Der mittelständische Unternehmer steht vor seinem Anwalt und sagt: „Der chinesische Lieferant performt überhaupt nicht. Sie müssen ihm richtig Feuer machen. Insbesondere liefert er dauernd verzögert und mangelhaft.“
Nach Sichtung der vertraglichen Grundlagen sagt der Anwalt zum Unternehmer: „Sie können froh sein, dass Sie überhaupt beliefert werden. Rechte aus dem Vertragsverhältnis gegenüber dem chinesischen Lieferanten können Sie aus dem internationalen Liefervertrag gegen den chinesischen Lieferanten nämlich ohnehin nicht durchsetzen – und zwar deshalb, weil Sie deutsches Recht und einen deutschen Gerichtsstand gewählt haben, deutsche Urteile allerdings in China faktisch nicht vollstreckbar sind.“
Diese, durchaus typische Situation zeigt, dass die Gestaltung internationaler Lieferverträge ein hohes Maß an Präzision und Sorgfalt erfordert und bereits hier entstehende Unzulänglichkeiten schwerwiegende Folgen nach sich ziehen können.
Christoph Schmitt erläutert die zentralen Problemstellungen, die in internationalen Lieferverträgen immer wieder zu rechtlichen Probleme und wirtschaftlichen Belastungen führen.
Schon bei der Identifikation des Vertragspartners gilt es Obacht zu geben. Häufig finden sich in internationalen Lieferverträgen inkorrekte Firmenbezeichnungen oder falsche Informationen zur Rechtsform, welche die Rechtsdurchsetzung erschweren oder bereits für sich stehend gar ausschließen.
Was bei einem Kaufvertrag zu liefern ist, ist im deutschen Recht in § 434 BGB vom Gesetzgeber genau kodifiziert. Bei Wahl eines anderen, ausländischen Rechts sieht dies häufig anders aus. Hier gilt die alte Weisheit, wonach sich der internationale Liefervertrag die Rechtsordnung selbst schreiben muss. Gerade deshalb ist eine genaue Ausformulierung dessen, was geschuldet sein soll (Beschreibung der Leistung) besonders wichtig.
Nach deutschem Recht hat der Verkäufer (ähnlich wie nach dem UN-Kaufrecht) ein volles Verteidigungsmittel in der Form, dass bei mangelhafter Lieferung Gewährleistungsrechte des Käufers entfallen, wenn dieser nicht rechtzeitig eine Wareneingangskontrolle durchführt und in einem sehr knappen Zeitraum eine Mängelrüge gegen den Verkäufer ausgesprochen hat. Insbesondere für den Fall von ex-works-Lieferungen oder längeren Transportwegen ist zu regeln, wie hiermit umzugehen ist, da die Fristen für die Mängelrüge regelmäßig nicht erfüllt werden können. Auch muss nachgeprüft werden, ob – wie bei anderen Rechtsordnungen – eine solche Verteidigungsmöglichkeit des Lieferanten besteht und wie damit vertragsregulatorisch umgegangen wird.
Immer wieder fallen internationale Lieferverträge auf, bei denen im Hinblick auf eine vereinbarte Fremdzahlungswährung Wechselkursklauseln fehlen. Diese machen die Verträge erheblich streitanfälliger und im Worst Case sogar verlustträchtig.
Bei internationalen Verträgen bedarf es darüber hinaus einer klaren Regelung, wer für Verluste und Schäden während des Transportes verantwortlich ist und wie die Ware zu versichern ist. Auch die Frage von Zoll- und Importrisiken muss im Vertrag stets eindeutig geregelt werden.
Normale deutsche Gewährleistungsregelungen (wie etwa die Nacherfüllung) passen auf Vertragssysteme, bei denen Ware aus dem fernen Ausland bezogen wird, oft nicht. Denn die Zeit für die Hin- und Hersendung von Waren ist zu lang oder ein Lufttransport unwirtschaftlich. Hier müssen Ersatzsysteme, wie beispielsweise Gewährleistungskonsignationslager, aufgsetzt werden, um bei mangelhafter Ware eine interessengerechte Lösung für den Käufer zu erzielen. Ergänzend macht es auch häufig Sinn, Inspektionsregelungen vor der Versendung zu vereinbaren.
Gerade bei der Vereinbarung ausländischen Rechts ist auch ein besonderes Augenmerk auf die Regelung zu Gewährleistung und Haftung zu legen, da sich diese teils deutlich vom aus dem deutschen Recht bekannten Prinzip der verschuldensabhängigen Gewährleistungs- und Haftungssituation unterscheiden. Oftmal finden sich bei der grenzüberschreitenden Lieferung an Konzerne Klauseln in den Verträgen, das eine Geltung des Recht aus dem Sitzland des jeweils bestellenden Konzernunternehmens sicherstellen sollen. Dies kann für die Lieferanten dazu führen, dass diese sich (so beispielsweise in den USA) einem Rechtssystem ausgesetzt sehen, bei dem bei einer Pflichtverletzung selbst ohne einen messbaren Schaden millionenschwere Strafzahlungen (punitive damages) nach sich ziehen können. Dem muss vertragsrechtlich entgegengesteuert werden.
Gerade die jüngere Vergangenheit hat anhand der Marktlage gezeigt, dass im internationalen Lieferverkehr mit abbrechenden Lieferketten, Embargos und Preisexplosionen für Rohstoffe zu rechnen ist. Dem ist in internationalen Lieferverträgen durch entsprechende Klauseln auf der Käufer- bzw. Verkäuferseite in den Bereichen des einseitigen Preisanpassungsrechtes, Kündigungsrechtes, Vertragsanpassungsrechtes und zahlreichen Spezialfeldern mehr Rechnung zu tragen. Unterbleibt dies, kann der oftmals langfristig vereinbarte, internationale Liefervertrag zum Albtraum werden.
Das Fallbeispiel eingangs zeigt, wie wichtig es darüber hinaus ist, das geltende Recht und gegebenenfalls ein hierzu passendes Schiedsgerichtssystem mit Bedacht zu wählen. Ansonsten droht die Undurchsetzbarkeit von Rechten oder eine jahrelange Litanei an Rechtsstreiten, die wiederum extrem kostenaufwendig werden kann. Oftmals wird dabei im Zuge der Rechtswahl vor der Wahl des UN-Kaufrechts zurückgeschreckt, weil die Beteiligten sich hierin fremd fühlen. Allerdings kann das UN-Kaufrecht, dem eine gewisse Ausgewogenheit innewohnt, ein guter mediativer Ansatz zwischen Käufer und Verkäufer werden. Bei der Vertragsgestaltung sollte daher stets ein juristischer Berater oder eine juristische Beraterin gewählt werden, der oder die auch mit dem UN-Kaufrecht sicher vertraut ist.
Gewarnt seien Unternehmen auch vor der unreflektierten Verwendung eigener Allgemeiner Geschäftsbedingungen als Anhang zu oder Bestandteil von internationalen Lieferverträgen. So sieht oft zwingendes ausländisches Recht vor, dass derartige AGB nur unter besonderen Bedingungen – wie etwa schriftliche Hinweise auf risikoreiche Klauseln vor Vertragsschluss oder die Hinterlegung bei bestimmten Stelln im Land des Vertragspartners – überhaupt wirksam werden. Die bloße Anwendung klassischer AGB ohne die erforderliche Berücksichtigung landestypischer Regelungen ist daher risikobehaftet, zumal ausländische Rechtsordnungen oft weniger gesetzliche Regelungen enthalten oder vergleichsweise umfassende Auslegungsspielräume beinhalten.
Der Autor Christoph Schmitt ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Hoffmann Liebs für den Bereich Allgemeines Wirtschaftsrecht. Er ist bundesweit anerkannter Spezialist für nationales und internationales Vertrags- und AGB-Recht sowie Kursleiter zahlreicher vertragsrechtlicher Ausbildungskurse für Juristen und Rechtsanwälte bei namhaften Seminarveranstaltern. Er berät seit nahezu drei Jahrzehnten Unternehmen rund um den wirtschaftlichen Globus u. a. bei der Gestaltung und Verhandlung von internationalen Lieferverträgen.
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