LAG Köln, Urteil vom 12. Januar 2018 – 4 Sa 290/17
Das ein Arbeitnehmer wegen Krankheit den Arbeitstag abbricht, ist ein in der Praxis immer wiederkehrender Fall. Das LAG Köln hatte die Frage zu beantworten, ob ein Arbeitnehmer in diesem Fall trotz der eingeschränkten Arbeitsleistung für den gesamten Arbeitstag seine Vergütung gemäß § 611 BGB oder bereits Entgeltfortzahlung gemäß § 3 Abs. 1 EFZG erhält. Wichtig ist dies vor allem bei der Berechnung des Endes des sechswöchigen Zeitraums der Entgeltfortzahlung.
Der Fall
Bei dem in I. Instanz vor dem Arbeitsgericht Bonn verhandelten Fall war es zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen. Im Zuge dieser warf der Vorgesetzte einen Pappbecher. Ungeklärt blieb, ob der Wurf in Richtung des Klägers erfolgt war. Nach der Auseinandersetzung verließ der Kläger den Betrieb, er hatte an diesem Tag erst etwas mehr als 3 Stunden gearbeitet. Anschließend reichte er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein, die auch für den Tag der Auseinandersetzung eine Arbeitsunfähigkeit attestierte. Der Arbeitgeber sei der Auffassung, die Arbeitsunfähigkeit sei nur vorgetäuscht worden und es bestehe deshalb weder ein Anspruch auf Vergütung noch Entgeltfortzahlung für den attestierten Arbeitsunfähigkeitszeitraum.
Die Entscheidung
Das LAG Köln hat entschieden, dass der Kläger für den Tag seiner Erkrankung einen Anspruch auf Vergütung nach § 611 BGB und für die anschließende Zeit einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG hat. Nach der Rechtsprechung des BAG erhalte der Arbeitnehmer, der im Laufe einer Arbeitsschicht erkrankt, für den angebrochenen Arbeitstag insgesamt die volle Vergütung, auch wenn der angebrochene Arbeitsvertrag bei der Berechnung des Sechs-Wochen-Zeitraums nicht mit eingerechnet wird. Diese Handhabung sei ein Gebot der Praktikabilität und entspreche der seit „eh und je“ bestehenden betrieblichen Praxis (vgl. BAG, Urteil vom 4. Mai 1971 – 1 AZR 305/70 sowie BAG, Urteil vom 26. Februar 2003 – 5 AZR 112/02).
Bewertung
Das Urteil des LAG Köln entspricht der Rechtsprechung des BAG, die allerdings bis zum heutigen Tag – trotz des in der Praxis häufig vorkommenden Falls einer Erkrankung im Verlaufe eines Arbeitstages – nur sehr selten zitiert worden ist bzw. werden musste, weshalb die Erkenntnis aus der Entscheidung einen gewissen Seltenheitswert hat. Schon in seinem Urteil aus dem Jahr 1971 hat der 1. Senat ausgeführt: „Es wäre jedenfalls durchweg außerordentlich schwierig und unrationell, die am Tage des Eintritts der Erkrankung versäumten Arbeitsstunden eines in festem Gehalt stehenden Angestellten zu errechnen und sie dann von seinem Gehalt abzusetzen; ein solches Vorgehen müsste unvernünftig erscheinen. Die betriebliche Praxis geht deshalb dahin, für diese geringfügige Arbeitszeit trotz der nicht erbrachten Arbeit Gehalt zu zahlen.“.
Arbeitgeber müssen daher beachten, dass bei einer Erkrankung im Verlauf eines Arbeitstages für diesen Tag noch die „normale“ Vergütung des jeweiligen Arbeitnehmers zu zahlen ist, auch wenn er anschließend ein diesen Tag umfassendes Attest eines Arztes vorlegt. Der angebrochene Arbeitstag werde bei der Berechnung des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraumes nicht mit eingerechnet, so das BAG bereits 1971 und nun im Jahr 2018 die Kölner Richter.
Die Revision wurde nicht zugelassen, das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.
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