Seit der Europäische Gerichtshof (EuGH) vor drei Jahren eine Pflicht zur Einführung eines Systems zur Messung der täglich geleisteten Arbeitnehmerarbeitszeit in dem sogenannten „Stechuhr-Urteil“ (Urt. v. 14.05.2019, Az.: C-55/18) bestimmt hat, herrscht zum Teil noch immer Unsicherheit, inwieweit das Urteil sich auf bislang geltende Grundsätze zur Arbeitszeit im deutschen Recht auswirkt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich nun mit der Frage beschäftigt, wer Überstunden im Streitfalle zu beweisen hat – der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber? Bislang war die Darlegungs- und Beweislast im Prozess vom klagenden Arbeitnehmer zu tragen.
In dem vom BAG nun entschiedenen Fall stritt ein Auslieferungsfahrer mit seinem vormaligen Arbeitgeber, einem Einzelhandelsunternehmen, über die Abgeltung geleisteter Überstunden. Es ging um 5.222,67 EUR brutto. Der klagende Arbeitnehmer erfasste seine Arbeitszeit mittels technischer Zeitaufzeichnung, wobei nur Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, nicht jedoch die Pausenzeiten aufgezeichnet wurden. Deswegen behauptete der Kläger, er habe die gesamte aufgezeichnete Zeit gearbeitet. Es sei nicht möglich gewesen Pausen zu nehmen, da sonst die Auslieferungsaufträge nicht hätten abgearbeitet werden können.
In erster Instanz sah das Arbeitsgericht Emden (Urt. v. 9.11.2020, Az.: 2 Ca 399/18) zu Ungunsten des Arbeitgebers aufgrund des Stechuhr-Urteils eine Verpflichtung zur aktiven Messung, Aufzeichnung und Kontrolle der Arbeitszeiten der Arbeitnehmer. Kommen Arbeitgeber dieser Pflicht nicht in ausreichendem Maße nach – z.B. auch weil Pausenzeiten nicht erkennbar sind –, gehe dies im Überstundenprozess zu ihren Lasten, so das Arbeitsgericht.
Die Berufungsinstanz sah dies anders. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen (Urt. v. 6.5.2021, Az.: 5 Sa 1292/20) meint, dass das Stechuhr-Urteil des EuGH nach aktueller Rechtslage keinerlei Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast in einem Überstundenprozess habe.
Das BAG bestätigt in seinem aktuellen Urteil vom 4. Mai 2022 (Az. 5 AZR 359/21) die Entscheidung des LAG Niedersachsen und stellt zu Gunsten von Arbeitgebern klar, dass die bislang von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer und deren Veranlassung durch den Arbeitgeber durch das Stechuhr-Urteil nicht verändert werden. Die noch immer geltenden Grundsätze lauten wie folgt:
Unternehmen können nach dem für Arbeitgeber nachteiligen Urteil des Arbeitsgerichts Emden aufatmen. Nach der klaren Entscheidung des BAG bleibt alles beim Alten: Arbeitnehmer müssen auch künftig für die Vergütung von Überstunden deren Umfang nachweisen sowie die Anordnung und Billigung dieser durch den Arbeitgeber.
Kontakt
Goltsteinstraße 14 | 40211 Düsseldorf
Tel: +49 2 11 5 18 82-0 | Fax: +49 2 11 5 18 82-100
E-Mail: duesseldorf@hoffmannliebs.de
Partnerschaften
Informationen
© 2024 Hoffmann Liebs Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB
Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie unsere Website weiter besuchen können. Wenn Sie unter 16 Jahre alt sind und Ihre Zustimmung zu freiwilligen Diensten geben möchten, müssen Sie Ihre Erziehungsberechtigten um Erlaubnis bitten. Wir verwenden Cookies und andere Technologien auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell, während andere uns helfen, diese Website und Ihre Erfahrung zu verbessern. Personenbezogene Daten können verarbeitet werden (z. B. IP-Adressen), z. B. für personalisierte Anzeigen und Inhalte oder Anzeigen- und Inhaltsmessung. Weitere Informationen über die Verwendung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können Ihre Auswahl jederzeit unter Einstellungen widerrufen oder anpassen.
Wenn Sie unter 16 Jahre alt sind und Ihre Zustimmung zu freiwilligen Diensten geben möchten, müssen Sie Ihre Erziehungsberechtigten um Erlaubnis bitten. Wir verwenden Cookies und andere Technologien auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell, während andere uns helfen, diese Website und Ihre Erfahrung zu verbessern. Personenbezogene Daten können verarbeitet werden (z. B. IP-Adressen), z. B. für personalisierte Anzeigen und Inhalte oder Anzeigen- und Inhaltsmessung. Weitere Informationen über die Verwendung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung. Hier finden Sie eine Übersicht über alle verwendeten Cookies. Sie können Ihre Einwilligung zu ganzen Kategorien geben oder sich weitere Informationen anzeigen lassen und so nur bestimmte Cookies auswählen.