Mietanpassungen von Gewerbemieten im Corona-Lockdown – Erste BGH-Entscheidung liegt vor

Fachbeitrag zur aktuellen BGH-Rechtsprechung von Thomas Michaelis und Lisa Gallinger

 

Am 01.12.2021 verhandelte der BGH (Az. XII ZR 8/21) erstmals zu möglichen Mietanpassungen von Gewerbemieten im Corona-Lockdown. Im Rahmen der heutigen (12.01.2022) Urteilsverkündung wurde das Urteil des OLG aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen.

Sachverhalt: Die beklagte Mieterin musste im Frühjahr 2020 im Zuge des coronabedingten Lockdowns schließen. Infolge der behördlich angeordneten Betriebsschließung entrichtete sie für den Monat April 2020 keine Miete.

 

Bisheriger Prozessverlauf: Das LG Chemnitz verurteilte die Mieterin zur vollständigen Zahlung der Miete. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von nur etwa der hälftigen Miete verurteilt. Das OLG ging dabei von einer Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB – bedingt durch die staatliche Schließungsanordnung – aus.

 

Entscheidung des BGH: Der BGH hat nun entschieden, dass die Betriebsschließung aufgrund staatlicher Schließungsanordnung nicht zu einem Mangel der Mietsache i. S. d. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB geführt habe, weshalb eine Minderung der Miete richtigerweise abzulehnen sei. Durch die Schließung für den Kundenverkehr werde der Mieterin weder die Nutzung der angemieteten Räume im Übrigen noch der Vermieterin tatsächlich oder rechtlich die Überlassung der Räumlichkeiten verboten. Die beklagte Mieterin konnte trotz des vereinbarten Mietzwecks („Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts“) nicht davon ausgehen, dass die Vermieterin mit der Vereinbarung des konkreten Mietzwecks eine unbedingte Einstandspflicht auch für den Fall einer hoheitlich angeordneten Öffnungsuntersagung übernehmen wollte.

 

Dem Mieter von Gewerberäumen könne im Fall einer coronabedingten Schließung grundsätzlich einen Anspruch auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB zustehen. Aufgrund der vielfältigen Maßnahmen sei im vorliegenden Fall die sog. große Geschäftsgrundlage betroffen, unter der man die Erwartung der Parteien verstehe, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrags nicht ändern und die Sozialexistenz nicht erschüttert werde.

 

Allein die Störung der Geschäftsgrundlage berechtige allerdings noch nicht zu einer Vertragsanpassung. Vielmehr sei erforderlich, dass dem Mieter auch unter Berücksichtigung der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung das Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar wird. Dies bedürfe einer umfassenden Abwägung, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen seien. Eine pauschale Betrachtungsweise werde den Anforderungen des § 313 Abs. 1 BGB nicht gerecht. Deshalb sei die vom OLG vorgenommene Vertragsanpassung dahingehend, dass ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände die Miete für den Zeitraum der Geschäftsschließung um die Hälfte herabgesetzt werde, abzulehnen. Es bedürfe vielmehr einer auf den Einzelfall bezogenen Abwägung, bei der von Bedeutung ist, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung entstanden sind. Zu berücksichtigen könne auch sein, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte, um die drohenden Verluste zu vermindern. Dabei seien grundsätzlich auch finanzielle Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen oder Versicherungsleistungen zum Ausgleich erlangt hat. Eine tatsächliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters sei nicht erforderlich.

 

Fazit: Die Entscheidung ergeht aus praktischer Sicht erwartungsgemäß: Pauschalen Vertragsanpassungen, wie zuletzt einige Landgerichte vorgenommen und Oberlandesgerichte bestätigt haben, erteilt der BGH eine Absage. Die Umstände des Einzelfalls sind maßgeblich. Hierbei hat der BGH in seiner ersten Entscheidung zur Pandemie bedingten Mietanpassung Leitlinien gesetzt.

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