Zu Beginn des Jahres 2023 verkündete der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck, dass unser Energiesystem durch den stetigen Zuwachs erneuerbarer Energien klüger gemanagt, genauer: digitalisiert werden müsse. Denn trotz seit mehreren Jahren bestehenden Vorgaben hierzu, steht die praktische Umsetzung respektive die nachhaltige Durchführung entsprechender Maßnahmen noch weitgehend aus.
So waren im Jahr 2021 nach Angaben der Bundesnetzagentur erst ca. 13,6 Mio. Messlokationen mit einer modernen Messeinrichtung ausgestattet – ein zur Gesamtzahl von 50 Millionen Marktlokationen bundesweit nur geringfügiger Teil. Nun folgt also ein neuer Anlauf.
Am 20. April 2023 hat der Bundestag das „Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende“ beschlossen. Erklärtes Ziel dieses Gesetzes ist es, die Einführung intelligenter Systeme für die Messung und Steuerung des Energieverbrauchs (sog. Smart-Meter-Rollout) zu beschleunigen, Verfahren rund um den Rollout intelligenter Messsysteme zu entbürokratisieren und die Rechtssicherheit zu stärken.
Mit dem beschlossenen Gesetz wird unter anderem das Messstellenbetriebsgesetz geändert – konkret, indem nun ein gesetzlicher Rollout-Fahrplan mit verbindlichen Zielen und Zeitrahmen unmittelbar im Gesetz verankert wird. Die Rollout-Fristen orientieren sich dabei vorrangig am Zieljahr 2030. Bis zu diesem Jahr sollen grundsätzlich die erforderlichen digitalen Infrastrukturen für ein weitgehend klimaneutrales Energiesystem bereitgestellt werden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat dazu auf seiner Homepage eine Grafik „Überblick Gesetzlicher Smart Meter Rolloutfahrplan“ veröffentlicht:
Abb. 1: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2023), Überblick Gesetzlicher Smart Meter Rolloutfahrplan, abrufbar unter https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/S-T/230111_ueberblick-smart-meter-rollout.html (Zugriff: 22.05.2023).
Dieser Fahrplan legt fest, dass der grundzuständige Messstellenbetreiber zu festgelegten Zeitpunkten je nach Menge des Verbrauchs mindestens X Prozent aller auszustattenden Messstellen mit intelligenten Messsystemen auszustatten hat.
Erst bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass dieser Fahrplan für Jahresstromverbräuche unter 6.000 kWh – also gewöhnliche Haushalte – und für Kleinanlagenbetreiber mit einer installierten Leistung von 1 bis 7 kW lediglich „optionale“ Regelungen vorsieht. Das bedeutet, dass für diese Gruppen der Rollout unmittelbar ab Inkrafttreten dieses Gesetzes starten kann – aber gerade nicht muss. Diese Personen können die vorzeitige Ausstattung von Messstellen mit einem intelligenten Messsystem dabei innerhalb von vier Monaten ab Beauftragung verlangen. Messstellenbetreiber können dem Anspruchsteller die Bereitstellung nur so lange und insoweit verweigern, wie sie nachvollziehbar begründen können, warum die Bereitstellung aus technischen Gründen nicht möglich ist oder die Messstellenbetreiber von der Erbringung der Leistung befreit sind.
Ab 2025 ist der Einbau von intelligenten Messsystemen im vollen gesetzlichen Mindestumfang verpflichtend für Haushalte mit einem Jahresstromverbrauch von über 6.000 kWh oder einer Photovoltaik-Anlage mit mehr als 7 kW installierter Leistung. Für Verbraucherinnen und Verbraucher mit einem Jahresstromverbrauch über 100.000 kWh bzw. Erzeugungsanlagen mit einer installierten Leistung über 100 kW wird eine längere Übergangsfrist zugestanden. Bei diesen ist der Einbau erst ab 2028 verpflichtend.
Smart Meter sind intelligente Messsysteme, welche aus einem digitalen Stromzähler und einer Kommunikationseinheit („Smart-Meter-Gateway“) bestehen. Das Smart-Meter-Gateway dient dabei der Kommunikation zwischen den Stromverbraucherinnen und -verbrauchern respektive den Stromerzeugerinnen und -erzeugern mit den Betreibern der Stromnetze und den Energielieferanten.
Dabei können zertifizierte Geräte, auch wenn bei diesen noch nicht alle nach den Neuregelungen vorgesehenen Funktionen freigeschaltet sind, sofort eingebaut werden; die weiteren Funktionen können später durch Updates installiert werden (sog. Agiler Rollout). Dieser agile Rollout ist dabei jedoch nur verbrauchsseitig bis zu einem Jahresverbrauch von 100.000 kWh, erzeugerseitig bis zu 25 kW installierter Leistung möglich. Die Anwendungsupdates müssen dabei spätestens ab 2025 zur Verfügung stehen.
Über geeignete Schnittstellen können auch mehrere Verbraucherinnen und Verbraucher bzw. Ladeeinrichtungen über das Smart-Meter-Gateway gebündelt werden und selbständig am Markt agieren (sog. 1:n-Metering). Das hat den positiven Nebeneffekt, dass – ganz im Sinne der Nachhaltigkeit – weniger Geräte verbaut werden müssen.
Auch in Zeiten schwankender Stromproduktion zahlen die meisten Stromkundinnen und -kunden einen fixierten Strompreis. Dies soll durch dynamische Stromtarife intelligenter geregelt werden. Dadurch ist es möglich, Strom gerade dann zu beziehen, wenn er in kostengünstigeren Zeiten mit hoher Erneuerbare-Energien-Erzeugung zur Verfügung steht; der Strombezug soll also in kostengünstige Zeiten verlagert werden können.
Nach aktueller Gesetzeslage müssen lediglich Lieferanten, die mehr als 100.000 Verbraucherinnen und Vebraucher beliefern, dynamische Tarife anbieten. Das soll geändert werden: bis 2025 wird diese Schwelle auf 50.000 gesenkt und ab 2025 müssen alle Stromversorger verpflichtend dynamische Tarife anbieten.
Zuständig ist der grundzuständige Messstellenbetreiber. Dieser fungiert als umfassender technischer Dienstleister, der die Anweisungen steuerungsberechtigter Akteure entgegennimmt und diese an das Smart-Meter-Gateway bzw. an die technische Einrichtung weiterleitet oder weitervermittelt. Diese Aufgabe hat er aufgrund seiner Stellung als neutraler Dienstleister ohne eigenes wirtschaftliches oder netzbetriebliches Interesse an der Einwirkung auf den Steuerungsvorgang wahrzunehmen. Dadurch bietet er die Gewähr für eine unabhängige Wahrnehmung dieser Aufgabe.
Zu den Standardleistungen eines grundzuständigen Messstellenbetreibers gehören insbesondere der Einbau, der Betrieb und die Wartung von beauftragten technischen Einrichtungen einschließlich notwendigen Steuerungseinrichtungen. Dabei ist der grundzuständige Messstellenbetreiber verpflichtet, Standardleistungen bezüglich der Ausstattung mit modernen Messeinrichtungen spätestens innerhalb eines Monats nach Auftragseingang zu erbringen. Hat der grundzuständige Messstellenbetreiber sechs Wochen nach Zugang des Auftragseingangs die erforderlichen Arbeiten nicht oder nicht vollständig vorgenommen, ist der Anschlussnehmer zur Durchführung durch einen fachkundigen Dritten auf eigene Kosten (Selbstvornahme) berechtigt. Die Selbstvornahme ändert allerdings nichts an der bestehenden Zuständigkeit des grundzuständigen Messstellenbetreibers für den Betrieb der Messstelle und an seinem Recht zum Einbau und Betrieb von Messeinrichtungen seiner Wahl. Auch wird der Auftraggeber der Selbstvornahme verpflichtet, dem grundzuständigen Messstellenbetreiber alle erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, damit dieser seine gesetzlichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllen kann.
Zum Messstellenbetrieb gehören neben den Standardleistungen auch Zusatzleistungen, welche neben Standardleistungen in einem erhöhten Aufwand resultieren können. Relevant können dabei etwa Aufwände für eine zusätzliche Datenverarbeitung, aber auch für gesonderte Anfahrten und/oder weiterführende administrative Tätigkeiten sein. Eine solche Zusatzleistung stellt beispielsweise die vorzeitige Ausstattung von Messstellen mit einem intelligenten Messsystem dar. Diese vorzeitige Ausstattung – d. h. eine Ausstattung vor dem durch den Messstellenbetreiber vorgesehenen Zeitpunkt – hat durch den grundzuständigen Messstellenbetreiber innerhalb von vier Monaten ab Beauftragung zu erfolgen. Der grundzuständige Messstellenbetreiber darf für diese Zusatzleistung ein zusätzliches angemessenes Entgelt erheben.
Grundzuständige Messstellenbetreiber haben für die Erfüllung ihrer Aufgaben ein Entgelt festzulegen. Der Messstellenbetreiber ist dabei in keinem Fall berechtigt, für die Erbringung der Standardleistungen und für die Erbringung von Zusatzleistungen mehr als die jeweils künftig geltenden Höchstentgelte vom jeweiligen Entgeltschuldner zu verlangen.
Die neuen Preisobergrenzen, welche sich innerhalb einer Einbaufallgruppe der Höhe nach unterscheiden, stellen für Anschlussnutzer und Anlagenbetreiber eine erhebliche Senkung der direkten Kosten (Messentgelte) dar. Ein signifikanter Teil der Mehrkosten für das intelligente Messsystem soll nunmehr – statt von den Endkundinnen und Endkunden – von den Netzbetreibern des jeweiligen Anschlusses, in den meisten Fällen also dem Verteilernetzbetreiber, getragen werden.
Nach der bisherigen Gesetzeslage konnten der Verbrauchergruppe mit einem Jahresstromverbrauch über 4.000 bis einschließlich 6.000 kWh ab 2020 für den Messstellenbetrieb nicht mehr als 60 EUR brutto jährlich in Rechnung gestellt werden.
Mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes ergibt sich jedoch eine Änderung, wonach für den Messstellenbetrieb der Verbrauchsgruppe mit einem Jahresstromverbrauch über 3.000 bis einschließlich 6.000 kWh insgesamt brutto jährlich zwar auch nicht mehr als 60 EUR in Rechnung gestellt werden dürfen – von diesem Betrag gleichwohl nicht mehr als 40 EUR brutto jährlich dem Anschlussnetzbetreiber sowie nicht mehr als 20 EUR brutto jährlich dem Anschlussnutzer in Rechnung gestellt werden dürfen.
Die festgelegten Preisobergrenzen gelten nur so lange, bis das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz eine abweichende Regelung durch Rechtsverordnung erlässt. Hinsichtlich zukünftiger Erhöhungen von zugunsten des Anschlussnutzers geltenden Preisobergrenzen wird im Hinblick auf den Verbraucherschutz festgelegt, dass eine solche höchstens alle vier Jahre zulässig ist.
Im Ergebnis des aktuellen Gesetzgebungsverfahrens steht ein indifferentes Stimmungsbild gleichermaßen bei Expertinnen und Experten als auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern. So wurde von entsprechend fachkundigen Branchenvertretern unter anderem mit Verweis auf Datenschutzbedenken angemerkt, dass die Nutzungsaufzeichnung von Privathaushalten detaillierte Schlüsse über Personen und Lebensstile zulasse, die in diesem Umfang nicht nötig seien. Dabei wird auch auf die schweizerische Lösung verwiesen, wo die Daten der Verbraucherinnen und Verbrauchern zunächst in den Liegenschaften verbleiben und von den Messstellenbetreibern anlassbezogen abgeholt werden würden. Daneben wurde auch die Sorge geäußert, dass die etwa 900 grundzuständigen Messstellenbetreiber weder organisatorisch noch fachlich dafür aufgestellt seien, einen Großteil der digitalen Kommunikation aller Erneuerbare-Energien-Anlagen im Land abzuwickeln.
Dies zeigt einmal mehr auf, dass bei der Digitalisierung immer auch Aspekte der IT-Sicherheit und des Datenschutzes sowie die notwendige Infrastruktur sichergestellt werden müssen. Einen Ausdruck findet dieses Erfordernis im geplanten Gesetzentwurf unter anderem in dezidierten Regelungen zur Speicherung von Daten: für Netzbelange ist eine Speicherfrist von einem Jahr, beginnend zum Jahresende, und für Abrechnungszwecke eine Frist von drei Jahren vorgesehen.
Eine abschließende Beurteilung, ob es sich bei den geplanten Änderungen um eine veritable Chance zugunsten des technischen Fortschrittes handelt oder nicht doch die eventuellen Risiken überwiegen, wird letztlich erst nach Umsetzung und Anwendung der neuen Regelungen möglich sein. Ungleich klarer erscheint jedoch, dass ein grundsätzlicher Vorstoß in Richtung der in Deutschland längst überfälligen Digitalisierung wohl ohne Zweifel erforderlich und demzufolge auch begrüßenswert ist.
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