Unmittelbare Auswirkungen des 5. EU-Sanktionspakets gegen Russland auf Neu- und Altverträge Öffentlicher Auftraggeber im Oberschwellenbereich

Der vorliegende Beitrag stellt den ersten Teil einer bisher zweiteiligen Artikel-Serie dar. Beachten Sie für weiterführende Informationen daher auch das Follow-Up zum vorliegenden Artikel vom 05.05.2022. Dieses können Sie kostenfrei auf unserem Blog nachlesen.

 

Durch die EU-Verordnung Nr. 2022/576 des Rates vom 8. April 2022 ist die EU-Verordnung Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, erweitert worden und nach In-Kraft-Treten am 9. April 2022 in den EU-Mitgliedsstaaten unmittelbar anwendbar. Für die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen sowie die Abwicklung bereits geschlossener Verträge im Oberschwellenbereich – mit nur wenigen Ausnahmen – ist die Ergänzung des Art. 5k von erheblicher Relevanz:

1. Verbote

Die Öffentlichen Auftraggeber haben demnach ab sofort die in Art. 5k vorgesehenen Verbote zu beachten:

 

Seit dem 9. April 2022 ist es verboten, öffentliche Aufträge und Konzessionen an

 

(1) russische Staatsangehörige oder in Russland niedergelassene natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen

 

(2) juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, deren Anteile zu mehr als 50 % unmittelbar oder mittelbar von Angehörigen, Personen, Organisationen oder Einrichtungen i.S. (1) gehalten werden

 

(3) natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die im Namen oder auf Anweisung von Staatsangehörigen, Personen, Organisationen oder Einrichtungen i.S. (1) oder (2) handeln

 

(4) Unterauftragnehmer, eignungsverleihende Unternehmen und Lieferanten, wenn auf diese mehr als 10 % des Auftragswertes entfällt

zu vergeben bzw. den Zuschlag auf Angebote dieser Personen / Unternehmen mit Bezug zu Russland zu erteilen (Zuschlagsverbot).

 

Für Verträge, die vor dem 9. April 2022 geschlossen wurden, gilt nach dem 10. Oktober 2022 ein Vertragserfüllungsverbot.

Lediglich in den, in Art. 5k Abs. 2 konkret bezeichneten, Fällen (z.B. Vergabe von Leistungen für den Betrieb, die Instandhaltung, die Stilllegung ziviler nuklearer Kapazitäten, etc.) können die zuständigen Behörden die Vergabe oder die Fortsetzung der Erfüllung von Verträgen genehmigen und damit eine Ausnahme von dem vorgesehenen Zuschlags- bzw. Vertragserfüllungsverbot ermöglichen.

 

2. Handlungsbedarf für Öffentliche Auftraggeber

Die in Art. 5k vorgesehenen Verbote sind demnach in der Regel beachtlich und gehen mit einem unmittelbaren Handlungsbedarf für Öffentliche Auftraggeber einher:

2.1 Handlungsbedarf bei zukünftigen Vergaben über dem EU-Schwellenwert

Um als Öffentlicher Auftraggeber sicherstellen zu können, Zuschläge zukünftig nicht auf Angebote von Personen / Unternehmen mit Bezug zu Russland zu erteilen, empfiehlt es sich bei Vergaben im Oberschwellenbereich im Anwendungsbereich von Art. 5k von Bewerbern bzw. Bietern bzw. sämtlichen Mitgliedern einer Bietergemeinschaft die Vorlage einer entsprechenden Eigenerklärung zu verlangen. Angebote, die ohne entsprechende Eigenerklärung abgegeben werden, könnten dann insbesondere nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV von der Angebotswertung ausgeschlossen werden. Der Vorschlag einer solchen Eigenerklärung ist dem Rundschreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) vom 14. April 2022 als Anlage beigefügt. U.a. auch das Land NRW hat bereits eine solche Eigenerklärung in das VHB NRW aufgenommen.

2.2 Handlungsbedarf bei bereits abgeschlossenen Vergaben

Vergaben über dem EU-Schwellenwert, die (1) unter den Anwendungsbereich des Art. 5k fallen, (2) bei denen der Vertragsschluss vor dem 9. April 2022 erfolgt ist und (3) deren Vertragslaufzeit über den 10. Oktober 2022 hinausgeht, unterliegen nach dem 10. Oktober 2022 einem Vertragserfüllungsverbot.

 

Handelt es sich bei dem Vertragspartner um eine Person / ein Unternehmen mit Bezug zu Russland oder setzt dieser einen entsprechenden Unterauftragnehmer im Sinne des Art. 5k ein, bedeutet dies, dass der Vertrag über den 10. Oktober 2022 hinaus nicht weiter erfüllt werden darf. Laufende Verträge müssen also „aufgelöst“ bzw. „beendet“ werden. In Betracht kommt hier insbesondere eine Vertragsaufhebung oder Kündigung.

 

Eine mit der Vertragslösung einhergehende Schadensersatzpflicht gegenüber den in Art. 5k genannten Personen / Unternehmen mit Bezug zu Russland wird in Art. 1 Ziffer 25 der EU-Verordnung Nr. 2022/576 in Verbindung mit Art. 11 der EU-Verordnung Nr. 833/2014 wird EU-rechtlich unmittelbar ausgeschlossen.

 

Sollte der Verdacht bestehen oder ein Öffentlicher Auftraggeber nicht mit Sicherheit ausschließen können, dass der Vertragspartner eine Person / ein Unternehmen mit Bezug zu Russland im Sinne des Art. 5k ist oder ein entsprechender Unterauftragnehmer eingesetzt wird, kann Kenntnis von den relevanten Informationen des Art. 5k durch ein entsprechendes Auskunftsverlangen gewonnen werden; beispielsweise durch Ausübung eines vertraglichen Auskunftsrechts, als vertragliche Nebenpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB geltend gemacht werden oder– bei erfolglos gebliebenen Nachforschungen – auf § 242 BGB gestützt werden.

 

Die Geltendmachung eines solchen Auskunftsverlangens ist insbesondere deshalb ratsam, weil gemäß Art. 10 der EU-Verordnung Nr. 833/2014 nur natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen für ihre Handlungen nicht haftbar gemacht werden können, wenn sie nicht wussten und keinen vernünftigen Grund zu der Annahme hatten, dass sie mit ihrem Handeln gegen die Maßnahmen nach dieser Verordnung verstoßen.

 

3. Zusammenfassung

Das 5. EU-Sanktionspaket gegen Russland hat demnach unmittelbare Auswirkungen für laufende und zukünftige Vergaben öffentlicher Aufträge und Konzessionen im Oberschwellenbereich und erfordert Handlungen des Öffentlichen Auftraggebers zur Vermeidung von Vertragsbeziehungen mit Personen / Unternehmen mit Bezug zu Russland.

 

Diese Thematik ist in gleicher Weise zudem auch bei laufenden Verträgen im Oberschwellenbereich zu berücksichtigen. Auftragnehmer sollten hier – unter dem Hinweis auf die andernfalls drohende Vertragsauflösung – aufgefordert werden, die relevanten Informationen entsprechend Art. 5k zu erteilen.

 

 

Senior Associate
Laura Imkamp

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