Aktuelles Whitepaper zu den wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekriegs für den deutschen Mittelstand.
Autoren: Dr. Kerstin Pallinger, Christine Stork, Christian Thomas
Die PDF-Version des Whitepapers erhalten Sie über diesen Link zum kostenfreien Download: Whitepaper EU-Sanktionen Russland
Text-Version auf unserem Blog:
Mit Kriegsbeginn in der Ukraine hat die EU die bereits seit dem Jahr 2014 in Gestalt der Verordnung (EU) 269/2014 existierenden Embargo-Maßnahmen gegen Russland weiter verschärft. Seit dem 24. Februar 2022 gelten daher neue, deutlich erweiterte Sanktionen, insbesondere auch gegen russische Unternehmen und Einzelpersonen, die mit dem Verstoß gegen die territoriale Unversehrtheit und Souveränität der Ukraine in Verbindung stehen. Viele deutsche Unternehmen stehen dadurch vor der Herausforderung, festzustellen, ob ein Vertragspartner von den Sanktionen betroffen ist oder nicht und wenn ja, welche Folgen dies für das Bestehen der Geschäfts- bzw. Vertragsverhältnisse hat. Der nachfolgende Beitrag klärt über die Reichweite und Bedeutung der bestehenden Sanktionen sowie die daraus für deutsche Unternehmen folgenden Handlungspflichten auf.
Das Spektrum der vorhandenen Sanktionen gegen russische Unternehmen und Privatpersonen ist mittlerweile sehr breit. Es umfasst unter anderem Sanktionen in Form von Ausfuhr-/ Handelsbeschränkungen sowie personenbezogene Sanktionen (Finanzsanktionen), die den Zugang für die betroffenen Unternehmen oder Personen zu den Kapital- und Finanzmärkten erschweren bzw. unmöglich machen sollen. Betroffen sind alle Personen und Unternehmen, die auf der EU-Sanktionsliste im Anhang I zur Verordnung (EU) 269/2014 explizit geführt sind.
Die Eintragung auf die EU-Sanktionsliste hat für die Betroffenen insbesondere zur Folge, dass ihre Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen – also insbesondere Konten – eingefroren werden und ihnen somit der Zugriff auf finanzielle und materielle Güter verwehrt wird (sog. „Verfügungsverbot“). Umgekehrt wird aber auch Vertragspartnern, Kunden, Lieferanten und sonstigen Dritten verboten, den Gelisteten Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen – das sind alle materiellen sowie immateriellen Vermögenswerte, die für den Erwerb von Geld, Waren oder Dienstleistungen verwendet werden können – zur Verfügung zu stellen (sog. „Bereitstellungsverbot“).
Nach deutschem Außenwirtschaftsrecht (Link zu mehr Informationen) kann ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Sanktionsmaßnahmen nach § 18 Abs. 1 AWG geahndet werden und eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe nach sich ziehen. Fahrlässige Tatbegehungen gelten als Ordnungswidrigkeit und können mit einer Geldbuße von bis zu EUR 500.000,00 geahndet werden (§ 19 AWG). Nicht zuletzt aufgrund dieser weitreichenden Sanktionen müssen sich deutsche Unternehmen gerade aktuell verstärkt mit der Frage beschäftigen, ob die Erbringung ihrer vertragsgemäßen Leistungen möglicherweise gegen das Bereitstellungsverbot verstößt und dementsprechend unterbleiben muss.
Dem Bereitstellungsverbot unterfallen grundsätzlich alle Zahlungen, Warenlieferungen, Dienstleistungen et cetera, die direkt an eine gelistete Gesellschaft oder gelistete Person erfolgen. Darüber hinaus werden aber auch sämtliche Leistungen an Gesellschaften erfasst, die zwar selbst nicht gelistet sind, aber deren Muttergesellschaft oder deren kontrollierende Mehrheitsgesellschafter auf der Sanktionsliste stehen (sog. „mittelbares Bereitstellungsverbot“). In solchen Situationen wird nämlich allein aufgrund der Eigentümerstellung und/oder aufgrund der Kontrollmöglichkeit der gelisteten Person/Gesellschaft vermutet, dass diese mittelbar von den Leistungen profitiert (bspw. in Form einer Gewinnbeteiligung) und es somit zu einer verbotenen Bereitstellung von Geldern kommt.
Es gilt die Vermutung, dass eine Gesellschaft dann im Eigentum oder unter der Kontrolle der gelisteten Person steht, wenn diese eine Beteiligungsquote von mind. 50 % oder gesellschaftsrechtliche Sonderrechte innehat, die ihr einen beherrschenden Einfluss einräumen (bspw. Vetorechte).
Zunächst sollte jedes Unternehmen, das unmittelbar mit russischen Unternehmen oder Personen zusammenarbeitet (bspw. Lieferbeziehungen unterhält) die Sanktionslisten dahingehend überprüfen, ob der Vertragspartner auf einer dieser Listen geführt wird. Eine erste Überprüfung kann problemlos online erfolgen unter: Finanzsanktionsliste 2022 (finanz-sanktionsliste.de).
Soweit dies keine Treffer bringt, sollte darüber hinaus Gewissheit darüber verschafft werden, dass die Gesellschaften oder Personen, die hinter dem Vertragspartner stehen, ebenfalls nicht von den Sanktionen betroffen sind und somit kein mittelbares Bereitstellungsverbot greift. Dies kann dadurch geschehen, dass Vertragspartner darum gebeten werden, die Beteiligungsstruktur offenzulegen oder das Handels- bzw. Transparenzregister, welche Aufschluss über die Gesellschafter bzw. den wirtschaftlich Berechtigten, letztlich also dem Eigentümer geben, in Augenschein genommen wird.
Liegt ein Listentreffer vor, müssen die Vertragsbeziehungen nicht vorschnell abgebrochen werden. Vielmehr ist zunächst zu prüfen, ob gegebenenfalls eine Ausnahme von einem Bereitstellungsverbot vorliegt.
Eine solche regelt insbesondere Art. 7 Abs. 2 lit. b) der Verordnung (EU) 269/2014. Danach dürfen Leistungen trotz des Listentreffers erbracht werden, wenn sie auf Verträgen, Vereinbarungen oder Verpflichtungen beruhen, welche bereits geschlossen wurden bzw. entstanden sind, bevor die maßgebliche Person oder Gesellschaft gelistet wurde. Dies aber mit der Prämisse, dass diese Zahlungen auf ein eingefrorenes Konto geleistet werden (der Zugriff der gelisteten/sanktionierten Person auf das Konto ist ausgeschlossen, sodass die konkrete Leistung ihr nicht zugutekommen kann, vgl. Ausführungen oben). Bestehende Vertragsverhältnisse sollen auf diese Weise geschützt und soweit möglich erfüllt werden können.
Hat bspw. ein deutsches Unternehmen einen Liefervertrag mit einer Gesellschaft (gelistet oder im Eigentum einer gelisteten Person) am 1. Januar 2022 geschlossen und wurde die betreffende Person/Gesellschaft erst am 24. Februar 2022 auf die EU-Sanktionsliste gesetzt, so kann das deutsche Unternehmen seiner Zahlungspflicht gegenüber dieser Gesellschaft durch Zahlung auf ein eingefrorenes Konto nachkommen. Darin liegt gerade kein Verstoß gegen das Bereitstellungsverbot.
Bei neuen Vertragsverhältnissen bzw. Vertragsanbahnungen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt zustande kommen, gilt diese „Altvertragsregelung“ jedoch nicht und es ist Vorsicht geboten. Hier muss umfassend geprüft und abgewogen werden, in welchem Maße das Bereitstellungsverbot greift und im Zweifel von der Aufnahme neuer Geschäftsbeziehungen abgesehen werden.
Besonders bei Konstellationen des mittelbaren Bereitstellungsverbotes besteht gerade aktuell eine erhebliche Rechtsunsicherheit, da für die Geltung dieses Verbots nicht maßgeblich ist, ob die gelistete Person tatsächlich Zugriff auf die geleisteten Vermögenspositionen hat oder nicht, sondern allein aufgrund des Beherrschungsverhältnisses eine verbotene Bereitstellung vermutet wird.
Diese Vermutung lässt sich unter Umständen anhand einer einzelfallbezogenen, risikobasierten Abwägung widerlegen, wenn sichergestellt werden kann, dass die gelistete Person keinen Zugriff auf die Vermögenswerte oder Gelder hat bzw. erhält. Folgende Kriterien sind dabei zu berücksichtigen:
Aufgrund der herrschenden Rechtsunsicherheit und der sich aktuell schnell entwickelnden Situation bleibt ein erhebliches Risiko für Geschäftsführer und Unternehmen bestehen. Letztlich kann mit einer gut organisierten Compliance-Organisation durch aktuelle Abfragen von Sanktionslisten zunächst sichergestellt werden, ob die eigenen Vertragspartner betroffen sind oder nicht.
In einem zweiten Schritt muss dann (insbesondere bei einem drohenden mittelbaren Bereitstellungsverbot) umfassend geprüft werden, wer hinter dem Vertragspartner steht und wie eine Zurverfügungstellung an eine gelistete Person praktisch verhindert werden kann. Hier kann von der Geschäftsführung eines Unternehmens nur gefordert werden, dass sie eine umfassende Risikoabwägung vornimmt, dies gegebenenfalls unter Einholung eines Rechtsrats oder Nachfrage bei den zuständigen Behörden. Soweit diese Prozesse eingehalten werden, ist davon auszugehen, dass nur noch ein deutlich reduziertes Haftungsrisiko verbleibt.
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