Krankmeldung als Streikmittel? Der Fall TUIfly aus arbeitsrechtlicher Sicht

Die massenhaften kurzfristigen Krankmeldungen des Kabinen- und Cockpitpersonals bei der TUIfly haben das Unternehmen operativ und wirtschaftlich vor enorme Probleme gestellt und damit einem schon vergessen geglaubten Druckmittel zu neuer Aktualität verholfen. Die rechtliche Bewertung sowohl auf individual-, als auch auf kollektivrechtlicher Ebene ist dabei weniger problematisch als die Beweislage.

Unterstellt man den Mitarbeitern der TUIfly bei den Krankmeldungen eine koordinierte Aktion, ist von einem unzulässigen Arbeitskampfmittel auszugehen. Im Streikrecht gilt der Grundsatz der Arbeitskampfparität, wonach ein Verhandlungsgleichgewicht zwischen den Arbeitgebern bzw. Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften gewahrt sein muss. Der Bundesgerichtshof entschied bereits in den 70ern, dass abgesprochene massenweise Krankmeldungen („go sick“) im Rahmen einer tariflichen Auseinandersetzung den Arbeitgeber unverhältnismäßig benachteiligen und daher sittenwidrig sind (BGH, Urt. v. 31. Januar 1978 – VI ZR 32/77). Diese Grundsätze gelten bis heute.

Abgestimmte Krankmeldungen stellen ein „verdecktes“ Arbeitskampfmittel dar, worauf der Arbeitgeber seinerseits nicht mit den Mitteln des Arbeitskampfes (z.B. Aussperrung, Lohnstopp) reagieren kann. Kann eine koordinierte Aktion also bewiesen werden, ist diese sittenwidrig und kann Schadenersatzansprüche auslösen (BGH, a.a.O.).

Im Verhältnis zum Arbeitnehmer ist die Rechtslage ebenfalls eindeutig. Täuscht ein Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeit nur vor, handelt es sich um sog. Entgeltfortzahlungsbetrug, der nicht nur eine Straftat (§ 263 StGB) darstellt, sondern auch den Arbeitgeber regelmäßig zur (fristlosen) Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 8. Oktober 2013 – 6 Sa 188/13).

Trotz teilweise attestierter „Schlitzohrigkeit“ der Arbeitnehmer gilt daher: Wer eine Krankheit nur vortäuscht, riskiert seinen Arbeitsplatz und überdies ein Strafverfahren.

Obwohl die Rechtslage eindeutig ist, hat der Arbeitgeber praktisch allerdings kaum eine Möglichkeit, auf den verdeckten Protest angemessen zu reagieren. Der kurzfristige Charakter der Krankmeldungen verhindert es, dass der Arbeitgeber sämtlichen Krankmeldungen im Detail nachgehen kann. Das „Flashmob-Prinzip“ greift insoweit. Bevor sich der Rauch gelegt hat, ist der Schaden angerichtet.

Der Arbeitgeber kann zunächst die Entgeltfortzahlung verweigern, da der Arbeitnehmer grundsätzlich beweisbelastet ist, dass er tatsächlich krank war. Dies geht am sichersten über ein ärztliches Attest, das einen sehr hohen Beweiswert besitzt. Waren die Arbeitnehmer aber nicht beim Arzt, geraten sie in Beweisnot. Für die Zukunft kann der Arbeitgeber auch eine sofortige Attestpflicht bereits ab dem ersten Krankheitstag einführen (§ 5 Abs. 1 S. 3 EFZG), um die Hemmschwelle der Arbeitnehmer zur kurzfristigen Krankmeldung zu erhöhen.

Auf Grundlage der BGH-Rechtsprechung kann zudem eine Schadensersatzpflicht der Gewerkschaft bestehen, wenn ihr eine Mitwirkung an einer abgestimmten Krankmeldung nachgewiesen werden kann. Dies gelingt aber wohl nur dann, wenn in der Abstimmung zwischen Gewerkschaften und Arbeitnehmern ein Fehler passiert und diese öffentlich oder wenigstens für den Arbeitgeber zugänglich wird. Da sich im Fall TUIfly die Gewerkschaften offiziell nicht zu den Krankmeldungen bekannt, sondern eine Beteiligung abgestritten haben, dürfte dies allerdings schwierig werden.

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