Gut 1,5 Jahre nach der Einführung des Mindestlohngesetzes (MiLoG) in Deutschland war es soweit: die ersten der zahlreichen vom Gesetzgeber offen gelassenen Rechtsfragen mussten vom BAG geklärt werden. Zudem hat kürzlich die Mindestlohnkommission das erste Mal über die Anpassung der Höhe des Mindestlohns entschieden. Über diese bereits mit Spannung erwarteten Entwicklungen möchten wir Sie in unserem heutigen Newsflash informieren.
1. Erste Entscheidungen des BAG zum Mindestlohn 2016
Seit der Einführung des MiLoG wird zum Teil heftig darüber gestritten, welche Zahlungen des Arbeitgebers auf die vom Gesetzgeber vorgesehenen EUR 8,50 brutto je Zeitstunde angerechnet werden können. Ein weiterer Streitpunkt ist die Frage, welche Zeiten der Arbeitgeber mit dem gesetzlichen Mindestlohn vergüten muss. Das BAG hat nun mit zwei Urteilen Klarheit zum einen zur wichtigen Frage der Anrechenbarkeit von Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf den gesetzlichen Mindestlohn und zum anderen zur Frage der Vergütung von Bereitschaftszeiten mit dem Mindestlohn geschaffen.
BAG, Urt. v. 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16
Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, deren Arbeitsvertrag neben dem Monatsgehalt besondere Lohnzuschläge (Überstunden-, Sonn- und Feiertags- sowie Nachtzuschläge) vorsah. Ferner waren zwei Sonderzahlungen, bezeichnet als Urlaubs- und Weihnachtsgeld, in Höhe von jeweils einem halben Monatsgehalt, zahlbar mit den Lohnabrechnungen für Mai und November, vorgesehen. Der Arbeitgeber schloss mit dem Betriebsrat später eine Betriebsvereinbarung, nach der Weihnachts- und Urlaubsgeld nunmehr gleichmäßig auf alle Monate verteilt, also monatlich jeweils zu 1/12, auszuzahlen waren.
Nur unter Einbeziehung dieser anteiligen Sonderzahlungen erhielt die Arbeitnehmerin einen Stundenlohn von mehr als EUR 8,50 Euro brutto. Die arbeitsvertraglichen Zuschläge berechnete der Arbeitgeber weiter auf Basis des geringeren (Grund-)Stundenlohns. Die Arbeitnehmerin war der Auffassung, dass ihr die Sonderzahlungen zusätzlich zu dem gesetzlich festgeschriebenen Mindestlohn von EUR 8,50 brutto je Zeitstunde zustünden und auch die Zuschläge auf Basis des Mindestlohns berechnet werden müssten. Damit ist sie nun in allen Instanzen weitestgehend gescheitert. Lediglich im Hinblick auf die Berechnung der Nachtarbeitszuschläge war die Arbeitnehmerin erfolgreich.
Das BAG hat klargestellt, dass ein Arbeitgeber zwar für jede tatsächlich gearbeitete Zeitstunde den gesetzlichen Mindestlohn schuldet. Er erfüllt den Anspruch durch die als Gegenleistung für Arbeit erbrachten Entgeltzahlungen, soweit diese dem Arbeitnehmer endgültig verbleiben. Die Erfüllungswirkung fehlt solchen Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt. Dies hat zur Konsequenz, dass auch Leistungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld auf den Mindestlohn angerechnet werden können, wenn sie vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat zu 1/12 geleistet werden.
Entschieden hat das BAG ebenfalls, dass bei Zuschlagszahlungen, die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen, eine Anrechnung auf den Mindestlohn nicht erfolgen darf. Dies ist z.B. bei Nachtzuschlägen gem. § 6 Abs. 5 ArbZG der Fall. In diesen Fällen muss mindestens der gesetzliche Mindestlohn bei der Berechnung zugrunde gelegt werden.
BAG, Urt. v. 29. Juni 2016 – 5 AZR 716/15
Das BAG hat nun auch die Frage geklärt, ob und inwieweit Bereitschaftszeiten mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten sind. Der Arbeitnehmer muss sich in diesen Fällen an einem vom Arbeitgeber vorgegebenen Ort innerhalb oder außerhalb des Betriebes aufhalten, um seine Arbeit bei Bedarf aufnehmen zu können. Hier wurde vom BAG klargestellt, dass der gesetzliche Mindestlohn auch für Bereitschaftszeiten gezahlt werden muss, da er für jede geleistete Arbeitsstunde gezahlt werden müsse. Da Bereitschaftszeiten – anders als z.B. Zeiten der bloßen „Rufbereitschaft – auch nach dem ArbZG weitestgehend der Vollarbeit gleichgestellt sind, ist das Ergebnis nicht sonderlich überraschend.
Allerdings hat nach dem BAG eine Gesamtbetrachtung zu erfolgen: Es ist zu prüfen, ob der Anspruch auf den Mindestlohn bereits dadurch erfüllt ist, dass die Monatsvergütung des Arbeitnehmers für seine Vollarbeits- und Bereitschaftszeiten den gesetzlichen Mindestlohn insgesamt erreicht. Arbeitgeber sollten daher in vergleichbaren Fällen genau nachrechnen. Der Mindestlohnanspruch des klagenden Rettungsassistenten war jedenfalls auf diese Weise bereits erfüllt.
Nicht höchstrichterlich geklärt ist damit jedoch die Frage, ob auch Rufbereitschaftszeiten mit dem Mindestlohn vergütet werden müssen. Dies wird bisher wohl einhellig verneint, da der Arbeitgeber hier nicht den Aufenthaltsort des Arbeitnehmers vorgibt und diese Zeiten auch nicht unter das ArbZG fallen.
Nimmt der Arbeitnehmer seine Arbeit jedoch während der Rufbereitschaft auf, muss die Zeit mindestens mit dem Mindestlohn vergütet werden, jedenfalls im Wege der vom BAG aufgestellten Gesamtbetrachtung.
2. Entscheidung der Mindestlohnkommission
Der gesetzliche Mindestlohn wird zum 1. Januar 2017 von EUR 8,50 auf EUR 8,87 – jeweils brutto je Zeitstunde – steigen. Dies hat die Mindestlohnkommission am 28. Juni 2016 beschlossen. Die Umsetzung dieses Beschlusses durch eine Rechtsverordnung ist nun kurzfristig zu erwarten.
Die Mindestlohnkommission hat mit diesem Beschluss erstmals von ihrem in § 9 MiLoG vorgesehenen Recht zur Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns Gebrauch gemacht. Orientiert hat sie sich dabei am Tarifindex des Statistischen Bundesamtes. Damit haben grundsätzlich alle Arbeitnehmer ab dem 1. Januar 2017 einen Anspruch auf den erhöhten Mindestlohn von EUR 8,84 brutto für jede geleistete Zeitstunde.
Ausnahmen gibt es jedoch zum einen in den Branchen, die übergangsweise noch bis zum 31. Dezember 2016 tarifvertraglich vom Mindestlohn abweichen dürfen. Dort müssen die Beschäftigten dann spätestens zum 1. Januar 2017 einen Stundenlohn in Höhe von EUR 8,50 brutto erhalten. Ab dem 1. Januar 2018 gilt auch in diesen Branchen der von der Mindestlohnkommission neu festgesetzte Mindestlohn.
Ähnliches gilt für die gesetzlich in § 24 Abs. 2 MiLoG vorgesehene Ausnahme für Zeitungszusteller. Zeitungszusteller im Sinne der Regelung sind Personen, die in einem Arbeitsverhältnis ausschließlich periodische Zeitungen oder Zeitschriften an Endkunden zustellen; dies umfasst auch Zusteller von Anzeigenblättern mit redaktionellem Inhalt. Diese müssen im Jahr 2016 mindestens 85 % des gesetzlichen Mindestlohns, also EUR 7,23 brutto je Zeitstunde erhalten. Ab dem 1. Januar 2017 haben auch sie Anspruch auf zunächst EUR 8,50, ab dem 1. Januar 2018 dann auf EUR 8,84 brutto je Zeitstunde.
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