Gorillas in Not – Berliner Start-up-Szene tut sich schwer mit Mitbestimmung

Gorillas in Not – Berliner Start-up-Szene tut sich schwer mit Mitbestimmung

Das Berliner Lieferdienst-Start-up Gorillas erlebt schwere Zeiten. Gorillas war vor einigen Monaten mit dem Versprechen gestartet, in nur zehn Minuten Einkäufe vom Lager zum Kunden zu liefern. Nun häufen sich die Probleme – mit dem Personal, insbesondere aber auch im Konflikt mit arbeitsrechtlichen Grundsätzen.

Eine Lieferung von Tür zu Tür in nicht mehr als zehn Minuten – das klingt von Anfang an nach viel Stress für die Belegschaft. Die „Rider“ genannten Fahrrad-Kuriere sind mit ihren Arbeitsbedingungen unzufrieden und vermissen ausreichenden Respekt vor der Belegschaft. Schon die im Juni des Jahres durchgeführte Bestellung eines Wahlvorstandes für eine erstmalige Betriebsratswahl brachte das junge Unternehmen in Unruhe. Es stellt sich die Frage: Passt ein Betriebsrat überhaupt zu einem Start-up?

Nach Protesten gegen die Kündigung eines Riders wegen einer Verspätung kam es zu weiterer Unruhe bei den Kurieren: Sie blockierten Gorillas` Lagerhäuser und begannen einen Streik. Die zumeist unorganisierten Rider legten die Arbeit dabei ohne Unterstützung einer Gewerkschaft nieder, sodass sich im Juli sogar der Bundesarbeitsminister dazu verpflichtet sah, das Gespräch mit den Fahrradkurieren zu suchen.

Den vorläufigen, aktuellen Höhepunkt der Auseinandersetzungen bilden nun verhaltensbedingte Kündigungen an Gorillas-Mitarbeiter wegen „wilder Streiks“. Nach einem Bericht der tagesschau (6.10.2021) begründet Gorillas die Kündigungen damit, dass es unangekündigte und nicht gewerkschaftlich getragene Streiks im Unternehmen gegeben habe. Die Gewerkschaft ver.di wird zitiert, es sei politisch „eine Sauerei“, dass das Unternehmen nun gerade die Mitarbeiter entlasse, die sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzten.

Betriebliche Mitbestimmung bei Gorillas – Quo vadis?

Grundsätzlich müsste die Sache nach dem Arbeitsrecht klar sein. Wer „wild streikt fliegt raus“ – so ist das eben. Denn dann handelt es sich um eine vorsätzliche Arbeitsverweigerung und einen Bruch des Arbeitsvertrags. Darüber, ob zuvor noch eine Abmahnung notwendig ist – wie meistens vor Kündigungen – muss wohl im Einzelfall entscheiden werden. Eine Besonderheit gibt es allerdings schon: In Deutschland existiert ein gewerkschaftliches Streikmonopol und die Beschränkung des Streikrechts auf „tariflich regelbare Ziele“. Das aber ist nicht überall so. Die Europäische Sozialcharta räumt dagegen das Streikrecht den Arbeitnehmern persönlich ein und nicht den sie vertretenden Gewerkschaften. Und ein tauglicher Zweck der Streikmaßnahme ist wohl alles, was der „wirksamen Ausübung des Rechts auf Kollektivverhandlungen“ dient. Vielleicht kommt den Ridern dieser – noch nicht ganz geklärte – mögliche Konflikt zwischen europäischem und deutschem Recht zugute. Dann wäre der Streik „nicht ganz so wild“ und die Kündigungen im Ergebnis wohl ungerechtfertigt. Eine solche Revolution des Streikrechts in Deutschland dürfte für den Moment allerdings eher unwahrscheinlich sein.

Auch Kreuzberg ist kein arbeitsrechtsfreier Raum

Probleme der Mitbestimmung und des Betriebsverfassungsrechts der „old economy“ kommen nur langsam in der Berliner Start-up-Szene an. Die Gorillas bilden da nur ein Beispiel unter vielen. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den betrieblichen Rechten der Arbeitnehmer – das scheint für die agilen, jungen Unternehmen noch gewöhnungsbedürftig zu sein. Die Behinderung einer Bildung von Betriebsräten allerdings ist kein Kavaliersdelikt und kann strafbar sein. Diese gesetzliche Regelung besteht schon lange. Mit dem im Sommer 2021 in Kraft getretenen Betriebsrätemodernisierungsgesetz wurde der arbeitsrechtliche Kündigungsschutz von Betriebsrats-Wahlinitiatoren überdies nochmals gestärkt. Dieser Schutz gilt jetzt auch für sogenannte Vorfeld-Initiatoren. Darunter sind Arbeitnehmer zu verstehen, die bloße Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats unternehmen und eine öffentlich beglaubigte Erklärung über ihre Absicht der Betriebsratsgründung abgegeben haben. Zu den ausreichenden Vorbereitungshandlungen sollen bereits Gespräche mit anderen Arbeitnehmern, um die Unterstützung für eine Betriebsratsgründung zu ermitteln, gehören. Auch die Kontaktaufnahme zu einer Gewerkschaft soll als Vorbereitungshandlung den Kündigungsschutz auslösen.

Am Ende gelten auch hier die Learnings aus der „old economy“: Besser als sinnlose Abwehrschlachten gegen Mitbestimmung und Betriebsverfassungsrecht, ist ein aktiver Start der Geschäftsführung in eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Betriebsparteien. Wie hat es einer der gerade tagenden Berliner Koalitions-Verhandler gesagt: „Eine Schraube, die am Anfang schief eingesetzt wird, kriegt man nicht mehr gerade.“

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