Blogbeitrag zum aktuellem Urteil: „Schlüsselfalle“ im Zusammenhang mit § 548 Abs. 1 BGB
OLG Hamm, Urt. v. 01.09.2023 – 30 U 195/22
548 Abs. 1 BGB regelt bzgl. der Rückgabe von Mietobjekten, dass Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in sechs Monaten verjähren – ausgehend von dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Sache zurückerhält. Will der Vermieter Ansprüche aufgrund von Schäden des Mietobjekts erfolgreich durchsetzen, muss er im Zweifel Klage einreichen, bevor diese Frist abgelaufen ist.
Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Rückgabe bzw. den Rückerhalt des Mietobjekts entspricht zunächst dem Bedürfnis des Vermieters, die Mietsache auf Veränderungen und Verschlechterungen ungestört untersuchen und sich über etwaige Ansprüche klar werden zu können. Die recht kurz bemessene Verjährungsfrist trägt wiederum dem Interesse des Mieters an einer möglichst raschen Klärung möglicher Ansprüche des Vermieters Rechnung.
Daher beginnt der Lauf der Verjährungsfrist nach dem OLG Hamm selbst dann, wenn das Mietverhältnis erst später, also nach der Rückgabe endet (OLG Hamm, Urt. v. 01.09.2023 – 30 U 195/22). Entscheidend für den Verjährungsbeginn sei die unmittelbare Sachherrschaft des Vermieters und eine Besitzveränderung zu seinen Gunsten.
Streiten die Parteien über den Zeitpunkt der Vertragsbeendigung, wirft der Mieter aber sämtliche Schlüssel zum Mietobjekt in den Briefkasten des Vermieters und gibt den Besitz vollständig und unzweifelhaft auf, sind nach Auffassung des OLG Hamm die Voraussetzungen für einen „Rückerhalt“ im Sinne von § 548 Abs. 1 BGB gegeben.
Im vorliegenden Fall hatte der Vermieter dem Mieter zwar „verboten“, den Schlüssel in den Briefkasten zu werfen, da er nicht bereit sei, diesen zu empfangen. Dies allein half aber nichts: Der Mieter warf den Schlüssel trotzdem ein und bewirkte dadurch die Rückgabe der Mietsache samt Verjährungsbeginn.
Um dem Beginn der Verjährungsfrist entgegenzuwirken, sollte der Vermieter in einem solchen Fall die Schlüssel umgehend an den Mieter zurücksenden. Ob der Fall dann anders zu beurteilen gewesen wäre, hat das OLG Hamm allerdings offengelassen.
Wer nun überlegt, dem Problem durch Verlängerung der Verjährungsfrist und Änderung des Anknüpfungszeitpunkts bei der Mietvertragsgestaltung zu begegnen, dem erteilt der BGH eine Absage: Denn jedenfalls eine in AGB des Vermieters enthaltene Regelung, wonach Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in zwölf Monaten nach Beendigung des Mietverhältnisses verjähren, ist mit wesentlichen Grundgedanken des § 548 Abs. 1 BGB unvereinbar und benachteiligt den Mieter deshalb entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (BGH, Urt. v. 08.11.2017 – VIII ZR 13/17). Solche Regelungen sind daher unwirksam.
Ob das vorliegende Urteil in Rechtskraft erwächst, bleibt abzuwarten, eine Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH war zuletzt unter Az. XII ZR 96/23 anhängig; möglicherweise mit Potenzial: In 2011 hatte der BGH entschieden, dass die Einlegung der Schlüssel in den Briefkasten des Mietobjekts für Rückerhalt und Übernahme der tatsächlichen Sachherrschaft am Mietobjekt nicht ausreichend ist (BGH, Urt. v. 12.10. 2011 – VIII ZR 8/11). Zuvor hatte sich der Vermieter geweigert, die Schlüssel „auf Zuruf“ an der Haustür entgegenzunehmen; hierzu sei der Vermieter nicht verpflichtet gewesen.
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