Oft besteht im B2B Verkehr das Bedürfnis, im Vorfeld der endgültigen Einigung, Vereinbarungen zu treffen. Hierfür stehen grundsätzlich das Instrument des „Letter of Intent“ oder das „Memorandum of Understanding“ zur Verfügung. Während der echte Vorvertrag ein schuldrechtlicher Vertrag ist, handelt es sich bei Letter of Intent und Memorandum of Understanding rechtlich in der Regel um unverbindliche Vereinbarung. Im Verhältnis zwischen Hersteller-Zulieferer (insbesondere in der Automobilindustrie) kommt vermehrt der sog. „Nomination Letter“ zum Einsatz. Die Rechtsnatur des Nomination Letter stellt die Praxis vor erhebliche Unsicherheiten, da der Nomination Letter weder begrifflich definiert noch rechtlich sicher generell einzuordnen ist.
Der nachfolgende Artikel geht zunächst auf die Möglichkeiten vorvertraglicher Vereinbarungen, insbesondere auf den Letter of Intent sowie das Memorandum of Understanding ein und deren Anwendungsbereich in Abgrenzung zum Vorvertrag. Sodann werden der Maßstab der Abgrenzung rechtsverbindlicher Vereinbarungen von bloßen Absichtserklärungen dargelegt, um abschließend die Besonderheiten des Nomination Letters und die maßgeblichen Indizien zu betrachten, die bei der Auslegung auf eine Bindungswirkung des sog. Nomination Letters hindeuten können.
Vorvertragliche Vereinbarungen
Vorvertragliche Vereinbarungen zwischen Unternehmern können grundsätzlich in Form einer reinen Absichtserklärungen oder in Form eines Vorvertrages abgegeben bzw. geschlossen werden.
Der aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis stammende und in der Praxis häufig verwendete Letter of Intent stellt zumeist eine unverbindliche Absichtserklärung dar, die bekundet, dass die vertraglichen Parteien die Absicht haben, einen Vertrag zu den in der Erklärung genannten Bedingungen zu schließen. Der Letter of Intent ist somit kein dem Vorvertrag entsprechendes Angebot auf Abschluss des Hauptvertrages, sondern grundsätzlich nur die rechtlich nicht verbindliche Fixierung der Verhandlungsposten des Verfassers. Die Unverbindlichkeit des Letter of Intent ergibt sich häufig daraus, dass er eine Liste noch zu klärender Punkte enthält. Wird eine Absichtserklärung zwischen mehreren Verhandlungspartnern abgegeben und unterschrieben, spricht man auch von einem Memorandum of Understanding. Dabei handelt sich ebenfalls um eine reine Absichtserklärung, für die die gleichen Grundsätze wie bei einem Letter of Intent gelten. Entscheidend ist nicht die Bezeichnung der Erklärung, sondern vielmehr die inhaltliche Gestaltung, aus der hervorgeht, dass es sich um eine unverbindliche Absichtserklärung handelt – also um einen Letter of Intent oder ein Memorandum of Understanding.
Ein Vorvertrag dagegen ist ein schuldrechtlicher Vertrag, der die Verpflichtung zum späteren Abschluss eines Hauptvertrages begründet. Wie bei jedem anderen Vertrag muss der Inhalt des Vorvertrages hinreichend bestimmt oder bestimmbar sein. Darüber hinaus beinhaltet der Vorvertrag materielle Vertragsgestaltungspflichten, insbesondere die Pflicht zur Mitwirkung an der Überbrückung der dem Hauptvertrag entgegenstehenden Hindernisse.
In Ausnahmefällen kann auch der Letter of Intent und das Memorandum of Understanding bereits verbindliche Vereinbarungen haben, wenn die Auslegung einen Rechtsbindungswillen der Parteien ergibt. Dabei kann es sich um Vorfeldvereinbarungen („instruction to proceed“) handeln, in denen Modalitäten der Vertragsverhandlungen, etwa über die Kostentragung in Bezug auf Vorleistungen, über Informations- und Geheimhaltungspflichten oder Exklusivbindungen festgehalten sind. Schließlich kann auch bereits ein Vorvertrag oder sogar ein Hauptvertrag vorliegen. Die tatsächliche Verwendung des Begriffs „Letter of Intent“ ist vieldeutig, so dass der von den Beteiligten mit der Begriffsverwendung verfolgte Zweck durch Auslegung zu ermitteln ist.
Objektiver Empfängerhorizont
Bei der Abgrenzung einer reinen Absichtserklärung von einem rechtlich verbindlichen Vorvertrag ist maßgeblich, ob sich die Parteien rechtlich binden wollten. Die Bindungswirkung solcher Vereinbarungen ist grundsätzlich Frage juristischer Auslegung. Entscheidend ist nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB der objektive Empfängerhorizont (d. h. wenn aus Sicht des Empfängers eine Bindungswirkung des Absenders gewollt war). Anders als bei sonstigen vertraglichen Vereinbarungen geht die Rechtsprechung dabei aber nicht von der Vermutung der Vollständigkeit der vertraglichen Urkunde aus und berücksichtigt außerurkundliche Umstände nur dann, wenn sie in der Urkunde Anklang gefunden haben, sondern berücksichtigt bei derartigen vorvertraglichen Vereinbarungen stets die äußeren Begleitumstände. Bei der Beurteilung sind insbesondere die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung der Angelegenheit zu würdigen, sowie die Art, der Grund und Zweck der Vereinbarung und die Interessenlagen der Parteien.
Kann ein Bindungswille nicht eindeutig festgestellt werden, liegt grundsätzlich keine vertragliche Verpflichtung vor. Dies ergibt sich insbesondere aus der Regelung des § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB (offener Dissens). Danach soll im Zweifel der Vertrag nicht abgeschlossen sein, solange sich die Parteien nicht über alle Punkte geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll.
Nomination Letter in der Automotive Industrie
Die Besonderheiten der Automobilindustrie wirken sich auf die Vertragsstrukturen aus. Das Zustandekommen eines Vertrages kommt häufig nach einem bestimmten Grundmuster zustande. Zu beachten ist dabei, dass der Automobilhersteller stets ein großes Interesse an einer möglichst flexiblen Lieferung je nach Abnahmebedarf hat. Der Zulieferer hingegen will seine Produktionsmengen am besten weit in die Zukunft planen, um rechtzeitig die benötigten Rohstoffe und personelle Kapazitäten zu beschaffen.
Der erste Kontakt von Hersteller und Zulieferer erfolgt meist in Form einer unverbindlichen Anfrage des Herstellers, in welcher der Hersteller grundsätzlich Angaben zu den benötigten Teilen sowie dem durchschnittlichen und maximalen Bedarf macht. In Folge darauf kann der Zulieferer ein Angebot abgeben, welches in der Regel mangels hinreichender Bestimmtheit kein Vertragsangebot im Sinne des § 145 BGB darstellt, sondern lediglich eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (sog. invitatio ad offerendum). Entscheidet sich der Hersteller für diesen Zulieferer, erklärt der Hersteller seinem Zulieferer häufig im Rahmen eines Nomination Letters, dass er als Lieferant für ein Produkt „nominiert ist“. In dem Nomination Letter werden regelmäßig Qualitätsanforderungen und Termine für die Entwicklungsschritte festgelegt. Doch „nominiert“ heißt nicht gleich rechtsverbindlich „beauftragt“. Erst nach Abschluss der Entwicklungsarbeiten, wenn die Qualitätsanforderung erfüllt sind, wird der Lieferant regelmäßig mit der Serienfertigung und -belieferung beauftragt.
Bindungswirkung Nomination Letter
Ein sog. Nomination Letter kann ähnlich wie der Letter of Intent eine unverbindliche Absichtserklärung des Herstellers an seinen Zulieferer sein, vorvertragliche Regelungen treffen oder bereits einen verbindlichen Vorvertrag, Optionsvertrag oder Rahmenvertrag darstellen.
Von Teilen der Literatur wird der Nomination Letter im Zweifel als „eher unverbindlich“ gesehen. „Durch den Nomination Letter will sich der Hersteller meist noch nicht vertraglich binden; er will vielmehr seine Absichten bekunden, künftig mit dem Zulieferer zusammenarbeiten zu wollen“.
Ob der Nomination Letter rechtliche Bindungswirkung entfaltet hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Bei der Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB können diverse Indizien auf einen Rechtsbindungswillen hindeuten.
Erklärt der Versender im Rahmen des Nomination Letters, dass keine rechtliche Bindung gewollt ist, kann sein Rechtsbindungswille im Ganzen ausgeschlossen sein. Fehlt eine solche Erklärung bedarf es, wie bereits oben ausgeführt, der Auslegung des Dokuments.
Ein unterzeichnetes Vertragsdokument kann ein Indiz für den Rechtsbindungswillen der Parteien sein. Zwar kommt es bei der Auslegung einer Erklärung nicht auf deren Form oder Bezeichnung an, diese kann jedoch Rückschlüsse auf den Willen des Erklärenden zulassen.
Ein rechtsverbindlicher Vorvertrag setzt grundsätzlich voraus, dass sich die Parteien über alle wesentlichen Punkte geeinigt haben und der Inhalt des abzuschließenden Hauptvertrages zumindest bestimmbar ist. Enthält der Nomination Letter detaillierte Bestimmungen zum Lieferverhältnis, insbesondere Nebenpflichten, Vorfeldvereinbarungen, Exklusivitätsvereinbarungen sowie die Verteilung von Entwicklungskosten, liegt die Vermutung nahe, dass der Versender eine Bindung beabsichtigte. Teilt der Versender dem Lieferanten z. B. im Rahmen des Nomination Letters lediglich mit, dass dieser in Zukunft Aufträge erhalten wird, lässt dies in der Regel auf keinen Rechtsbindungswillen schließen.
Weiteres Indiz für einen Rechtsbindungswillen der Parteien könnte der Nichtabschluss eines gesonderten Rahmenvertrages sein. Fehlte ein nachfolgender Abschluss eines Rahmenvertrages, könnte dies darauf hindeuten, dass der Nomination Letter bereits rechtlich verbindlich sein soll. Auch eine Laufzeitvereinbarung im Rahmen eines Nomination Letters ergibt in der Regel nur Sinn, wenn sich der Verwender rechtlich binden wollte.
Eine hohe wirtschaftliche Belastung spricht grundsätzlich gegen eine beabsichtigte Bindungswirkung, denn die Parteien werden sich in der Regel nicht auf einseitige Erklärungen ohne ausdrückliche Zustimmung der jeweiligen Gegenseite verlassen.
Fazit
Bei der Abgabe einer vorvertraglichen Erklärung kommt es für die Beurteilung der rechtlichen Bindungswirkung maßgeblich auf den objektiven Empfängerhorizont an. Insbesondere beim sog. Nomination Letter, welcher vermehrt in der Automobilindustrie zum Einsatz kommt, vermag die Auslegung, ob es sich nur um eine bloße Absichtserklärung oder doch um einen rechtsverbindlichen Vorvertrag handelt, schwierig sein. Will der Automobilhersteller im Rahmen des Nomination Letters keine rechtsverbindliche Erklärung abgeben, ist es ratsam diese ausdrücklich im Dokument auszuschließen.
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