Wissens ein Anschlussvertrag zu Konditionen vergeben wird, den der Verbraucher auf Dauer nicht erfüllen kann. Dabei soll für den Kenntnisstand des Kreditinstitutes nur auf Umstände abzustellen sein, die dem Kreditinstitut bereits bekannt sind (keine Verpflichtung zur weiteren Ermittlung von einer Darlehensvergabe möglicherweise entgegenstehenden Umständen).
Wie praktikabel diese Vorgaben sind – insbesondere bei Umschuldungen, wo sich die persönlichen Verhältnisse seit Erstkreditvergabe zwangsläufig verändert haben – ist fraglich. Erfahrungsgemäß sind in Streitfällen zudem gerade subjektive Elemente wie eine „positive Kenntnis“ schwer justiziabel. „Zieht“ ein Verbraucher zukünftig bei echten Abschnittsfinanzierungen oder Umschuldungen mit der Behauptung, dem Kreditinstitut sei bekannt gewesen, dass er seinen neuen Verpflichtungen dauerhaft nicht habe nachkommen können, den „Kündigungs- oder Zinsjoker“, ist wegen dem Wortlaut der Norm auch nicht klar, wer mit Blick auf die Voraussetzungen von § 505a Abs. 3 S. 2 BGB die Darlegungs- und Beweislast trägt und ob bzw. inwieweit etwa Beweiserleichterungen oder eine Dokumentationspflicht entsprechend § 505b Abs. 4 BGB Geltung finden. Denn das Verbot richtet sich an das Kreditinstitut, ein Verstoß käme einer Pflichtverletzung gleich.
Vor diesem Hintergrund gilt es für Kreditinstitute deshalb vorsorglich Prozesse zu etablieren, mit denen im Streitfall die Einhaltung der Voraussetzungen von § 505a Abs. 3 S. 2 BGB hinreichend dokumentiert werden kann.
Die gesetzlichen Neuregelungen der §§ 505a Abs. 3 BGB und 18a Abs. 2 KWG gelten ab dem Tag nach ihrer Verkündung. Es ist davon auszugehen, dass die Neuregelungen – wie auch das FinErgWohn – zeitnah in Kraft treten.
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