Bundestag beschließt: Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung bis zum 31.12.2020 verlängert – Für wen tickt jetzt die Uhr?

Bartosz Zdanowicz

Der Bundestag hat heute beschlossen, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung bis zum 31. Dezember 2020 verlängert wird, das gilt jedoch nicht für zahlungsunfähige Unternehmen. Ab 1. Oktober 2020 ist bei bereits bestehender oder eintretender Zahlungsunfähigkeit wieder Insolvenzantrag zu stellen.

Der Gesetzgeber bietet damit überschuldeten Unternehmen letztmalig die Möglichkeit, eine etwaig vorhandene oder drohende Überschuldung durch geeignete Sanierungsmaßnahmen, auch unter Berücksichtigung der zuletzt neu geschaffenen Unterstützungsangebote, spätestens bis zum 31.12.2020 zu beseitigen. Diese Chance sollte jedes kriselnde Unterhemen nutzen.

Die wesentlichen Auswirkungen für Unternehmen/Unternehmer und ihre Geschäftsleiter/ Vorstände finden Sie hier:

Rückblick

Die in § 15a InsO geregelte Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit binnen einer Höchstfrist von drei Wochen wurde durch § 1 COVInsAG im Zeitraum 1. März 2020 bis zum 30. September 2020 ausgesetzt, mit der Option einer Verlängerung höchstens bis 31. März 2021. Das Gesetz wurde nunmehr dahingehend geändert, dass die Aussetzung der Antragspflicht nur bei Überschuldung (nicht aber bei Zahlungsunfähigkeit) und nur noch zeitlich bis zum 31. Dezember 2020 verlängert wurde.

Ab wann gilt jetzt die Insolvenzantragspflicht?

Bei Zahlungsunfähigkeit ab 1. Oktober 2020
Bei Überschuldung ab 1. Januar 2021

Für wen gilt die Insolvenzantragspflicht?

Die Insolvenzantragspflicht ist in § 15a InsO geregelt und gilt für alle Geschäftsleiter juristischer Personen, wie z.B. GmbH, AG, oder Genossenschaft und auch GmbH & Co. KG gleichermaßen. Diese haben bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung unverzüglich, spätestens aber innerhalb einer Höchstfrist von drei Wochen Insolvenzantrag zu stellen. Jeder Geschäftsleiter hat also nur max. 21 Tage Zeit, eine etwaige Liquiditätslücke zu schließen.

Dabei ist zu beachten, dass die Geschäftsleiter dazu verpflichtet sind, bei Anzeichen einer Krise einen Zahlungsunfähigkeitsstatus/Überschuldungsstatus aufzustellen und fortlaufend zu prüfen/aktualisieren. Anzeichen für eine Krise können z.B. sein:

Löhne/Gehälter/Steuern/Sozialversicherungsbeiträge werden über einen längeren Zeitraum nicht fristgerecht gezahlt;
Zahlungsziele werden nicht eingehalten;
Ratenzahlungen und Stundungen werden häufiger in Anspruch genommen;
Darlehen/Kredite können nicht fristgerecht bedient werden.

Sollten mehrere der vorgenannten Anzeichen gleichzeitig auftreten, könnte nach unserer Erfahrung eine Zahlungsunfähigkeit /Überschuldung bereits eingetreten sein oder zumindest drohen. In diesem Fall sollte schnellstmöglich professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden, z.B. von einem auf Insolvenzrecht spezialisierten Rechtsanwalt.

Persönliche Haftung bei Insolvenzverschleppung

Stellt ein Geschäftsleiter einen Insolvenzantrag gar nicht oder verspätet, obwohl er gesetzlich dazu verpflichtet war, gibt es regelmäßig ein „böses Erwachen“: Denn jeder Geschäftsleiter kann in einem späteren Insolvenzverfahren persönlich in Haftung genommen werden für alle Zahlungen, die von seinem Unternehmen noch nach Eintritt der Insolvenzreife, also nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung geleistet wurden (z.B. nach § 64 GmbHG).

Das kann mitunter existenzbedrohende Ausmaße annehmen, je nachdem für welchen zurückliegenden Zeitraum der Insolvenzverwalter Insolvenzreife bejaht und mittlerweile etwaige D&O-Versicherungen regelmäßig nicht alle Haftungsansprüche mehr abdecken.

Strafrechtliche Ermittlungen im Falle einer verspäteten Antragstellung sind ebenfalls regelmäßige Folge einer verspäteten/unterlassenen Antragstellung, z.B. wegen Insolvenzverschleppung nach § 15a InsO, Bankrott gemäß § 283 ff. StGB oder wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelten nach § 266a StGB.

Dies gilt es insgesamt frühzeitig zu verhindern.

Wie kann Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung beseitigt werden?

In Deutschland gibt diverse Möglichkeiten, um in Krisensituationen Unterstützungsleistungen zu erhalten und die vorgenannte Insolvenzantragspflicht zu verhindern bzw. zu beseitigen, natürlich hängt das immer vom Einzelfall ab. Bekannteste Beispiele sind:

das Kurzarbeitergeld (KUG)
diverse Förder- und Überbrückungskredite der Landebanken
Soforthilfe-Programme
Stundungsmöglichkeiten bei Mieten, Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen
Kreditzusagen Dritter oder der Gesellschafter
Stundungen und Ratenzahlungsvereinbarungen bei sonstigen Verbindlichkeiten
Rangrücktrittserklärungen bei Gesellschafterdarlehen, Patronatserklärungen
Strikte Überwachung des eigenen Forderungseinzugs, ggfs. zukünftige Verkürzung der Zahlungsziele bzw. Umstellung auf Vorkasse zwecks kurzfristiger Liquiditätsgewinnung

Sanierungsoption Schutzschirmverfahren/Eigenverwaltung

Seit dem 1. März 2012 bietet das Gesetz jedem Unternehmen die Möglichkeit, unter gerichtlicher Aufsicht einen Sanierungsplan zu erstellen, der anschließend in Abstimmung mit den Gläubigern umgesetzt werden kann. Gleichzeitig wird das Unternehmen für den Zeitraum der Sanierung dem unmittelbaren Zugriff seiner Gläubiger entzogen, etwaige Vollstreckungsmaßnahmen von Gläubigern und Behörden werden eingestellt/ausgesetzt.

Voraussetzungen/Ablauf:

Ein Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO) kommt bereits dann in Betracht, wenn lediglich Überschuldung oder eine drohende (also eine in der Zukunft absehbare) Zahlungsunfähigkeit vorliegt;
Eigenverwaltung (§ 270a InsO) ist auch bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung möglich;
Beide Verfahrensarten müssen grundsätzlich beim am Sitz des Unternehmens zuständigen Amtsgericht beantragt werden. Bei Unternehmensgruppen ist die Begründung eines gemeinsamen Gruppen-Gerichtsstands möglich;
Im Rahmen der Antragstellung muss bescheinigt werden können, dass der Antrag bzw. die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos sind;
Ein Verfahren dauert erfahrungsgemäß ca. sechs bis zehn Monate und ist in allen Branchen sowie bei Unternehmen aller Art und Größe durchführbar.

Sanierungs-/Liquiditätseffekte:

Das Unternehmen hat im Rahmen des Schutzschirmverfahrens/der Eigenverwaltung die Möglichkeit, sich von Altverbindlichkeiten (z.B. Darlehen/Krediten oder gestundeten Forderungen) mithilfe eines Sanierungsplans nahezu vollständig zu lösen. Forderungsverzichte von über 90 % sind bei den Gläubigern regelmäßig zu erreichen. Dadurch wird die Bilanz saniert;
Löhne/Gehälter müssen für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten vom Unternehmen nicht bezahlt werden, was regelmäßig einen sehr großen Liquiditätseffekt für das Unternehmen zur Folge hat;
Langjährige Dauerschuldverhältnisse (z.B. Miet- und Leasingverträge) können mit kurzen Fristen gekündigt werden;
Steuern (Umsatzsteuer, Lohnsteuer) und Sozialversicherungsbeiträge müssen in einem Zeitraum von mehreren Monaten nicht abgeführt werden;
Die Geschäftsleitung bleibt während des gesamten Sanierungsverfahrens im Amt und kann die Sanierung des Unternehmens, zusammen mit den Beratern, selbst (mit-)gestalten. Während des gesamten Verfahrens wird das Unternehmen rechtlich und auch betriebswirtschaftlich (Liquiditätsplanung, Erstellung eines Sanierungskonzeptes) beraten;
Gesellschaftsrechtliche Regelungen jeglicher Art (z.B. Verkäufe von Geschäftsanteilen, Share Deals/Asset Deals), können bei Bedarf im Rahmen des Sanierungsplans vereinfacht umgesetzt werden;
Umstrukturierungen im Personalbereich sind unter vereinfachten Bedingungen/kotengünstiger möglich;
Banken, Lieferanten, Behörden und sonstige Gläubiger werden in das Schutzschirm-/Sanierungsverfahren regelmäßig eng eingebunden und sind daher oft zu Forderungsverzichten bereit, um die Sanierung des Unternehmens zu unterstützen;
Die gesamten Verfahrens- und Beratungskosten können aufgrund der vorgenannten Liquiditätseffekte vom Unternehmen getragen werden.

Empfehlung für die Praxis

Jeder Geschäftsleiter kriselnder Unternehmen, ganz egal ob das Unternehmen derzeit noch zahlungsfähig, lediglich überschuldet oder bereits zahlungsunfähig ist, sollte in der aktuellen Situation

sofort einen Finanzplan aufstellen, um festzustellen, ob Zahlungsunfähigkeit besteht oder ab 1. Oktober 2020 eintreten könnte;
sofort eine Fortführungsprognose mit Finanzplan aufstellen, um festzustellen, ob Überschuldung besteht oder ab 1. Januar 2021 eintreten könnte;
ist Zahlungsunfähigkeit/ Überschuldung zu bejahen oder droht dieses Szenario, sind Sanierungsoptionen bereits jetzt zu prüfen und dabei auch die Sanierungsmöglichkeit eines Schutzschirmverfahrens/einer Eigenverwaltung in Betracht zu ziehen;
auch nach dem 01. Januar 2021 regelmäßig den Liquiditätsstatus und die Fortführungsprognose des Unternehmens im Auge behalten.

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