Generalanwalt stärkt UEFA und FIFA in Sachen „Super League“ den Rücken

Die WM ist gerade zu Ende, da lässt der Schlussantrag von Generalanwalt Rantos in dem EuGH Verfahren C-333/21 (European Super League Company, S.L.) aufhorchen. Hatten viele Juristen der European Super League Company, S.L. (ESLC) und A22-Sports Management bislang sehr gute Chancen im Verfahren um die Errichtung einer Super League in Aussicht gestellt, hält der Generalanwalt die Genehmigungspflicht von FIFA und UEFA jedenfalls grundsätzlich mit EU-Wettbewerbsrecht für vereinbar. Nun ist die Entscheidung der EuGH-Richter abzuwarten.

 

– Dieser Beitrag ist erstmalig als Business-Guide des ESB Marketing Netzwerk veröffentlicht worden –

Rückblick

 

Am 18. April 2021 kündigten 12 europäische Fußballclubs (Arsenal, Chelsea, Liverpool, Manchester United, Manchester City, Tottenham Hotspur, AC Mailand, Inter Mailand, Juventus Turin, FC Barcelona, Atlético Madrid und Real Madrid) einen eigenen Fußballwettbewerb namens „The Super League“ an. Als für die Vermarktung verantwortliche Gesellschaft war hierzu bereits die ESLC nach spanischem Recht gegründet worden. Die Bank JPMorgan Chase kündigte eine erhebliches Finanzengagement für die neue Liga und die beteiligten Clubs an. Parallel zur Super League wollten die Clubs weiterhin an ihren nationalen Wettbewerben (Premier League, LaLiga und Seria A) teilnehmen.

 

Hiergegen gab es nicht nur aus der Fußballszene, der Politik und einzelner Spieler Kritik. Insbesondere die nationalen Fußballverbände, die UEFA und die FIFA sowie die European Club Association traten dem Vorhaben deutlich entgegen. Die UEFA und FIFA veröffentlichten eine Erklärung, wonach sie sich weigerten, den Wettbewerb anzuerkennen, und drohten, jeden Verein und/oder Spieler von den von der FIFA und ihren Verbänden organisierten Wettbewerben auszuschließen.

 

Innerhalb weniger Tage teilten die englischen und italienischen Vereine sowie Atlético Madrid ihren Ausstieg aus dem Projekt „Super League“ mit. Real Madrid und der FC Barcelona bekräftigten jedoch, grundsätzlich an einem solchen Projekt festhalten zu wollen. Im Oktober 2021 kündigten Madrid, Barcelona und Turin an, eine offene Liga mit zwei Spielklassen mit je 20 Vereinen anzustreben, welche nicht in Konkurrenz zu Champions- und Europa-League stehen sollte. Derzeit führt die Firma A22-Sports „ergebnisoffene Gespräche“ mit Klubs und Ligen zu einem neuen europäischen Ligen-Format.

 

Die ESLC reichte zudem beim Handelsgericht Madrid Klage ein, da nach ihrer Ansicht das Verhalten der FIFA und der UEFA als wettbewerbswidrig einzustufen und mit dem Unionsrecht unvereinbar sei. Das Gericht leitete daraufhin ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH ein. Es ersucht um Entscheidung darüber, ob Bestimmungen in den FIFA- und UEFA-Statuten und die von diesen Verbänden geäußerte Warnungen bzw. Androhungen von Sanktionen mit den EU-Wettbewerbsbestimmungen (Art. 101 und 102 AEU-Vertrag) sowie den EU-Grundfreiheiten (Art. 45, 49, 57 und 63 AEU-Vertrag) vereinbar sind.

 

 

Schlussantrag des Generalanwalts

 

Bislang fanden sich zahlreiche Expertenstimmen, die klare Bedenken gegen die aktuellen Regularien der FIFA und UEFA vorbrachten und jedenfalls Ansätze für einen Verstoß gegen das Europäische Wettbewerbsrecht und die europäischen Grundfreiheiten sahen (vgl. LTO.de v. 20.4.2021 „Champions League-Ausschluss kartellrechtswidrig?“; Kicker.de v. 20.04.2021 „Sanktionen gegen Spieler? Nur schwer zu rechtfertigen“ oder Haug, SpoPrax 2021, 138).

 

Nach der bislang veröffentlichten Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofs schlägt Generalanwalt Rantos in seinem Schlussantrag dem EuGH offenbar vor, wie folgt auf die Vorlagefragen des Handelsgerichts Madrid zu antworten:

 

Die FIFA/UEFA-Regeln, die jeden neuen Wettbewerb von einer vorherigen Genehmigung abhängig machen, sind mit dem Wettbewerbsrecht der Union vereinbar. Unter Berücksichtigung des Wettbewerbs hängen die systembedingten einschränkenden Wirkungen notwendig mit den legitimen Zielen, die von der FIFA und der UEFA verfolgt werden und mit den Besonderheiten des Sports verbunden sind, zusammen und sind im Hinblick darauf verhältnismäßig.

 

Die Wettbewerbsregeln der Union verbieten der FIFA und der UEFA, ihren Mitgliedsverbänden oder ihren nationalen Ligen nicht, den diesen Verbänden angehörenden Vereinen Sanktionen anzudrohen, wenn sich diese Vereine an einem Projekt zur Gründung eines neuen Wettbewerbs beteiligen, das die legitimen Ziele beeinträchtigen könnte, die von diesen Verbänden verfolgt werden, deren Mitglieder sie sind.

 

Die Wettbewerbsregeln der Union stehen den Einschränkungen, die in den Statuten der FIFA enthalten sind und mit der ausschließlichen Vermarktung der mit den von der FIFA und der UEFA organisierten Wettbewerbe zusammenhängenden Rechte verbunden sind, nicht entgegen, sofern diese Einschränkungen mit der Verfolgung der mit den Besonderheiten des Sports verbundenen legitimen Ziele notwendig zusammenhängen und im Hinblick auf diese Ziele verhältnismäßig sind.

 

Das Unionsrecht steht dem nicht entgegen, dass die Statuten der FIFA und der UEFA vorsehen, dass die Gründung eines neuen europaweiten Fußballwettbewerbs unter Vereinen einem System der vorherigen Genehmigung unterworfen wird, sofern diese Anforderung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorgesehenen Wettbewerbs hierfür angemessen und erforderlich ist.“

 

 

Ausblick

 

Noch ist nichts entschieden, da der Schlussantrag des Generalanwalts für die Richter nicht bindend ist und die EuGH-Richter in den Anhörungen auch andere Tendenzen erkennen ließen. Die Rolle des Generalanwalts ist es in den EuGH-Verfahren, den Richtern in völliger Unabhängigkeit lediglich einen Entscheidungsvorschlag zu unterbreiten. Das Urteil des EuGH wird nun für das erste Quartal 2023 erwartet. Anschließend wird sich das Handelsgericht in Madrid auf Grundlage der EuGH-Antworten wieder mit der Klage befassen.

 

Rechtlich geht es bei dem Verfahren um die Sonderrolle des Sports in der Wirtschaft und in wettbewerbs-/kartellrechtlichen Fragen, u.a. mit Blick den Schutz des „europäischen Sportmodells“ gemäß Art.165 AEU-Vertrag (hierarchische Pyramidenstruktur und finanzielle Solidarität). Die Frage ist allerdings, wie weit die Abschottung der europäischen Sportpyramiden bzw. des „Ein-Platz-Prinzips“ reichen darf und der „Schutz der Integrität des Sports“ tatsächlich über ein Exklusivsystem der Verbandsstrukturen interessengerechter gewährleistet werden kann, als über einen offenen Markt für Sportverbände und Sportveranstaltungen.

 

Selbst wenn der EuGH dem Generalanwalt folgt und die Genehmigungspflicht und Sanktionierung von Vereinen mit dem EU-Wettbewerbsrecht und den EU-Grundfreiheiten in Einklang sieht, bedeutet dies allerdings nicht zwangsläufig das Aus für eine „Super League“ oder andere neue Wettbewerbe. Vielmehr werden FIFA und UEFA Wettbewerbsangebote, wie das der SuperLeague, nicht ohne Weiteres untersagen dürfen, wenn sie als offene Systeme ausgestaltet sind und eine finanzielle Solidarität anbieten. Insoweit stellen sich nicht zuletzt Folgefragen, mit Blick auf die kartellrechtskonforme Ausgestaltung der Genehmigungsprozesse und -regularien der FIFA/UEFA.

 

Darüber hinaus wird nach dem Schlussantrag zwischen der Nichtzulassung und Sanktionierung von Clubs und der Sanktionierung von Spielern zu differenzieren sein. Hierzu stellt der Generalanwalt in seinem Schlussantrag fest, dass er jedenfalls die Sanktionierung von Spielern, die nicht an der Entscheidung zur Gründung der ESLC beteiligt waren, für unverhältnismäßig ansieht und nimmt hierbei u.a. Bezug auf den Einsatz von Spielern in Nationalmannschaften bei internationalen Turnieren, wie den Welt- oder Europameisterschaften.

 

Das Urteil wird ferner auch eine Ausstrahlungswirkung auf nationale Verbände und Ligen sowie auf andere Sportarten entfalten. So könnten sich hieraus Argumente z.B. für die kartellrechtliche Diskussion um die deutsche 50+1-Regel ergeben. Neben der Entscheidung zur SuperLeague wird auch die Entscheidung im aktuellen Verfahren um die Zulassungsbestimmungen der „Internationalen Eislaufunion (ISU)“ vor dem EuGH die Frage von Zulassungsbestimmungen und Sanktionen europäischer Sportverbände und -ligen weiter beeinflussen. Dass dies im gesamten (internationalen) Sportbereich aktuell eine sehr bedeutsame Frage, u.a. aufgrund der Vermarktungserlöse, ist, zeigen auch nationale Verfahren, wie z.B. einzelner Sportler gegen den Deutschen Ringerbund oder das parallel zum SuperLeague-Verfahren in den Vereinigten Staaten laufende Verfahren zwischen der PGA TOUR und LIV Golf.

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