Fehler bei der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 10: Risiko – Abbruch von Vertragsverhandlungen

Risiko – Abbruch von Vertragsverhandlungen

Um den richtigen Prinzen (= Vertragspartner) zu finden, müssen auch Unternehmer manchmal viele Frösche küssen, denn bekanntlich entpuppt sich so mancher Traumprinz erst im Laufe von Vertragsverhandlungen als Frosch.

Deshalb stehen Unternehmer im Rahmen von Vertragsverhandlung immer wieder vor einer unangenehmen Frage, wenn die Verhandlungen ins Stocken geraten: Kann ich die Vertragsverhandlungen abbrechen und welche Folgen können auf mein Unternehmen zukommen?

Problem Nr. 1: Schadensersatz

Grundsätzlich binden sich die Parteien erst mit Vertragsschluss an einen Vertrag. Daher können sie bis zur endgültigen Unterschrift jederzeit die Vertragsverhandlungen abbrechen. Es spielt dabei keine Rolle, ob die andere Partei an eine Einigung geglaubt hat und deshalb schon Geld ausgegeben hat.

Es kann jedoch, unter bestimmten Voraussetzungen, ein Anspruch auf Schadensersatz bereits im Laufe der Vertragsverhandlungen entstehen. Dabei handelt es sich um Schadenersatzansprüche aus dem sogenannten Verschulden bei Vertragsverhandlungen (§§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, 280 BGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht eine Ersatzpflicht aber nur, wenn eine Partei die Vertragsverhandlung „ohne triftigen Grund“ abbricht, nachdem sie in zurechenbarer Weise Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrags erweckt.

Hier lohnt sich ein genauerer Blick auf die Voraussetzungen

Vertrauen auf Vertragsschluss erweckt

Ein Anspruch auf Schadensersatz kann nur entstehen, wenn eine Partei zunächst das Vertrauen darauf erweckt hat, dass ein Vertragsschluss zustande kommen wird.
In folgenden Fällen geht man davon aus, dass ein berechtigtes Vertrauen auf einen Vertragsschluss bestehen kann:

• wenn der Abbrechende den Vertragsschluss als sicher darstellt,
• wenn der Abbrechende die andere Partei zur Vorleistung veranlasst,
• oder wenn die Parteien bereits mit der Durchführung des Vertrages begonnen haben.

Verhandlungsabbruch „ohne triftigen Grund“

Darüber hinaus entsteht eine Haftung nur, wenn die Verhandlungen ohne triftigen Grund – d.h. grundlos oder aus sachfremden Erwägungen – abgebrochen werden. Allerding sind an das Vorliegen eines triftigen Grundes keine zu hohen Anforderungen zu stellen, da noch keine vertragliche Bindung besteht. Unter anderem ist in folgenden Fällen ein triftiger Grund anzunehmen:

• wenn ein anderer Interessent ein günstigeres Angebot macht,
• wenn eine Partei einen höheren Preis verlangt, als bisher besprochen,
• wenn sich die Absatzchancen des Produkts, über das die Parteien verhandelt haben, verschlechtert haben,
• wenn ein Korruptionsverdacht im Zusammenhang mit dem angestrebten Vertrag besteht,
• oder wenn eine Partei verstirbt, liegt ein triftiger Grund für die Erben vor.

Hingegen geht man von sachfremden Erwägungen aus:

• wenn die Verhandlungen grundlos abgebrochen werden,
• wenn überhöhte Sicherheiten geforderte werden,
• oder wenn eine Partei immer nachteiligere Vertragsbedingungen nachschiebt.

Dabei kommt es auch auf die richtige Kommunikation der Gründe an, wegen derer Vertragsverhandlungen abgebrochen werden. Denn der Abbrechende ist Schadensersatzpflichtig, wenn er zwar triftige Gründe hat die Verhandlungen abzubrechen, diese aber der anderen Partei nicht mitteilt.

Wenn die genannten Voraussetzungen vorliegen, kann die andere Partei vom Abbrechenden Schadensersatz für solche Aufwendungen verlangen, die vertretbar waren.

Problem Nr. 2: Erfüllungsansprüche

Ein weiteres Problem bei Abbruch von Vertragsverhandlungen kann dadurch entstehen, dass die Parteien eine ungewollte rechtliche Bindungswirkung hervorgerufen haben. Ergibt sich die Rechtsverbindlichkeit der vorvertraglichen Vereinbarung (unabhängig von deren Bezeichnung als Letter of Intent/MoU/Vorvertrag), besteht die Gefahr von Erfüllungsansprüchen.

Fehler in der Praxis

In der Praxis sind einige Hauptfehlerquellen immer wieder zu beobachten. So greifen oft Absichtserklärung, Vorvertrag und Hauptvertrag inhaltlich nicht ineinander. Auch ist es eine „beliebte“ Fehlerquelle, wenn unterschiedliche Bearbeiter für Haupt- und Vorvertrag verantwortlich sind. Zuletzt kommt es auch häufig vor, dass vorvertraglich Vereinbarungen nicht dem bearbeitenden Juristen vorgelegt werden.

Konsequenzen und Tipps

Um die genannten Fehler zu vermeiden, sollte immer geprüft werden, ob vorvertragliche Regelungen wirklich notwendig sind. Deshalb sind vorvertragliche Regelungen, auch in Form eines Letters of Intent, grundsätzlich zu vermeiden, da die Gefahr besteht, durch ungenaue Formulierung eine ungewollte Bindungswirkung zu erzielen. In jedem Fall sollten vorvertragliche Regelungen daher von qualifizierten Vertragsjuristen begleitet werden. Es muss auch in jedem Fall geprüft werden, ob mit vorvertraglichen Vereinbarungen bereits eine Geschäftsgrundlage für den Hauptvertrag geschaffen wird.

Deshalb empfiehlt sich folgende Checkliste für den Inhalt vorvertraglicher Vereinbarungen:

o Präambel: Beschreibung des Projekts und der Interessenlage
o Klarstellung, dass keine Bindung über Vereinbarungen hinaus gewollt ist
o Ggf. Verbot/Einschränkung von Parallelverhandlungen
o Ggf. Klarstellung, dass keine gesellschaftsrechtliche Verbindung gewollt ist
o Beschreibung geplanter Leistungen (Rahmenangaben)
o Regelung des rechtlichen Schicksals für den Fall des Vertragsschlusses und des Vertragsabbruches
o Geheimhaltungs- und Verwertungsvereinbarung
o Ausgleich von Aufwendungen und Kosten
o Haftung und Haftungsbegrenzung
o Zeitrahmen für Verhandlungsablauf
o Rückgabe von Unterlagen
o Qualifizierte Schriftformklausel
o Salvatorische Klausel
o Evtl. Schiedsregelung
o Steuern und Zölle (insbesondere Umsatzsteuerregelung)

Fazit

Bei Vertragsverhandlungen ist für den Unternehmer zunächst zu beachten, dass er nicht bereits mehr verspricht, als er eigentlich zu geben bereit ist. Also ist bei vorvertraglichen Regelungen Vorsicht geboten!

Bestehen keine vorvertraglichen Regelungen, die den Abbrechenden binden, ist ein Abbruch der Verhandlungen grundsätzlich jederzeit möglich. Wichtig ist dabei, den Grund für den Abbruch stets mitzuteilen, wobei keine hohen Anforderungen an den Grund zu stellen sind.

Bisher erschienene Teile zum nachlesen:
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 1: Leistungsänderung
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 2 Haftungsausschlüsse und -begrenzungen
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 3 Vertragsstrafe
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 4 Schadenspauschalierung
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 5 Geheimhaltungsvereinbarung
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 6 AGB
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 7 Direktvertriebsrecht
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 8 LOI und MoU – Die vertragliche Falle
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 9 Auswirkungen des Brexits auf Vertragsgestaltungen
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 10 Risiko – Abbruch von Vertragsverhandlungen

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