Kostenexplosionen allenthalben – Grund für eine Preisanpassung?

Nicht nur Energie und Benzin, sondern auch viele Baumaterialien verzeichnen infolge der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine derzeit erhebliche Preissteigerungen. Angesichts dieser Entwicklung stellen sich viele Auftragnehmer die Frage, ob und wenn ja wie sie Kostensteigerungen über Preisanpassungen an ihren Auftraggeber weitergeben können.

1. Preisanpassung bei bestehenden Bauverträgen

 

Bei bestehenden Bauverträgen berechtigen Kostensteigerungen den Auftragnehmer grundsätzlich nicht zu einer Anpassung des Werklohns. Die für die beauftragten Leistungen vereinbarte Vergütung stellt einen Festpreis dar, der sich nicht einseitig anpassen lässt – „pacta sunt servanda“. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um einen Pauschalpreis-, einen Einheitspreis- oder einen Stundenlohnvertrag handelt. Der Auftragnehmer hat die Leistung unter eigener Verantwortung nach dem Vertrag auszuführen. Dabei obliegt ihm in der Angebots- und Verhandlungsphase insbesondere die Preisgestaltung; er trägt das Risiko einer auskömmlichen Kalkulation. Mit Vertragsschluss wird der Preis festgeschrieben und behält für die Ver-tragsleistungen in der vorgesehenen Bauzeit Gültigkeit. Dies gilt auch dann, wenn der Auftragnehmer Produkte oder Leistungen nicht mehr zu den von ihm kalkulierten Konditionen beziehen kann.

 

Von diesem Grundsatz gibt es nur sehr enge Ausnahmen. Erstmals nach dem 1. Weltkrieg und später im Zuge der Ölkrise Anfang der 1970er Jahre und in der Stahlkrise 2005/2006 wurde vielfach darüber diskutiert, ob erhebliche Kostenerhöhungen auf Auftragnehmerseite eine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB begründen, aufgrund derer die Parteien eine Anpassung geschlossener Verträge vornehmen müssen. Auch im Zuge der Corona-Pandemie wurde gerade in Bezug auf die Schließung ganzer Wirtschaftszweige über Preisanpassungsmöglichkeiten diskutiert. Während angesichts der turbulenten und wirtschaftlich fordernden Zeit nach dem 1. Weltkrieg vom Reichsgericht vereinzelt noch eine Vertragsanpassung angenommen wurde (vgl. RG, Urteil vom 15. Oktober 1918 – III 104/18), wurde eine solche Möglichkeit vom Bundesgerichtshof und der obergerichtlichen Rechtsprechung in späteren „Krisen“ bislang abgelehnt (BGH, Urteil vom 8. Februar 1978 – VIII ZR 221/76; OLG Hamburg, Urteil vom 28. Dezember 2005 – 14 U 124/05).

 

Diese Rechtsprechung ist Folge des o. g. Grundsatzes der Vertragstreue. Die gesetzliche Risikoverteilung in Bauverträgen bleibt auch in der Krise bestehen. Eine Abkehr hiervon ist derzeit nicht erkennbar; die Preisbildung und das Beschaffungsrisiko werden als kalkulatorisches Risiko des Bauunternehmers angesehen. Erst wenn ein Festhalten an diesem Grundsatz zu in einer Gesamtschau nicht akzeptablen oder unzumutbaren Folgen führen würde, so ggf. bei Kostensteigerungen über alles von 100 %, könnte der Auftraggeber gehalten sein, mit dem Auftragnehmer über eine Anpassung des Werklohns zu verhandeln

 

2. Preisanpassung bei Mehrmengen oder Nachträgen

 

Eine bessere Position kann sich für einen Auftragnehmer bei Mengenmehrungen oder Leistungsänderungen ergeben. Der vorgenannte Grundsatz gilt nämlich in erster Linie für die vereinbarte, d. h. unveränderte Leistung. Bei einem VOB/B-Vertrag besteht ein vertraglicher Anspruch auf Preisanpassung, wenn die vereinbarte Mengenschätzung um mehr als 10 % verfehlt wird (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B). In diesem Fall ist für die die 110-%-Grenze überschreitenden Mengen unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten ein neuer Preis zu vereinbaren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 8. August 2019 – VII ZR 34/18 und 21. November 2019 – VII ZR 10/19) richtet sich der Mehrpreis nach den tatsäch-lich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge für allgemeine Geschäftskosten sowie für Wagnis und Gewinn. Der Auftragnehmer trägt das Preisrisiko damit nach den gesetzgeberischen Vorgaben und der Rechtsprechung für die vereinbarte Leistung und die vereinbarten Mengen. Bei Mehrmengen ist er nicht an die kalkulierten Kosten gebunden; er kann vielmehr die tatsächlichen Kosten in Ansatz bringen.

 

Im Falle von Leistungsänderungen sieht § 650 c Abs. 1 BGB vor, dass der Auftragnehmer Anspruch auf die durch die Änderung tatsächlich verursachten Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn hat. Der vom BGH zu Mehrmengen aufgestellte Grundsatz soll nach Ansicht mehrerer Obergerichte auch auf den Fall zusätzlicher oder geänderter Leistungen (§ 2 Abs. 5 und 6 VOB/B) Anwendung finden (KG, Urteil vom 10.07.2018 – 21 U 30/17 und 27.08.2019 – 21 U 160/18; OLG Brandenburg, Urteil vom April 2020 – 11 U 153/18; OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Dezember 2019 – I-5 U 52/19; OLG Köln, Urteil vom 3. Februar 2021 – 11 U 136/18). Eine Entscheidung des BGH hierzu steht aus.

 

3. Ausblick

 

Die in den vergangenen Jahren infolge unvorhersehbarer – vielleicht sogar undenkbarer – Ereignisse aufgetretenen Preissprünge stellen Auftragnehmer von über einen längeren Zeitraum angelegten Bauverträgen vor erhebliche Probleme; diese sind im Rahmen einer Angebotskalkulation belastbar zu erfassen. Die Bereitschaft, komplexere Bauleistungen zu einem Festpreis anzubieten, wird möglicherweise abnehmen. Gerade weil eine Reaktion auf solche Entwicklungen in bestehenden Verträgen kaum möglich ist, werden Preisgleit- oder -öffnungsklauseln ein weiteres Mal in aller Munde sein.

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