Fehler bei der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 7: Direktvertriebsrecht

Fehler bei der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 7: Direktvertriebsrecht

Direktvertriebsrecht in Vertriebsverträgen – die ewige Vertragsfalle

Oftmals sehen Hersteller in Vertriebsverträgen die Notwendigkeit, ihrem Vertriebspartner eine Exklusivität oder weitgehende Exklusivität für ein bestimmtes Vertriebsgebiet zuzuweisen. Teilweise soll diese zugewiesene Exklusivität wieder aufgeweicht werden durch Klauseln, nach denen eine direkte Belieferung des Herstellers in das dem Vertriebspartner zugewiesene Vertriebsgebiet ganz allgemein oder an bestimmte Kundengruppen zulässig sein soll.

Mit den vorgenannten Regelungen setzen sich die Hersteller einerseits dem Risiko eines Vertragshändlerausgleichsanspruchs analog § 89 b HGB aus. Dies deshalb, weil die Rechtsprechung dem Vertragshändler einen solchen Ausgleichsanspruch analog § 89 HGB zugesteht, wenn er handelsvertretergleich in die Absatzorganisation des Herstellers eingegliedert ist. Die hierzu ergangene Indiz-Rechtsprechung sieht dabei die Zuweisung eines bestimmten Vertriebsgebietes als auch die Zuweisung einer Exklusivität als ein starkes Indiz für eine derartige Eingliederung an.

Aus derartigen Regelungen ergeben sich jedoch weitere, oft von Herstellern übersehene Risiken für diese. Der Hersteller ist dem Händler, der nicht nur seine Tätigkeit, sondern auch seinen Geschäftsbetrieb und das investierte Kapital weitgehend den Interessen des Herstellers unterordnet, gegenüber nämlich verpflichtet, den schutzwürdigen Belangen des Händlers angemessen Rechnung zu tragen und dessen Interessen nicht ohne begründeten Anlass zuwider zu handeln.

Nach der Rechtsprechung beruht der Vertrag zwischen Hersteller und Vertragshändler auf einer engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit und unterlieg deshalb in höherem Maße als andere Verträge der gesetzlichen Treuepflicht.

Entsprechend hat der Hersteller auch auf die schutzwürdigen Belange und Interessen des Vertragshändlers die gebotene Rücksicht zu nehmen, solange und soweit nicht sein Recht auf freie Entscheidung über die Art und Weise der Führung seines Geschäftsbetriebs betroffen ist und Vorrang genießt.

Grundsätzlich ist zwar der Hersteller seinen geschäftlichen Dispositionen frei und hat die in diesem Bereich anfallende Entscheidung in seiner Verantwortung zu treffen. Eine Grenze besteht jedoch darin, dass es ihm nicht erlaubt ist, sich ohne Sachgrund willkürlich über etwaige schutzwürdige Belange eines Vertragshändlers hinwegzusetzen.

Dabei hängt der Grad der gebotenen Rücksichtnahme auf die Interessen des Vertragshändlers durch den Hersteller von der jeweiligen Ausgestaltung des Vertragshändlervertrages ab. Zusammengefasst lässt sich sagen: Je mehr der Vertragshändler handelsvertretergleich in die Vertriebsorganisation eingegliedert ist, d. h. den Hersteller durch den Einsatz von Personal oder Kapital zu unterstützen hat, desto mehr sind Eigenvertriebsaktivitäten auf der Handelsstufe des Vertragshändlers nach der Natur des Vertragshändlervertrages Einhalt geboten.

Ist daher dem Händler ein Alleinvertriebsrecht oder eine dem nahe kommende Position vertraglich eingeräumt, sind Eingriffe in das geschützte Absatzgebiet des Vertragshändlers – wie etwa die Einsetzung weiterer Vertragshändler, der Direktvertrieb oder die Verkleinerung des Vertriebsgebietes – nur unter aus gewichtigen Gründen und bei angemessener Berücksichtigung der nachteiligen Folgen (d. h. also mit Geldausgleich) zulässig.

Etwas geringeren Schutz genießt der Vertragshändler dagegen, wenn ihm die Vertriebskonzeption des Herstellers nach dem Gesamtinhalt des Vertragshändlervertrages gerade kein alleiniges Betätigungsfeld überlässt. Aber auch dann trifft den Hersteller eine Treuepflicht im Verhältnis zu dem nichtalleinvertriebsberechtigten Vertragshändler. Wo deren Grenzen verlaufen und wann eine Verletzung gegeben ist, muss nach der Rechtsprechung des BGH anhand des Vertragsinhaltes im Einzelfall bestimmt werden.

Es ist daher bei der Vertragsgestaltung wohl zu überlegen, ob der Vertragshändler streng gebunden werden soll, etwa durch weitgehende Berichtspflichten, Mindestabnahmepflichten, ein Wettbewerbsverbot, eine gemeinsame Messe- und Werbepolitik oder ähnliche Einschränkungen.

Wenn denn schon gewichtige Gründe für den Eingriff in das Vertragsgebiet des Vertragshändlers notwendig sind, müssen diese auch im Vertrag zumindest beispielsweise genannt werden. Dabei hat der BGH Formulierungen wie „aus Gründen der Marktabdeckung“ oder „zur Sicherung des Marktanteils“ bereits eine Absage erteilt.

Auf der sicheren Seite ist der Hersteller, wenn der dem Vertragshändler für derartige Eingriffe einen „angemessenen“ Ausgleich gewährt. Dieser sollte an dem, dem Vertragshändler entgehenden Gewinn orientiert sein.

Weiterhin ist darauf zu achten, dass eine angemessene Umstellungsfrist eingehalten wird, die sich an den Kündigungsfristen zu § 89 HGB orientieren kann.

Bei der Vertragsgestaltung wird man darüber hinaus das sog. AGB-rechtliche Transparenzgebot zu beachten haben und derartige Eingriffsrechte des Herstellers klar und bestimmt formulieren müssen. Dabei ist auch zu empfehlen, bei Direktliefervorbehalten oder der Möglichkeit der Verkleinerung des Vertragsgebietes vorzusehen, dass ein entsprechender Vertragshändlerausgleichsanspruch entstehen kann.

Fazit:

Die Zuweisung einer Exklusivität oder eines Direktbelieferungsvorbehaltes oder die Möglichkeit, das Vertragsgebiet nachträglich zu verkleinern, birgt für den Hersteller eine hohe Gefahr, sich nachträglichen Zahlungsansprüchen des Vertragshändlers ausgesetzt zu sehen. Eine sehr sorgsame und vor allem auch AGB-rechtlich ausgerichtete Vertragsgestaltung ist hier unumgänglich. Hersteller sind dabei gut beraten, derartige Verträge durch Spezialisten formulieren zu lassen, die nicht nur den vertriebsrechtlichen, sondern auch den AGB-rechtlichen Notwendigkeiten Rechnung tragen können, um böse Überraschungen für den Hersteller zu vermeiden.

Teil 8 unserer Blog-Reihe erscheint am 03.05.2019. Darin geht es um das Thema: LOI und MoU – Die vertragliche Falle

Unsere Beitragsreihe „Fehler bei der Vertragsgestaltung vermeiden“ erscheint 14-tägig, immer Freitags.

Bisher erschienene Teile zum nachlesen:
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 1: Leistungsänderung
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 2 Haftungsausschlüsse und -begrenzungen
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 3 Vertragsstrafe
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 4 Schadenspauschalierung
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 5 Geheimhaltungsvereinbarung
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 6 AGB
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 7 Direktvertriebsrecht

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