Neue Arbeitsflut durch EU-Richtlinie für Unternehmensverträge und AGB – To do`s unvermeidlich!

I. Hintergrund

Am 20. Mai 2019 hat das Europäische Parlament und der Rat die folgenden Richtlinien Digitale-Inhalte-Richtline (Richtlinie (EU) 2019/770, „DIDRL“) und die Warenkauf-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/771, „WKRL“) verabschiedet. Durch die neuen Richtlinien dringt die Digitalisierung weiter in das Kaufrecht vor. Zweck der Richtlinien ist es, zum ordnungsgemäßen Funktionieren des digitalen Binnenmarkts beizutragen und gleichzeitig für ein hohes Verbraucherschutzniveau zu sorgen. Die Richtlinien sind bis zum 1. Juli 2021 in nationales Recht umzusetzen und auf Verträge, die ab dem 1. Januar 2022 geschlossen werden, anzuwenden sind. Der Gesetzentwurf verpflichtet den Unternehmer ab dem 1. Januar 2022 die europaweit einheitlichen Vorgaben beim Vertrieb digitaler Inhalte und Dienstleistungen einzuhalten und an verschiedenen Stellen Anpassungen und Aktualisierungen vorzunehmen.

Am 7. Januar 2020 ist des Weiteren die sogenannte „Omnibus-Richtlinie“ oder Modernisierungs-Richtlinie in Kraft getreten (Richtlinie (EU) 2019/2161). Damit werden Verbraucherschutz und das Recht des unlauteren Wettbewerbs verschärft. Die Mitgliedsstaaten müssen bis zum 28. November 2021 diese Richtlinie umgesetzt haben und ab dem 28. Mai 2022 anwenden.

II. Anwendungsbereich der Digitale-Inhalte- und Warenkauf-Richtlinie

Die Warenkauf-Richtlinie und die Digitale-Inhalte-Richtline sind so aufeinander abgestimmt, dass sie nahezu alle Waren und digitalen Inhalte erfassen. Die Warenkauf-Richtlinie bezweckt, die Verbraucherrechte beim Warenkauf und beim Kauf von Waren mit digitalen Elementen zu stärken und ersetzt die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Sie erfasst dabei ausschließlich Kaufverträge über Waren und Verträge und Bereitstellung von Waren, die noch hergestellt oder erzeugt werden müssen.

„Waren“ im Sinne der Richtlinie sind bewegliche körperliche Gegenstände, die in einer Weise digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass die Waren ihre Funktionen ohne diese digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen nicht erfüllen können („Waren mit digitalen Elementen“). Beispiele, bei denen ein Vertrag über Waren mit digitalen Elementen komplett und ausschließlich der Warenkauf-RLK unterfällt, sind Computer, Smartphone, etc. bei denen das Betriebssystem und diverse Programme/Anwendungen laut Vertrag enthalten sind oder beim Kauf eines Smart-TVs, auf dem eine bestimmte Videoanwendung (Mediathek-Apps, Streaming-Apps, …) enthalten sein soll. Bei Verträgen mit Waren und digitalen Elementen soll die WKRL vorrangig zur Anwendung kommen.

Daneben ergänzt die Digitale-Inhalte-Richtlinie die Warenkauf-Richtlinie. Die Digitale-Inhalte-Richtlinie befasst sich mit einer völlig neuen Materie, der Normierung von Verbraucherverträgen über digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen. Sie erfasst ausschließlich entgeltliche Verträge (nicht nur Kaufverträge) über die Bereitstellung von digitalen Inhalten und digitalen Dienstleistungen durch den Unternehmer.

Digitale Inhalte sind z.B. Computerprogramme, Anwendungen, Videodateien, Audiodateien, digitale Spiele, elektronische Bücher.
Digitale Dienstleistungen sind Dienstleistungen, die dem Verbraucher die Erstellung, Speicherung, Verarbeitung von oder den Zugang zu Daten ermöglichen oder das Teilen, den Zugriff und die Interaktion mit Daten anderer Nutzer des Dienstes ermöglichen, z.B. Streaming-Dienste, Messenger-Dienste, Cloud-Dienste, soziale Netzwerke und andere Plattformen.

Der Unternehmer hat die Verpflichtung zur Bereitstellung erfüllt, sobald die digitalen Inhalte bzw. digitalen Dienstleistungen dem Verbraucher körperlich oder virtuell verfügbar oder zugänglich gemacht wurden.

III. Änderungen im Überblick durch die Digitale-Inhalte- und Warenkauf-Richtlinie

Beide Richtlinien enthalten im Wesentlichen Regelungen zum Mangelbegriff und zu den Ausübungsrechten des Verbrauchers bei Vertragswidrigkeit. Die Fülle der Änderungen kann hier selbstverständlich nicht in einem summarischen Artikel dargestellt werden, stattdessen soll nur ein erster Überblick über die wichtigsten relevanten Änderungen gegeben werden.

Grundlegende Änderung des Sachmangelbegriffs in § 434 BGB
Nach den bisherigen Regelungen des Kaufrechts §§ 434 ff. BGB schuldete der Verkäufer die mangelfreie Übergabe und Eigentumsverschaffung. Der Mangelbegriff des § 434 BGB nach dem eine Kaufsache als fehlerfrei angesehen wird, wenn sie den subjektiven, also individuellen Vorstellungen der Vertragspartner entspricht, bleibt weiter bestehen. Nach dem neuen Recht kommen objektive Voraussetzungen hinzu, wie beispielsweise die Haltbarkeit oder die Sicherheit, die dann ebenfalls kumulativ vorliegen müssen und auch zur gesetzlichen Leistungspflicht des Verkäufers zählen. So rücken, neben den subjektiven Vorstellungen der Vertragsparteien, objektive Elemente, wie die im Geschäftsverkehr üblichen Eigenschaften der Sache und die Montageanforderungen stärker als bisher in den Vordergrund. Es entstehen neue Konstellation, die dem deutschen Kaufrecht bisher unbekannt waren. Nach dem neuen Mangelbegriff kann eine Sache mangelhaft sein, wenn sie zwar der vereinbarten Beschaffenheit entspricht, sich jedoch nicht zur gewöhnlichen Verwendung eignet. Vor diesem Hintergrund und den damit einhergehenden wesentlichen Änderungen müssen Vertragsmuster und AGB von Verkäufern geprüft und aktualisiert werden.

Hohe Anforderungen an die negative Beschaffenheitsvereinbarung
Beide Richtlinien lassen weiterhin ausdrücklich eine negative Beschaffenheitsvereinbarungen zu, also eine Vereinbarung, wonach die Parteien von objektiven Anforderungen an den Vertragsgegenstand nach unten abweichen können. Voraussetzung ist jedoch künftig, dass der Unternehmer den Verbraucher ausdrücklich davon in Kenntnis setzt, dass die Kaufsache hinter den objektiven Anforderungen zurückbleibt und dass der Verbraucher ausdrücklich und gesondert seine Zustimmung erklärt.

Änderungen im Verbrauchsgüterrecht, §§ 474 ff. BGB
Die Warenkauf-Richtlinie hat auch umfassende Änderungen im Recht des Verbrauchsgüterkaufs zur Folge. Die bisher geltende Mangelvermutung, dass bei B2C‑Kaufverträgen ein Mangel der Kaufsache bereits bei Übergabe der Kaufsache vorlag, gilt künftig nicht mehr für sechs Monate, sondern für ein ganzes Jahr. Zudem sieht § 475e BGB n.F. vor, dass die zweijährige Gewährleistungsfrist für vier Monate nach erstmaligem Auftreten des Mangels und für zwei Monate nach einer Nacherfüllung aus Gewährleistung oder Garantie unterbrochen wird, mit der Folge, dass die neue Regelung faktisch zu einer Verlängerung der Verjährung führt. Hierdurch sollen die Hersteller dazu bewegt werden, langlebigere Produkte zu entwickeln. Dies führt dazu, dass alle Verträge in der Lieferkette neu reguliert werden müssen – will der Verkäufer im B2C nicht auf einer Haftungslücke sitzen bleiben.

Aktualisierungs- und Informationspflicht des Unternehmers bei Verträgen mit digitalen Inhalten
Noch etwas mehr als die bloße Haltbarkeit wird der Unternehmer künftig bei digitalen Inhalten und digitalen Diensten schulden: Er wird die Inhalte durch Aktualisierungen vertragskonform halten müssen. Der Käufer kann nach § 327f BGB n.F. während des maßgeblichen Zeitraums Aktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts erforderlich sind, von dem Unternehmer verlangen. Darüber hinaus müssen die Unternehmer die Verbraucher über Aktualisierungen und Sicherheitsupdates informieren, die für den Erhalt der Beschaffenheit erforderlich sind. Diese Updates sind dem Verbraucher bereitzustellen. Inhaltlich umfasst die Pflicht zur Aktualisierung zumindest Sicherheitsupdates. Wie lange er Unternehmer die digitalen Inhalte durch Aktualisierungen vertragskonform halten muss, richtet sich dann nach dem jeweiligen Vertragstyp. Kommt der Unternehmer seiner Aktualisierungspflicht nicht nach, so haftet er bei Vorliegen der Voraussetzungen auf Nacherfüllung und Schadensersatz.

Bezahlung mit „Digitalen Daten“ erstmals auch als „entgeltlicher Vertrag“
Virtuelle Währungen erfahren im Wirtschaftshandel wachsende Bedeutung, da viele Nutzer die „digitale Währung“ als Zahlungsmittel nutzen. Erstmals berücksichtigt der Gesetzgeber diese Entwicklung und definiert die Zahlung mit einer „digitalen Währung“ als eine Gegenleistung des Vertrages. Darüber hinaus erfassen die neuen Vorschriften auch solche Verträge, die statt eines Entgelts die Preisgabe der personenbezogenen Daten von Verbrauchern vorsehen. Relevant ist das vor allem bei sozialen Netzwerken.

IV. Änderungen durch die Omnibus-Richtlinie

Durch die Omnibus-Richtlinie werden gleich vier Richtlinien aktualisiert, weshalb sich für den Unternehmer eine Vielzahl von wesentlichen Änderungen ergeben, auf die er sich nun mehr einstellen muss.

Allgemeine Geschäftsbedingungen
Die Richtlinie schreibt vor, dass die einzelnen Mitgliedstaaten Sanktionen vorsehen müssen, wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) genutzt werden, die Verbraucher unangemessen benachteiligen. Ein Grund umso mehr, um zu aktualisieren.

Unlautere Geschäftspraktiken
Ein Händler begeht künftig eine unzulässige irreführende Handlung, wenn faktisch unterschiedliche Produkte als identische Produkte vermarktet werden. Weiterhin werden die Informationenpflichten des Unternehmers in einem erheblichen Umfang erweitert: Eine neue Informationspflicht der Händler besteht, wenn der dem Verbraucher angezeigte Preis auf der Grundlage einer automatisierten Entscheidungsfindung oder der Erstellung von Profilen des Verbraucherverhaltens personalisiert wurde. Ebenso muss offengelegt werden, ob ein Drittverkäufer auf Online-Marktplätzen Unternehmer ist oder nicht. Können Verbraucher über eine Suchfunktion nach Produkten suchen, sind die Verbraucher über die wesentlichen Parameter für das Ranking der Suchergebnisse zu informieren. Diese Informationen sind an einer leicht zugänglichen Stelle den Verbrauchern unmittelbar zur Verfügung zu stellen. Bei der Verwendung von Produktbewertungen muss der Unternehmer künftig darüber informieren, ob und wie er sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von Verbrauchern stammen.

V. Auswirkungen auf AGB und Vertragsgestaltung – Mehrbelastung für Unternehmen

Dies sind nur einige von vielen Änderungen, mit denen der Unternehmer künftig konfrontiert wird. Was sollten die Unternehmen nun tun? Zunächst sollten sie sich frühzeitig dahingehend informieren, wie die Änderungen durch die Richtlinien ihren Geschäftsbetrieb beeinflussen. Die Verbraucher werden durch die Richtlinien in erheblichem Umfang in der Durchsetzung ihrer Gewährleistungsrechte gestärkt. Für den Unternehmer entstehen im Gegenzug hierdurch neue Fallstricke, die es zu bewältigen gilt. Die Unternehme müssen sich nun auf das neue Regelwerk einstellen und etwaige Anpassungen ihrer AGB und Verträge über die gesamte Lieferkette vornehmen. Insbesondere im Hinblick auf die Aktualisierungspflicht können unternehmensinterne Umstrukturierungen erforderlich werden. Bei Versäumnissen drohen gegebenenfalls Schadensersatzansprüche des Verbrauchers und hohen Bußgeldern. Auch werden die Unternehmen zwangsläufig Produkte in einem längeren Zeitraum zurücknehmen müssen. Diesen Umstand sollten Unternehmen bei der Preisgestaltung berücksichtigen, des Weiteren ihre AGB auf den neuen Mangelbegriff angleichen und geeignete Formulare für die Abweichung schaffen.

Insgesamt sollten Unternehmen daher qualifizierte rechtliche Hilfe von einem Vertrags- und AGB-Experten in Anspruch nehmen. Vor allem auch um Abmahnungen von Wettbewerbern oder Verbraucherverbänden zu vermeiden.

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