Rahmenlieferverträge: Dauerfalle für Unternehmen? (Teil 5 – Die oft missglückte Flucht in eine andere Rechtsordnung)

Rahmenlieferverträge sind in der Wirtschaft ein fest etabliertes Instrument, um Lieferbeziehungen zu regulieren. Sie bieten die Möglichkeit, Lieferprozesse zu verschlanken, indem sich die Parteien nur ein Mal für eine Vielzahl von Rechtsgeschäften auf die Bedingungen für Zulieferer für die Lieferung und Abnahme der Ware einigen.

 

Dabei kommt es oft zu der Situation, dass gerade die Käuferseite von dem Bestand und der vertragsgerechten Durchführung des Rahmenliefervertrages abhängig ist. Im Falle des Falles müssen aber viele Unternehmen feststellen, dass die von ihnen (oder auch von juristischer Seite für sie) entworfenen Klauseln des Rahmenliefervertrages nichts oder jedenfalls nicht das wert sind, was sich die Parteien erhofft haben.

 

Diese Blogreihe soll für Unternehmen eine Hilfestellung sein, derartige Fehler zu vermeiden – in Teil 5 der Reihe lesen Sie: Oft missglückt – die Flucht in eine andere Rechtsordnung.

 

Nicht nur durch den Umstand zunehmend internationalisierter Beziehungen stellt sich die Frage, welches Recht für den vereinbarten Rahmenliefervertrag gewählt werden soll. Einerseits werden dabei oft Rahmenlieferverträge, bei denen eine Partei aus einem anderen Land als der Bundesrepublik Deutschland stammt, zwar nach deutschem Recht entworfen, schlussendlich aber im Rahmen der Einigung einem anderen Recht unterlegt. Dies geschieht oft, weil die Parteien als letzten Kompromiss im Rahmen der Vertragsverhandlung dem Verlangen des ausländischen Vertragspartners nachgeben, das Recht des Landes seines Geschäftssitzes oder ein abweichendes neutrales Recht zu wählen.

 

Ein solches Vorgehen ist allerdings rechtlich fatal. Deshalb, weil der unter deutschen rechtlichen Kautelen entworfene Vertrag unter einer anderen Rechtsordnung in seinen einzelnen Klauseln oft gar nicht ablauffähig ist, da diese mit dem System des anderen Rechtes nicht synchron gehen. Die Geschäftsführung des Unternehmens und alle Beteiligten verantworten damit eine vertragliche Beziehung, die rechtlich nicht reguliert ist und bei der die Rechte und Pflichten des Unternehmens unwirksam oder nicht ablauffähig oder nicht sicher geregelt sind. Derartige Konstellationen führen im Hinblick auf die Geschäftsführung zwingend in Schadensfällen zu einer Haftung nach § 43 GmbHG bzw. § 92 AktG. Auch für beteiligte Juristen ist dieser Fall des zumindest bedingten Vorsatzes ein klarer Haftungsfall, der versicherungsrechtlich nicht abgedeckt ist.

 

Da es bei Rahmenlieferverträgen um Kaufrecht geht, kann im Falle einer schwierigen Einigung über die Rechtswahl oft auch das UN-Kaufrecht (CISG) eine angemessene Alternative sein. Das CISG ist von den initiierenden Staaten als ausgewogenes Modell zur Regulation der Beziehung zwischen Verkäufer und Käufer entwickelt worden. Die Problemstellung hier ist allerdings, dass sich sehr wohl Unternehmen als auch weite Teile der rechtlichen Beraterlandschaft mit den Inhalten und der Rechtsprechung des bzw. zum UN-Kaufrecht(es) nicht auskennen.

 

Dabei ist zu beachten, dass die Rechtsprechung entschieden hat, dass die „blinde“ Abwahl des UN-Kaufrechtes stets ebenfalls einen Haftungsfall darstellt, wenn dieses für das Unternehmen günstiger gewesen wäre. Unternehmen als auch Rechtsberatern passiert dabei häufiger der Fehler, ungewollt in den Bereich des UN-Kaufrechtes zu geraten, weil sie dieses nicht explizit ausschließen und ein Recht eines Vertragsstaates, z. B. deutsches Recht oder chinesisches Recht wählen, bei dem wegen der Mitgliedschaft zum CISG das UN-Kaufrecht transferiertes nationales Recht ist, sodass dieses ohne ausdrücklichen Ausschluss zur Anwendung findet.

 

Ohne die Unterschiede zum deutschen Recht hier vertiefend darstellen zu wollen, ist das UN-Kaufrecht davon geprägt, dass es anders als das deutsche Recht, welches eine Schadensersatzhaftung bei vermutetem Verschulden enthält, eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung des Verkäufers kreiert. Auf der anderen Seite ist der Verkäufer allerdings im Rahmen von Gewährleistungsansprüchen hinsichtlich Rücktrittsrechte des Käufers besser geschützt, weil ein Rücktritt des Käufers vom Vertrag nur bei „erheblichen“ Mängeln des Liefergegenstandes möglich ist. Dem Käufer wiederum kommt zugute, dass ihm eine längere Frist für die Durchführung der Wareneingangskontrolle und Mängelrüge als im deutschen Recht, die unter deutschem Recht recht knapp bemessen ist, zur Verfügung steht. Dies würde vielen Unternehmen die Erhebung einer Mängelrüge und damit letztlich die Gewährleistungsansprüche retten.

 

Zu beobachten ist in der Wirtschaft weiterhin die starke Tendenz (die oftmals durch im AGB-Recht unerfahrene Rechtsberater ausgelöst wird), zur Vermeidung der Anwendbarkeit des komplexen AGB-Rechtes auf Rahmenlieferverträge für diese ein ausländisches Recht (z. B. Schweizer Recht oder schwedisches Recht) zu wählen. Hiervor ist dringend zu warnen. Weder wir das beabsichtigte Ziel mit einem derartigen Vorgehen erreicht, noch bleiben die Parteien haftungsfrei, da sie regelmäßig in eine Situation geraten, wie sie vorstehend bereits geschildert wurde.

 

Klauseln, die Rahmenlieferverträge einem fremden Recht unterlegen, sind – soweit es sich bei diesen Klauseln (wie regelmäßig) um standardisierte Vertragsklauseln und damit Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt – nur dann wirksam, wenn die Abwicklung des einzelnen Kaufvertrages in dem Land erfolgt, dessen Recht gewählt wurde oder eine der Vertragsparteien (nicht ein mit dieser verbundenes Unternehmen) dort seinen Sitz hat. Dies ist oft nicht der Fall. Die Folge davon ist, dass wiederum auf den sodann AGB-rechtswidrigen Vertrag deutsches Recht und damit auch das AGB-Recht anwendbar ist. Dies hat zur Folge, dass zahlreiche Klauseln nach § 307 BGB unwirksam sein werden und sich die Rechtslage des Unternehmens regelmäßig (z. B. bei Haftungsausschluss- und Haftungsbegrenzungslösungen sowie Gewährleistungsadaptionen) mit der Haftungsfolge für die Beteiligten verschlechtert.

 

Aber auch das individualvertragliche Aushandeln einer Rechtswahlklausel dürfte in den wenigsten Fällen gelingen. Hierfür wäre nämlich erforderlich, dass der Verwender der Klausel diese ernsthaft zur Disposition der anderen Partei des Rahmenliefervertrages stellt, mit dieser darüber verhandelt und sie über Risiken und Tragweiten der Rechtswahl dergestalt belehrt, dass er der anderen Partei die elementaren Unterschiede der anderen Rechtsordnung erläutert. Dies dürfte absolut praxisfremd sein.

 

Last but not least müssen die Beteiligten solcher „Fluchtversuche“ in ein anderes Recht bedenken, dass der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass das deutsche AGB-Recht unmittelbarer Ausfluss des grundgesetzlich geschützten Sozialstaat-Prinzipes, also unmittelbarer Grundgesetzausfluss ist. Es gehört damit zum sog. ordere public, also dem Bestandteil des deutschen Rechtes, welches nicht durch eine Rechtswahl abbedungen werden kann. Letztlich landen daher die Parteien sowieso bei der Berücksichtigung des deutschen AGB-Rechtes. Außer der Begründung der eigenen Haftung ist damit derartigen Fluchtversuchen nichts gewonnen.

 

 

Fazit

 

Beim Abschluss von Rahmenlieferverträgen sollte sowohl national als auch international die Rechtswahl wohl überlegt sein. Bei internationalen Verträgen kann dabei das UN-Kaufrecht oft ein sehr guter mediativer Ansatz zwischen den Parteien sein. Die allerdings immer weiter um sich greifenden Bestrebung, zur Vermeidung des deutschen AGB-Rechtes eine Flucht in eine andere Rechtsordnung anzutreten, ist gefährlich, extrem haftungsträchtig und im Ergebnis auch sinnlos, sodass entsprechend Initiativen entschieden entgegengetreten werden sollte.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

PGlmcmFtZSB0aXRsZT0iU3RhbmRvcnQgSG9mZm1hbm4gTGllYnMgfCBIb2ZnYXJ0ZW4gUGFsYWlzIETDvHNzZWxkb3JmIiB3aWR0aD0iODAwIiBoZWlnaHQ9IjQ1MCIgc3JjPSJodHRwczovL3d3dy55b3V0dWJlLW5vY29va2llLmNvbS9lbWJlZC9LTnlkT2VVZzdTUT9zdGFydD0yJmZlYXR1cmU9b2VtYmVkJnJlbD0wJmVuYWJsZWpzYXBpPTEmb3JpZ2luPWh0dHBzJTI1M0ElMjUyRiUyNTJGd3d3LmhvZmZtYW5ubGllYnMuZGUmY29udHJvbHM9MSIgZnJhbWVib3JkZXI9IjAiIGFsbG93PSJhY2NlbGVyb21ldGVyOyBhdXRvcGxheTsgY2xpcGJvYXJkLXdyaXRlOyBlbmNyeXB0ZWQtbWVkaWE7IGd5cm9zY29wZTsgcGljdHVyZS1pbi1waWN0dXJlOyB3ZWItc2hhcmUiIHJlZmVycmVycG9saWN5PSJzdHJpY3Qtb3JpZ2luLXdoZW4tY3Jvc3Mtb3JpZ2luIiBhbGxvd2Z1bGxzY3JlZW4+PC9pZnJhbWU+
YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

PGlmcmFtZSB0aXRsZT0iSG9mZm1hbm4gTGllYnMgfCBGUFYiIHdpZHRoPSI4MDAiIGhlaWdodD0iNDUwIiBzcmM9Imh0dHBzOi8vd3d3LnlvdXR1YmUtbm9jb29raWUuY29tL2VtYmVkLzVabmhIMUc4TUFBP2ZlYXR1cmU9b2VtYmVkJnJlbD0wJmVuYWJsZWpzYXBpPTEmb3JpZ2luPWh0dHBzJTI1M0ElMjUyRiUyNTJGd3d3LmhvZmZtYW5ubGllYnMuZGUmY29udHJvbHM9MSIgZnJhbWVib3JkZXI9IjAiIGFsbG93PSJhY2NlbGVyb21ldGVyOyBhdXRvcGxheTsgY2xpcGJvYXJkLXdyaXRlOyBlbmNyeXB0ZWQtbWVkaWE7IGd5cm9zY29wZTsgcGljdHVyZS1pbi1waWN0dXJlOyB3ZWItc2hhcmUiIHJlZmVycmVycG9saWN5PSJzdHJpY3Qtb3JpZ2luLXdoZW4tY3Jvc3Mtb3JpZ2luIiBhbGxvd2Z1bGxzY3JlZW4+PC9pZnJhbWU+
YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

PGlmcmFtZSB0aXRsZT0iSW1hZ2VmaWxtIEhHUCB8IEhvZmZtYW5uIExpZWJzIiB3aWR0aD0iODAwIiBoZWlnaHQ9IjQ1MCIgc3JjPSJodHRwczovL3d3dy55b3V0dWJlLW5vY29va2llLmNvbS9lbWJlZC9VOHY1ZDVMN0d1WT9mZWF0dXJlPW9lbWJlZCZyZWw9MCZlbmFibGVqc2FwaT0xJm9yaWdpbj1odHRwcyUyNTNBJTI1MkYlMjUyRnd3dy5ob2ZmbWFubmxpZWJzLmRlJmNvbnRyb2xzPTEiIGZyYW1lYm9yZGVyPSIwIiBhbGxvdz0iYWNjZWxlcm9tZXRlcjsgYXV0b3BsYXk7IGNsaXBib2FyZC13cml0ZTsgZW5jcnlwdGVkLW1lZGlhOyBneXJvc2NvcGU7IHBpY3R1cmUtaW4tcGljdHVyZTsgd2ViLXNoYXJlIiByZWZlcnJlcnBvbGljeT0ic3RyaWN0LW9yaWdpbi13aGVuLWNyb3NzLW9yaWdpbiIgYWxsb3dmdWxsc2NyZWVuPjwvaWZyYW1lPg==