Betriebsanleitungen im digitalen Zeitalter

Christian Thomas

Im Zeitalter der Digitalisierung und angesichts des Internets of Things (IoT), der Robotik und Künstlichen Intelligenz wirken umfangreiche gedruckte Betriebsanleitungen im Lieferumfang von Produkten bisweilen wie aus der Zeit gefallen. Dass die für das Produktrecht verantwortlichen Wirtschaftsakteure nach wie vor daran festhalten, hat jedoch einen einfachen Grund.

Sowohl produktgruppenspezifische Rechtsakte als auch das allgemeine Produktsicherheitsgesetz schreiben vor, dass einem Produkt in der Regel eine Betriebs- bzw. Gebrauchsanleitung beizufügen ist. Diese soll neben Inbetriebnahme- oder Nutzungshinweisen insbesondere auch Sicherheits- und Warnhinweise enthalten. Die Betriebsanleitung dient damit vorrangig der Instruktion. Die Instruktionspflicht des rechtlich verantwortlichen Herstellers bzw. Importeurs ist in produktrechtlichen Rechtsakten auf europäischer Ebene festgelegt. Ihr wichtigstes Ziel ist es, den Benutzer bzw. Bediener eines Produkts oder einer Maschine über unvermeidbare Restrisiken zu informieren und vorhersehbare Fehlanwendungen zu verhindern. Damit sind Instruktionen bzw. ist die Anleitung ein zentraler Bestandteil produktrechtlicher Compliance – und tragen maßgeblich dazu bei, dass ausschließlich sichere Produkte in Verkehr gebracht werden.

 

Damit verbunden hat die Betriebsanleitung für den Hersteller nicht nur produktsicherheitsrechtlich Relevanz. Sie ist auch ein wichtiges Instrument zur Reduzierung von Haftungs- und Sanktionsrisiken. In diesem Zusammenhang sei beispielsweise an die verschuldensunabhängige Produkthaftung des Herstellers für Instruktionsfehler erinnert.

 

Allgemein bekannt und gut nachvollziehbar ist, dass die Hinweise stets in der Sprache der jeweiligen Benutzer – regelmäßig also der Amtssprache des Landes, in dem das Produkt verkauft wird – sowie in allgemein klarer, verständlicher und deutlicher Art und Weise erfolgen müssen.

 

Deutlich weniger eindeutig ist hingegen, welche Form die Betriebsanleitung zu einem Produkt haben muss. Während eine Anleitung in gedruckter Form über Jahrzehnte hinweg der logische Standard war, haben der technische Fortschritt und die Digitalisierung hier eine spannende Frage nach dem Formerfordernis aufgeworfen.

 

Die einschlägigen Rechtsakte fordern, dass dem Produkt entsprechende Instruktionen „beigefügt“ oder sie „mitgeliefert“ werden. Früher ergab sich daraus wie selbstverständlich, dass diese Regelung auf die Beifügung einer Anleitung in Papierform abzielte. Inzwischen wird dies nicht mehr als gegeben hingenommen. Vielmehr kann die notwendige Betriebsanleitung dem Produkt theoretisch auch auf einem Datenträger beigefügt, (insbesondere bei einem Onlinegeschäft) digital übermittelt, im Lieferumfang des Produkts verlinkt oder über einen QR-Code o. ä. abrufbar sein. Die Frage ist nur, ob damit den produktrechtlichen Anforderungen genügt ist. Denn die Verkehrsfähigkeit des Produkts hängt eindeutig davon ab, ob diesem die erforderlichen Hinweise beigefügt sind.

 

In der Rechtsprechung gibt es nur vereinzelte Entscheidungen zu diesem Komplex. So hat ein deutsches Gericht bereits 2014 die Anleitung zu einem technischen Gerät auf einer CD-ROM im Lieferumfang für ausreichend erachtet. Dem Produktsicherheitsrecht sei nicht zu entnehmen, dass die Anleitung zwingend in Papierform mitgeliefert werden müsse. Dies gelte insbesondere bei technischen Produkten. Insofern spielen die Art des Produkts sowie der Kundenkreis eine wichtige Rolle. Dies Position deckt sich auch mit der Forderung aus § 3 Abs. 4 ProdSG, Instruktionen mitzuliefern. Der Rechtsbegriff des „Mitlieferns“ wird wohl einhellig so aufgefasst, dass die Anleitung in verkörperter Form Bestandteil des Lieferumfangs sein muss. Aus diesem Grund sollte neben der schriftlichen Papierform ausdrücklich auch die elektronische Form genügen. Hingegen dürfte eine Entscheidung aus 2019, wonach das elektronische Versenden sämtlicher Instruktionen per PDF ausreichend sei, nicht mehrheitsfähig sein. Nach wie vor wird eine verkörperte Form gefordert, eine reine Download-Lösung bietet nach aktuellem Stand der Diskussion keine hinreichende Rechtssicherheit.

 

Die Europäische Kommission geht in ihrem sog. Blue Guide, dem Leitfaden zur Umsetzung der Produktvorschriften der EU, davon aus, dass zumindest Informationen zur Sicherheit des jeweiligen Produkts zwingend in Papierform vorliegen müssen. Es wird hingegen nicht verlangt, dass alle Anleitungen ebenfalls auf Papier vorliegen; sie können auch elektronisch oder in einem anderen Datenspeicherungsformat bereitgestellt werden. Jedenfalls sollte Verbrauchern auf Wunsch eine Anleitung in Papierform zur Verfügung gestellt werden.

 

Die – rechtlich nicht verbindliche – technische Norm DIN EN ISO 82079-1 zum Erstellen von Gebrauchsanleitungen empfiehlt, allgemein bei der Wahl der Medien für Benutzerinformationen die Bedürfnisse und Zugänglichkeit der Zielgruppe zu berücksichtigen. Außerdem sollte die Anleitung für die erwartete Lebensdauer des Produkts brauchbar sein. Dies könne auch erfüllt werden, indem neben einer gedruckten Anleitung weiterführende Anleitungsvideos im Internet oder auf verschiedenen stationären Geräten bereitgestellt werden.

 

In diesem Zusammenhang ist ausdrücklich festzuhalten, dass Online-Tutorials Betriebsanleitungen zwar nicht ersetzen, allerdings durchaus ergänzen können. Praktisch greifen viele Nutzer auf YouTube- oder sonstige Videoplattformen zu und durchsuchen diese nach Installations- oder Nutzungshinweise für ein bestimmtes Produkt. Somit haben solche Videos regelmäßig ebenfalls Einfluss auf die Verwendung der behandelten Produkte im Markt. Der Hersteller muss daher zur Haftungsvermeidung zwingend darauf achten, mit dem Inhalt keine Verwendungs- und insbesondere keine Sicherheitserwartungen der Nutzer zu wecken, die von seiner intendierten Verwendung und insbesondere der „offiziellen“ Instruktion in der Betriebs- oder Gebrauchsanleitung abweichen. Spannend ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen der Hersteller sich die Aussagen (mit ihm verbundener) Dritter, z.B. Influencer, zurechnen lassen und ggf. im Rahmen seiner Produktbeobachtungspflicht hierauf reagieren muss. Nicht nur angesichts der zunehmenden Anzahl von Produkten, die allein über Influencer beworben werden, sondern auch mit Blick auf die wachsende Bedeutung rein digitaler Absatzstrategien scheint es dringend geboten, ein ausreichendes Augenmerk auf dieses Thema zu legen.

 

Entsprechend muss den produktrechtlich Verantwortlichen aus Gründen der Haftungsprävention weiterhin empfohlen werden, zumindest wesentliche Sicherheits- und Risikohinweise in verkörperter Form beizufügen und ggf. darüber hinaus auf die Verfügbarkeit umfangreicherer Instruktionen samt Fundstelle zu verweisen. Auf diese Weise kann der Nutzer sich nicht darauf berufen, elementare Instruktionen nicht erhalten zu haben.

 

Besonderheiten gelten derzeit nur im Medizinprodukterecht. Die Medizinprodukteverordnung gestattet unter bestimmten, klar definierten Voraussetzungen zu Prozess, Inhalt und Form, die eindeutig in der Verordnung festgelegt sind, die elektronische Anleitungen für bestimmte Produktgruppen. Der aktuelle Kommissionsentwurf für eine neue Maschinenverordnung sieht ebenfalls vor, dass eine digitale Anleitung unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein kann. Die Zugriffsmöglichkeit auf die elektronische Betriebsanleitung muss auf der Maschine und in einem beigelegten Dokument beschrieben werden. Die Version der Anleitung, die auf die Maschine zutrifft, muss eindeutig angegeben werden. Der Endbenutzer muss jederzeit die Möglichkeit haben, auf die Anleitung zuzugreifen. Das bedeutet, dass die Anleitung offline verwendbar sein und zum Download bereitstehen muss. Zudem muss auch danach auf Wunsch weiterhin eine gedruckte Fassung kostenlos zur Verfügung gestellt werden.

 

Ein umfassender Paradigmenwechsel ist dies also noch nicht, wohl aber ein zukunftsweisender Schritt in die richtige Richtung.

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