Fehler bei der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 9: Auswirkungen des Brexits auf Vertragsgestaltungen

Fehler bei der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 9: Auswirkungen des Brexits auf Vertragsgestaltungen

Nach langfristigem „Hin und Her“ dürfte feststehen, dass England es mit dem Brexit ernst meint. Für Unternehmen ist daher angezeigt, sich Gedanken darüber zu machen, was der Brexit für bereits abgeschlossene Verträge oder noch abzuschließende Verträge bedeutet.

Ohne dass hierbei Anspruch auf Vollständigkeit besteht, sollten Unternehmen im Hinblick auf die Vertragsgestaltung insbesondere Folgendes beachten:

Soweit Lizenzverträge, zum Beispiel für Know-how oder Marken für den Bereich der EU abgeschlossen wurden, wird die entsprechende Lizenz mit dem EU-Austritt Großbritanniens entfallen. Hinsichtlich zukünftiger Verträge sind daher klarstellende Klauseln für das Vertragsschicksal aufzunehmen. Bei bereits abgeschlossenen Verträgen sollte geprüft werden, ob die Vertragsregelung hinsichtlich der Beendigungswirkung für die Lizenz eindeutig ist oder gegebenenfalls eine Anpassung zu erfolgen hat.

Unternehmen können sich dabei grundsätzlich nach dem Gedanken der Störung der Geschäftsgrundlage auf § 313 BGB berufen, soweit sie dies a) zeitnah tun, b) zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Brexit-Austritt nicht absehbar war und c) sie nicht das wirtschaftliche Risiko für den veränderten Sachverhalt vertraglich übernommen haben. Dies ist im Einzelfall zu prüfen.

Der Brexit wird jedoch auch erhebliche Auswirkungen auf andere bestehende und neu abzuschließende Verträge haben.

So werden bei Kauf- und Lieferverträgen zukünftig möglicherweise wieder Zölle anfallen. Hier ist darauf zu achten, ob bestehende Verträge eine Regelung zur Kostentragung vorsehen. Sollte dies nicht der Fall sein, sollten die Parteien durch eine Vertragsanpassung hierzu Klarheit schaffen. Auch hier kommt wieder § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) ins Spiel, wenn bei bestehenden Verträgen unzumutbare Kostensituationen auftauchen und der Vertrag unter diesen Voraussetzungen nicht abgeschlossen worden wäre. Bei zukünftigen Kauf- und Lieferverträgen ist insoweit darauf zu achten, dass die notwendigen Kosten- und Logistikregelungen der Brexit-Situation Rechnung tragen.

Weitgehende Auswirkungen hat ein Brexit und damit gegebenenfalls ein damit einhergehender EWR-Austritt von Großbritannien auch auf Vertriebsverträge. So hat nach der europäischen Handelsvertreter-Richtlinie sowohl in Deutschland als auch in dem Vereinigten Königreich der Handelsvertreter Anspruch auf einen Ausgleichsanspruch bei Beendigung des Vertragsverhältnisses. Dies gilt analog § 189 b HGB in bestimmten Fällen der Vertragsgestaltung auch für den Vertragshändler. Nach § 92 c HGB kann jedoch für diese Fälle der Ausgleichsanspruch bei Vertragsbeendigung ausgeschlossen werden, wenn der Vertriebspartner seinen Sitz außerhalb der EU und dem europäischen Wirtschaftsraum hat und dort seine Tätigkeit ausübt. Tritt also Großbritannien aus dem EWR-Raum aus, kann von dieser Regelung zukünftig Gebrauch gemacht werden.

Bei der Vertragsgestaltung von Vertriebsverträgen ist daher darauf zu achten, dass bei zukünftigen Vertriebsverträgen eine „non-EWR-Gestaltung“ im Sinne des § 92 c HGB herstellerseitig genutzt wird.

Weiterhin ist damit umzugehen, dass mit dem EU-Austritt in Vertriebsverträgen, bei denen das Vertragsgebiet „EU-gleich“ ist, das Territorialgebiet Großbritannien zukünftig entfällt. Zur Vermeidung von Streitigkeiten sollten auch hier entsprechende Vertragsanpassungen vorgenommen werden.

Letztlich hat der Brexit auch Auswirkungen auf die Rechtswahl.

Soweit in Verträgen englisches Recht (das abweichend zum deutschen Recht vielmehr strikt dem Wortlaut des Vertrages folgt) vereinbart wurde, muss darauf geachtet werden, dass das englische Recht sich zukünftig verändern wird. So beinhaltet das englische Recht derzeit noch die Berücksichtigung des EU-Rechtes. Dies wird zukünftig nicht mehr der Fall sein.

Es kann daher angezeigt sein, in Verträgen mit englischem Recht Vertragsanpassungen dahingehend vorzunehmen, dass ein vertraglicher Anpassungsanspruch für den Fall gegeben ist, dass sich das englische Recht nachteilig durch den EU-Austritt zulasten einer Partei verändert und/oder sich eine abweichende Währungsrelation zwischen dem Britischen Pfund und dem Euro ergibt. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass derartige Klauseln nicht einseitig formuliert werden.

Soweit in Verträgen ein englischer Gerichtsstand oder ein englisches Schiedsgericht gewählt wurde, ist darauf zu achten, dass Gerichtsurteile aus Großbritannien bisher nach der europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungs-Verordnung ohne gesonderte Vollstreckungserklärung in den Mitgliedsstaaten der EU vollstreckt werden konnten. Nach dem Brexit wird allerdings Großbritannien im Verhältnis zur EU zu einem Drittstaat. Die Folge davon ist, dass Unternehmen sich bei britischen Urteilen nicht mehr darauf verlassen können, dass diese künftig ohne Weiteres auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten vollstreckbar sein werden. In jedem Fall aber wird die Vollstreckung eines britischen Urteils in der EU mühsamer werden und mit mehr Kosten einhergehen.

Schlussendlich muss auch bei Verträgen mit Schiedsklauseln mit Parteien aus Großbritannien beachtet werden, dass nach einem EU-Austritt Großbritanniens die europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungs-Verordnung, die für die Vollstreckung von Schiedsurteilen gilt, nicht mehr anwendbar wäre. Britische Gerichte könnten daher Unterlassungsurteile gegen klagende Unternehmen aus Verträgen mit Schiedsvereinbarungen erlassen, um zu verhindern, dass britische Unternehmen im Ausland einem Schiedsurteil unterliegen. Auch dies sollte bei der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden.

Fazit:

Die Situation des Brexits führt dazu, dass Unternehmen, die Rechtsbeziehungen zum Vereinigten Königreich pflegen, oder Rechte vergeben, die das Vereinigte Königreich tangieren, eine vertragliche Prüfung hinsichtlich bereits abgeschlossener Verträge durchführen lassen sollten um die jeweiligen Anpassungsbedarfe zu eruieren. Beim Abschluss neuer Verträge sind – wie vorstehend aufgeführt – zahlreiche, teils komplexe rechtliche Umstände durch den Brexit zu berücksichtigen.

Geschäftsführer von deutschen Unternehmen sind schon aus Compliance- und Haftungsgründen gut beraten, die vorstehenden Hinweise zu beachten, um nicht in eine persönliche Haftungssituation zu gelangen.

Teil 10 und damit der letzte Teil unserer Blog-Reihe erscheint am 31.05.2019. Darin geht es um das Thema: „Risiko-Abbruch von Vertragsverhandlungen“

Bisher erschienene Teile zum nachlesen:
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 1: Leistungsänderung
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 2 Haftungsausschlüsse und -begrenzungen
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 3 Vertragsstrafe
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 4 Schadenspauschalierung
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 5 Geheimhaltungsvereinbarung
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 6 AGB
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 7 Direktvertriebsrecht
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 8 LOI und MoU – Die vertragliche Falle
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 9 Auswirkungen des Brexits auf Vertragsgestaltungen

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