Gütesiegel für Sanierungen in Eigenverwaltung: Forum 270 – Grundsätze für Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung

Gütesiegel für Sanierungen in Eigenverwaltung
Forum 270 – Grundsätze für Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung

Die Eigenverwaltung (§ 270 InsO) ist derzeit en vogue. Seit Einführung des ESUG 2012 schießt die Zahl der „Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung“ in die Höhe. Sie ist sicherlich ein sehr taugliches Instrument, aber nicht jedes Schuldnerunternehmen ist dafür auch geeignet. Viele Berater versuchen sich an der Eigenverwaltung, doch immer noch scheitert jede 2. bis 3. Eigenverwaltung, jede 10. geht in Liquidation. Eine Ursache mag auch in den bereits zu Recht kritisierten „family & friends-Gläubigerausschüssen“ liegen, wo das Handeln nicht immer nur an den Gläubigerinteressen ausgerichtet ist.

Damit die Eigenverwaltung vor allem aus Gläubigersicht attraktiv sein kann, braucht es einheitliche Standards, an denen sich Gerichte, Schuldner, Sanierer und Gläubiger ausrichten. Bislang gibt es dazu kein Regelwerk, abgesehen von den wenigen Paragraphen in der InsO. Das Forum 270 – Qualität und Verantwortung in der Eigenverwaltung e.V., ein Zusammenschluss von in der Eigenverwaltung tätigen Restrukturierungsberatern, hat vor einem halben Jahr Grundsätze definiert, die wesentliche Anforderungen an eine ordnungsgemäße Durchführung von Eigenverwaltungsverfahren in Deutschland enthalten (https://www.forum270.de/de/grundsaetze-10-html).

Die praxisnah gestalteten Forum 270-Grundsätze sind aus Sicht der am Verfahren beteiligten Gläubiger ein guter Ansatz für mehr Qualität, mehr Transparenz und mehr Vertrauen in die Protagonisten.

Nicht jedes Insolvenzverfahren ist für die Durchführung in Eigenverwaltung geeignet. Es ist daher wichtig, klarzustellen, welche Ausschlusskriterien es gibt (Rn. 24), z.B. bereits laufende Ermittlungsverfahren gegen die Geschäftsleitung oder wenn das Rechnungswesen samt Buchhaltung mangelhaft und nicht aktuell ist. Mindestens ebenso wichtig ist, dass Geschäftsführer und Gesellschafter anerkennen, dass sie im Verfahren eine ergebnisoffene Verwertung des schuldnerischen Vermögens zur Maximierung der Gläubigerbefriedigung auch bei womöglich abweichendem persönlichem Eigeninteresse zu akzeptieren haben (Rn. 26). Anderenfalls kann das richtigerweise nur ein weiteres Ausschlusskriterium sein. Das Primat der Gläubigerinteressen gilt ebenso für den Eigenverwalter (Rn. 56) und den unabhängigen Sachwalter (Rn. 71). Es sollte allerdings verbindlich auch für die Mitglieder des Gläubigerausschusses gelten, dieser Hinweis – und der auf die Haftung nach § 71 InsO – könnte in die Forum 270-Grundsätze noch aufgenommen werden.

Gut ist auch die Maßgabe, dass der Sanierungsberater regelmäßig in die Geschäftsführung gehen soll (Rn. 38) Ich würde sogar sagen, er muss. Seit der Entscheidung des BGH vom 26.4.2018 haften Geschäftsleiter den Beteiligten analog §§ 60, 61 InsO, wenn im Insolvenzverfahren der Gesellschaft Eigenverwaltung angeordnet wird. Die bisherigen Geschäftsführer, denen die Besonderheiten der Insolvenzordnung und die speziellen Pflichten im Insolvenzverfahren nicht geläufig sind, können daher gar nicht allein die Verantwortung tragen. Würde der CRO unterhalb der Geschäftsführungsebene agieren, müsste man den anderen Geschäftsführern wegen der Haftung von Eigenverwaltung abraten. Die Rolle des versierten und erfahrenen Sanierungsberaters ist nochmals wichtiger geworden; er sollte daher grundsätzlich Verwaltererfahrung, jedenfalls einschlägige Expertise haben (Rn. 54).

Konsequenz des Urteils ist m.E. auch, dass in der Eigenverwaltung agierende Geschäftsführer den Umfang ihrer D&O-Versicherung einer näheren Prüfung unterziehen sollten (siehe dazu meinen Beitrag „BGH verschärft persönliche Haftung des Geschäftsleiters bei Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren“ https://directors-and-officers-versicherung.com).

Ebenso richtig ist hier der Hinweis (Rn. 38), dass sich die Geschäftsführer eine spezielle Geschäftsordnung geben müssen. Zuletzt hat der BGH mit Urteil vom 6.11.2018 noch einmal die Anforderungen an eine Geschäftsverteilung bzw. Ressortaufteilung verschärft, wenn sie denn haftungsbefreiende Wirkung haben soll, so dass es hier großer Sorgfalt bedarf.

Ganz wesentlich für den nachhaltigen Erfolg der Eigenverwaltung ist die fundierte, mindestens sechs Monate umfassende Liquiditäts- und Ergebnisplanung, deren Aufstellung und Kommunikation mit den Beteiligten daher richtigerweise in den Forum 270-Grundsätzen wichtigen Raum einnimmt (Rn. 36, 58). Anderenfalls sind die vielen Geschäftspartner und Lieferanten kaum für Weiterlieferungen ohne Vorkasse zu gewinnen. Seit der Entscheidung des BGH vom 22.11.2018 ist geklärt, dass der Schuldner im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren nur insoweit Masseverbindlichkeiten begründet, als er vom Insolvenzgericht hierzu ermächtigt ist.

Häufig beschweren sich Gesellschafter aber auch Gläubiger nach Abschluss der Sanierung, die Kosten des Eigenverwaltungsverfahrens, gerade die des Eigenverwalters, wären ja viel zu hoch, die Regelinsolvenz billiger zu haben gewesen. Das beschädigt die Akzeptanz der Eigenverwaltung. Es ist daher richtig, vorher die Kosten transparent darzustellen, damit jeder Beteiligte weiß, was ihn hier erwartet. Dazu gehört zutreffender Weise, die echten Kosten des Verfahrens in Eigenverwaltung mit den Kosten einer Fremdverwaltung zu vergleichen, und nicht übersteigen zu lassen; das ist ein echter Mehrwert.

Eine Sanierung mittels Insolvenzplan benötigt heutzutage einen Dual-Track-Prozess, wo parallel zur Entwicklung des Insolvenzplans ein objektiver und ergebnisoffener M&A-Prozess durchgeführt wird, der kein Feigenblatt sein darf (Rn. 50). Nur das wird dem Primat der Gläubigerinteressen gerecht.

Die vom Forum 270 vorgelegten Grundsätze sind ein praxisgerechter Ansatz, wie Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung zum Erfolg geführt werden können und zugleich die Gläubigerinteressen gewahrt bleiben. Werden Sie von allen Beteiligten als Maßstab für gute Qualität herangezogen, könnten sie sich in der Zukunft als Gütesiegel erweisen. Ich selbst ziehe die Forum 270-Grundsätze jedenfalls mittlerweile bei jeder Eigenverwaltung heran, um zu überprüfen, ob das Verhalten von Gericht, Eigenverwalter, Sachwalter und Mitgliedern des Gläubigerausschuss den Grundsätzen standhält, denn dann sind auch die Gläubigerinteressen zumeist gewahrt.

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