Insolvenzanfechtung bei Thomas Cook – Was Lieferanten und Gläubiger jetzt wissen müssen

Demnächst werden die Insolvenzverfahren bei Thomas Cook und Condor eröffnet. Der Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter wird nun seine Anfechtungsschreiben an Lieferanten, Vertragspartner und andere Gläubiger verschicken. Er wird vor allem während der Krise von Thomas Cook und Condor erhaltene Zahlungen zurückverlangen, ebenso nachträgliche Besicherungen. Wer glaubt, mit dem seit 5. April 2017 geltenden neuen Anfechtungsrecht sei er vor Anfechtung sicher, wird womöglich sein blaues Wunder erleben. Was müssen die Gläubiger von Thomas Cook und Condor jetzt wissen?

Jeder Insolvenzverwalter hat mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht und die Pflicht, alle anfechtbaren Zahlungen und Vermögenstranfers von Thomas Cook und Condor an Lieferanten, Dienstleister und andere Vertragspartner zurück zu verlangen. Dafür gilt das neue Anfechtungsrecht. Die Reform der Insolvenzanfechtung ist am 5. April 2017 in Kraft getreten. Das neue Anfechtungsrecht findet auf alle Insolvenzverfahren Anwendung, die ab diesem Tag eröffnet werden. Worauf ist jetzt zu achten und wie können sich die Anfechtungsgegner gegen die kommenden Insolvenzanfechtungen verteidigen?

Verkürzung des Anfechtungszeitraums auf vier Jahre

Zahlungen von Thomas Cook und Condor, die länger als vier Jahre vor Insolvenzantrag (24./25. September 2019) erfolgt sind, scheiden grundsätzlich aus der Anfechtung aus. Kern der Reform des Anfechtungsrechts war, Insolvenzverwaltern und Insolvenzverwaltern die Vorsatzanfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO zu erschweren. Die Anfechtungsfrist für sog. Deckungshandlungen ist von zehn auf die letzten vier Jahre vor Insolvenzantragstellung verkürzt worden.

Das sind alle Rechtshandlungen, die der Befriedigung oder Sicherung eines Gläubigers dienen. Die Verkürzung gilt also auch für inkongruente Deckungen, wo der Gläubiger etwas anderes als vereinbart erhält, z.B. wenn also Thomas Cook und Condor in der Krise noch vor Fälligkeit Rechnungen bezahlt haben sollten, der Gläubiger sich nachträglich eine Sicherheit bestellen oder sich statt mit Geld mit Ware bezahlen lassen hat.

Kenntnis von Zahlungsunfähigkeit der Thomas Cook und Condor nötig

Sollte der Lieferant oder Vertragspartner bereits in den Monaten vor Insolvenzantrag erkannt haben, dass Thomas Cook und Condor die Zahlungsunfähigkeit droht, so wäre dies heute anders als früher noch unschädlich. Um die Vorsatzanfechtung einzudämmen, schadet seit der Anfechtungsreform in Fällen sog. kongruenter Deckungshandlungen die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit nicht mehr. Das sind Geschäfte, bei denen Thomas Cook und Condor ihre jeweilige Zahlung oder Leistung in der geschuldeten Art und Weise erbracht haben. Stattdessen muss jeder Anfechtungsgegner bei Vornahme der Rechtshandlung die bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, hier Thomas Cook oder Condor, gekannt haben, § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO. Hat also der Lieferant den Kaufpreis für seine Ware oder die Vergütung für seine Dienstleistung erhalten, so muss der Insolvenzverwalter die Kenntnis des Lieferanten von Umständen belegen, die zwingend auf bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. Das wird kein einfaches Unterfangen, es ist aber auch nicht unmöglich. Zunächst stellt sich die Frage, ob der Insolvenzverwalter belegen kann, dass Thomas Cook und Condor schon viel früher vor dem Insolvenzantrag am 24./25. September 2019 zahlungsunfähig war. Weiter wird er insbesondere den gesamten Zahlungsverkehr, Zwangsvollstreckungen und Mahnungen, die Kommunikation mit Thomas Cook und Condor sowie Pressemeldungen analysieren, um dem Anfechtungsgegner Kenntnis von eingetretener Zahlungsunfähigkeit nachzuweisen.

Ratenzahlungsvereinbarung unschädlich

Sollte der Lieferant oder Vertragspartner Zahlungen von Thomas Cook und Condor aufgrund einer Ratenzahlungsvereinbarung erhalten haben, so kann der Insolvenzverwalter nicht mehr einfach behaupten, allein deshalb habe der Anfechtungsgegner bereits die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des anderen erkannt. Denn seit der Anfechtungsreform wird nun in § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO vermutet, dass derjenige, der mit dem kriselnden Schuldner eine Zahlungsvereinbarung trifft oder eine Zahlungserleichterung gewährt, die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kennt. Der Insolvenzverwalter muss hier also im Falle der Anfechtung solcher Zahlungen von Thomas Cook und Condor andere Beweise benennen, z.B. dass Thomas Cook und Condor die Ratenzahlungsvereinbarung nicht eingehalten oder mit neu entstandenen Forderungen in erheblichen Zahlungsrückstand geraten ist. Auch die dieser Gewährung typischerweise zugrunde liegende Bitte des Schuldners, anderenfalls nicht zahlen zu können, spielt jetzt keine Rolle mehr. Wer also bereits darauf geachtet hat, mit Thomas Cook und Condor schriftlich fixierte Zahlungserleichterungen zu vereinbaren, statt dauerhaft verspätete Teilzahlungen zu kassieren, mit Liefersperren oder Insolvenzantrag zu drohen oder ständig zu mahnen, der hat gute Argumente gegen die Anfechtbarkeit.

Bargeschäfte mit Thomas Cook und Condor sind privilegiert

Sollten Lieferanten und Vertragspartner nur gegen Vorkasse an Thomas Cook und Condor geliefert haben, so dürften sie auf der sicheren Seite sein: Seit der Anfechtungsreform gilt das sogenannte Bargeschäftsprivileg gemäß § 142 InsO ausdrücklich auch für die Vorsatzanfechtung. Jetzt sind grundsätzlich alle Geschäfte vor Anfechtung geschützt, wenn für die Leistung unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung geflossen ist, weil es dann an einer Gläubigerbenachteiligung fehlt. Lieferanten dürfen also den Kaufpreis für die Lieferung oder das Entgelt für die erbrachte Leistung behalten, wenn Thomas Cook und Condor binnen 30 Tagen nach Lieferung oder Leistung bezahlt haben sollten. Um das Anfechtungsrisiko hier auszuschließen, sollte der Lieferant oder Dienstleister darauf geachtet haben, dass dieses Zahlungsziel von Thomas Cook und Condor auch eingehalten worden ist. Jede Art von Kreditierung über 30 Tage hinaus ist dagegen schädlich, hier liegt dann kein Bargeschäft mehr vor.

Insolvenzverwalter kann Zinsen erst ab Verzug verlangen

Früher wurden Anfechtungsansprüche noch in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz automatisch ab Insolvenzeröffnung verzinst. Solche Zinsen kann der Insolvenzverwalter von Thomas Cook und Condor nicht mehr verlangen! Infolge der Anfechtungsreform erfolgt in allen seit 5. April 2017 eröffneten Insolvenzverfahren eine Verzinsung nur noch ab Schuldnerverzug. D.h., im Fall von Thomas Cook und Condor muss der Insolvenzverwalter erst einmal mahnen, bevor er überhaupt Zinsansprüche geltend machen kann. Zinsen können mit dem ersten Anfechtungsschreiben nicht verlangt werden! Der Insolvenzverwalter wird also, um Zinsausfälle gerade bei höheren Forderungen zu vermeiden, sobald als möglich die Anfechtungsschreiben versenden, um die Anfechtungsgegner in Verzug zu setzen. Gerade bei höheren Forderungen ist eine Verzinsung von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz keine Kleinigkeit.

Kein Schutz von Zwangsvollstreckungen

Gläubiger, die in den Wochen und Monaten vor Insolvenzantrag bei Thomas Cook und Condor zwangsvollstreckt haben sollten, müssen dagegen jetzt um die Früchte ihrer Arbeit fürchten: Mit der Anfechtungsreform nicht umgesetzt wurde das ursprüngliche Vorhaben, dass Gläubiger Zahlungen behalten dürfen, die sie im Wege der Zwangsvollstreckung, z.B. mit Hilfe des Gerichtsvollziehers, vom Schuldner erlangt haben. Es ist vielmehr auch weiterhin Gesetz, dass der Thomas Cook und Condor -Insolvenzverwalter zwangsvollstreckte Beträge von den Gläubigern zurückverlangen kann, wenn diese innerhalb von drei Monaten vor dem Insolvenzantrag erfolgt sind. Sind allerdings mehr als drei Monate seit der Vollstreckung vergangen, so wird der Gläubiger ziemlich sicher sein Geld behalten können.

Fazit

Die Anfechtungsreform dürfte das Risiko minimiert haben, dass Gläubiger Beträge an deren Insolvenzverwalter zurückzahlen müssen, die sie für ihre Lieferungen von einer etwa kriselnden Thomas Cook und Condor bezahlt bekommen haben. Gleichwohl sind sie nicht automatisch auf der sicheren Seite. Der Insolvenzverwalter wird nach Wegen suchen, anfechtbare Rechtshandlungen geltend zu machen. Deshalb ist es wichtig, zu wissen, wie sich Gläubiger dagegen verteidigen können.

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