Chatgruppen, sei es auf Plattformen wie WhatsApp oder anderen Messaging-Diensten, sind oft ein Ort der privaten Kommunikation, ein geschützter Raum für den Austausch unter Freunden oder Kollegen. Doch was passiert, wenn dieser geschützte Raum für Beleidigungen gegenüber dem Arbeitgeber oder Kollegen bzw. Kolleginnen verwendet wird?
Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner aktuellen Entscheidung (Urteil vom 24. August 2023 – Az. 2 AZR 17/23) klare Grenzen gezogen und festgestellt, dass Vertraulichkeitsschutz nicht greift, wenn rassistische und sexistische Beleidigungen gegenüber dem Arbeitgeber oder Kollegen öffentlich werden.
Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen tragen im Rahmen ihres Arbeitsvertrages Haupt- und Nebenpflichten. Neben der Erbringung der Arbeitsleistung gehört dazu auch die Treuepflicht, die sich auf private Aktivitäten – wie etwa die Teilnahme an Chatgruppen – auswirken kann. Beleidigungen des Arbeitgebers oder von Kollegen bzw. Kolleginnen auch in privat organisierten Chat-Gruppen können daher einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen, sofern sie die Treuepflicht verletzen.
Die grundsätzliche Vertraulichkeit von Gesprächen, sei es in persönlichen Unterredungen oder in geschlossenen Chatgruppen, ist dabei ein wesentlicher Aspekt, den es in derlei Konstellationen stets zu berücksichtigen gilt. In der Vergangenheit hatte etwa das Arbeitsgericht Mainz (Urteil vom 15. November 2017 – Az. 4 Ca 1240/17) entschieden, dass Äußerungen in privaten WhatsApp-Chatgruppen grundsätzlich durch die Vertraulichkeit des Chats geschützt seien. Zu beachten ist hierbei auch die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, welches in einer früheren Entscheidung (Urteil vom 10. Dezember 2009 – 2 AZR 534/08) betonte, dass bei ehrverletzenden Äußerungen eine genaue Abwägung der Umstände notwendig sei, sodass der Schutz privater Kommunikationsräume nicht leichtfertig aufgehoben werden dürfe.
Im nun entschiedenen Fall hatte ein Arbeitnehmer in einer WhatsApp-Gruppe beleidigende, rassistische und sexistische Äußerungen über Vorgesetzte und Kollegen getätigt. Dies hatte die Arbeitgeberin zufällig über den Betriebsrat zugespielt bekommen und auf Echtheit überprüft. Sie kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Hiergegen klagte der Arbeitnehmer. Die Vorinstanzen gaben der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers statt, da sie eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung im Rahmen der Chatgruppe annahmen.
Das Bundesarbeitsgericht hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies die Sache zurück an das Landesarbeitsgericht. Als Begründung verwies das Bundesarbeitsgericht darauf, dass die Vertraulichkeitserwartung nur dann berechtigt sei, wenn die Mitglieder der Chatgruppe einen besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz beanspruchen könnten. Bei beleidigenden und menschenverachtenden Äußerungen bedürfe es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer erwarten durfte, dass der Inhalt nicht weitergegeben wird. Der Arbeitnehmer hat nun vor dem Landesarbeitsgericht im Einzelnen darzulegen, warum er sich im konkreten Fall hinsichtlich seiner Kommunikation in der Chatgruppe auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen kann.
Grundsätzlich dürfen Arbeitnehmer in geschlossenen privaten Chatgruppen darauf vertrauen, dass Gespräche vertraulich bleiben. Dies ist ein Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das den Schutz des eigenen Wortes gewährleistet. Jedoch sind Beleidigungen, rassistische oder sexistische Äußerungen keine geschützten Meinungsäußerungen und können einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen – auch dann, wenn sie in einem solchen, grundsätzlich geschützten, Umfeld getätigt werden.
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts verdeutlicht, dass die Vertraulichkeit eines Chats nicht mehr gilt, wenn die Äußerungen schwerwiegend beleidigend sind. Die Größe der Chatgruppe, ihre Zusammensetzung und die Art der Kommunikation spielen dabei eine entscheidende Rolle. Arbeitnehmer sollten sich bewusst sein, dass ihre Äußerungen in geschlossenen Chatgruppen nicht automatisch vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen schützen, wenn sie die Grenzen des respektvollen Umgangs oder gar der Menschenwürde überschreiten. Arbeitgeber hingegen haben in Extremfällen die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis auch dann zu kündigen, wenn die Äußerungen in einem besonders geschützten Raum getätigt werden. Wo die Abgrenzung zwischen noch geschützter Privatäußerung und kündigungsrelevanter Beleidigung liegt, gilt es im Rahmen zukünftiger Entscheidungen zu beobachten.
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