Wissenswertes zur Mindestlohnerhöhung: Mini- und Midi-Jobs

Mit dem „Gesetz zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung“ hat sich der gesetzliche Mindestlohn sprunghaft auf EUR 12,00 brutto pro Stunde erhöht. Dieser Umstand hat einige Unternehmen vor signifikante finanzielle, aber auch strukturelle Schwierigkeiten gestellt, da eine Anhebung der unteren Entgeltgruppe nicht ohne Auswirkungen auf das gesamte Entgeltgefüge umsetzbar ist.

 

Weitgehend unbeachtet blieb dabei, dass das Gesetz auch tiefgreifende Änderungen für geringfügige Beschäftigungen und Beschäftigungen im Übergangsbereich vorsah, die ebenfalls ab dem 1. Oktober 2022 in Kraft getreten sind. Diese Änderungen sind für die Unternehmen durchaus anspruchsvoll in der Umsetzung, blieben bislang jedoch relativ wenig beachtet. Nun, da sich der Rauch der „Mindestlohnexplosion“ mitten in einer schweren Inflationskrise ein wenig gelegt hat, sollen die neuen Regelungen näher beleuchtet werden.

Anhebung und Dynamisierung der Geringfügigkeitsgrenze bei Minijobbern

 

Bis zum 1. Oktober 2022 betrug die Entgeltgrenze für geringfügig entlohnte Beschäftigungen ein EUR 450,00 Euro. Seit dem 1. Oktober 2022 orientiert sich die sog. Geringfügigkeitsgrenze dynamisch an einer Wochenarbeitszeit von zehn Stunden, d. h. 43,33 Stunden im Monat, zu den aktuell geltenden Mindestlohnbedingungen.

 

Die Geringfügigkeitsgrenze liegt daher seit dem 1. Oktober 2022 automatisch bei EUR 520,00 brutto pro Monat (EUR 12,00 * 130 / 3; vgl. § 8 Abs. 1a S. 2 SGB IV). Bei zukünftigen Mindestlohnsteigerungen soll die Obergrenze für geringfügig entlohnte Beschäftigte nicht statisch bleiben. Die Dynamisierung und Anpassung der Geringfügigkeitsgrenze bewirken, dass im Fall einer Erhöhung des Mindestlohns bei Entlohnung in Höhe des Mindestlohns die wöchentliche Stundenzahl nicht reduziert werden muss, um innerhalb der geringfügigen Beschäftigung zu bleiben. Für Arbeitgeber ist es nun entscheidend, diese neue gesetzliche Mechanik auch vertraglich so umzusetzen, dass keine ungewollten Effekte auf Arbeitszeit und Vergütung eintreten oder gewollte Effekte ausbleiben. Dies gilt für bestehende und neue Vertragsverhältnisse gleichermaßen.

 

 

Unvorhersehbares Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze

 

Die Privilegierungen der geringfügigen Beschäftigung entfallen, wenn die Geringfügigkeitsgrenze regelmäßig überschritten wird, während eine unvorhersehbaren Überschreitung im Einzelfall unschädlich ist. Was bisher nur im Rahmen der Auslegung durch die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung in den Geringfügigkeits-Richtlinien geregelt ist, ist nun ausdrücklich gesetzlich normiert (vgl. § 8 Abs. 1b SGB IV n.F.).

 

Allerdings soll diese Regelung nur restriktiv angewandt werden, um Missbrauch zu vermeiden. Die Geringfügigkeitsgrenze darf innerhalb eines Kalenderjahres in bis zu zwei Monaten und jeweils maximal in Höhe der Geringfügigkeitsgrenze überschritten werden. Das entspricht nach dem aktuellen Mindestlohn einer maximal zulässigen Überschreitung von EUR 1.040,00 brutto pro Jahr, wobei die Überschreitung in keinem Monat mehr als aktuell EUR 520,00 betragen darf. In diesem Zusammenhang ist die Höhe des tatsächlich vereinbarten Entgelts irrelevant.

 

 

Übergangsbereich (sog. Midi-Job)

 

Die Entgeltgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich (sog. Midi-Job) wurde auf EUR 1.600,00 angehoben. Die Untergrenze beginnt nun bei EUR 520,01. Bis zum 30. September 2022 fand sich in § 20 Abs. 2 SGB IV a.F. eine Gleitzonenregelung von 450,01 Euro bis 1.300 Euro. Diese Neuerung erfolgt im Hinblick auf den Anstieg der Löhne und Gehälter und soll eine weitgehende Entlastung von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit geringem Arbeitsentgelt bewirken. Die Belastung der Beschäftigten bei Überschreitung der Entgeltgrenze soll damit abgemildert werden. Die neue Obergrenze im Übergangsbereich wurde anders als die Geringfügigkeitsgrenze nicht dynamisiert, d.h. sie verändert sich mit zukünftigen Mindestlohnentwicklungen nicht automatisch.

 

 

Übergangs- und Folgeregelungen

 

Für Beschäftigte, die vor der Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze monatlich versicherungspflichtig beschäftigt waren und die durch die Gesetzesänderung versicherungsfrei geworden sind, gilt ein befristeter Bestandsschutz. Die Versicherungspflicht und damit der Versicherungsschutz in der Kranken- und Pflegeversicherung sowie der Arbeitsförderung wird bis zum 31. Dezember 2023 aufrechterhalten, wenn sich das durchschnittliche monatliche Arbeitsentgelt nicht verändert, keine Befreiung von der Versicherungspflicht beantragt wird und auch keine Sonderregelung in der Kranken- und Pflegeversicherung greift. Relevant ist dies nur für Beschäftigte mit einer geringeren Arbeitszeit als 10 Wochenstunden und einer bisherigen Vergütung zwischen EUR 450,01 und EUR 520,00. Der Bestandsschutz gilt jedoch nicht bei künftigen Erhöhungen des Mindestlohns.

 

 

Feststellung und Prognose einer geringfügigen Beschäftigung

 

Die Vorgehensweise für Arbeitgeber zur Feststellung einer geringfügig entlohnten Beschäftigung ändert sich nicht. Zu diesem Zweck sind bei Beschäftigungsbeginn weiterhin alle mit hinreichender Sicherheit zu erwartenden Einnahmen (laufende und einmalig gezahlte Arbeitsentgelte) im Rahmen der Jahresprognose zu ermitteln und durch die Anzahl der Beschäftigungsmonate des Beurteilungszeitraums (maximal 12 Monate) zu teilen. Das so ermittelte regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt darf die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreiten. Eine neue Beurteilung von bestehenden geringfügig entlohnten Beschäftigungsverhältnissen ist nicht zwingend erforderlich, wenn keine Änderung im Verdienst eintritt. Falls jedoch der Verdienst in der Beschäftigung erhöht wird, muss ab diesem Zeitpunkt eine neue vorausschauende Betrachtung im Rahmen der Jahresprognose vorgenommen werden.

 

 

Fazit und Ausblick

 

Für viele Arbeitgeber werden die dargestellte Änderungen im Ergebnis begrüßenswert sein, da sie die Flexibilität erhöhen und administrativen Aufwand im Bereich des Vertragsmanagements verringern können. Erforderlich ist allerdings eine Neuordnung der Prozesse und entsprechende Neugestaltung der vertraglichen Grundlagen. Andernfalls laufen Arbeitgeber Gefahr, das Verhältnis von Arbeitszeit und Vergütung aus der eigenen Hand zu geben. Dies gilt insbesondere dann, wenn im Unternehmen geringfügige Beschäftigung nicht nur gelegentlich, sondern als Teil der Betriebsorganisation genutzt wird.

 

Auch aus Sicht der Beschäftigten sind die Neuerungen bei ordnungsgemäßer Vertragsgestaltung zunächst positiv: anders als zuvor können sie in gleichem Zeitumfang tätig bleiben und profitieren so auch direkt von etwaigen Erhöhungen des Mindestlohnes.

 

Hoffmann Liebs berät mit der Praxisgruppe Arbeitsrecht (mehr Informationen) zu allen Fragen rund um das Thema geringfügige Beschäftigung sowie Mindestlohn und unterstützt insbesondere bei der Prüfung von Arbeitsverträgen und Umsetzung etwaiger Meldepflichten. Sprechen Sie uns bei Fragen gerne an.

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