Am 29.06.2023 ist die neue Verordnung (EU) 2023/1115 über entwaldungsfreie Lieferketten in Kraft getreten. Sie besagt, dass ab Anfang 2025 bestimmte Produkte (sog. relevante Erzeugnisse) ebenso wie bestimmte Rohstoffe (sog. relevante Rohstoffe) nur noch dann legal in Europa vertrieben oder aus der EU ausgeführt werden dürfen, wenn sie entwaldungsfrei hergestellt und dabei die Gesetze des Erzeugerlandes eingehalten wurden.
Von dieser Regelung betroffene Unternehmen müssen also spätestens bis zum 30.12.2024 ihre Product Compliance-Systeme so ausrichten, dass die Entwaldungsfreiheit ihrer Produkte über die gesamte Lieferkette hinweg gewährleistet ist.
– Dritter Beitrag der Blogreihe „Product Compliance Essentials“ mit Christian Thomas –
Die EU-Verordnung gilt für relevanten Erzeugnisse beziehungsweise Produkte, die in Anhang I aufgeführt und durch Zolltarifnummern konkretisiert sind, sofern diese sog. relevante Rohstoffe enthalten oder unter Verwendung dieser Rohstoffe hergestellt oder mit diesen Rohstoffen gefüttert wurden. Diese Rohstoffe sind: Rind, Kakao, Kaffee, Ölpalme, Kautschuk, Soja und Holz.
Unternehmen, die relevante Erzeugnisse oder Rohstoffe innerhalb der EU in den Verkehr bringen oder aus der EU ausführen, gelten als „Marktteilnehmer“, für die grundsätzlich das volle Pflichtenprogramm der Verordnung greift. Daneben sind auch die „Händler“, die relevante Erzeugnisse auf dem Markt bereitstellen, verpflichtet; wenn auch im Vergleich zu den Marktteilnehmern im reduzierten Umfang. Allein für kleine und mittelgroße Händler im Sinne der Richtlinie 2013/34/EU (KMU-Händler, Bilanzsumme bis EUR 20 Mio.; bis 250 Beschäftigte) bestehen Erleichterungen. Dieser produkt- und nicht personenbezogene Ansatz ist ein wesentlicher Unterschied zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), welches erst Unternehmen ab einer bestimmten Arbeitnehmerstärke zur strikten Einhaltung konkreter Vorgaben verpflichtet.
Im Gegensatz zum LkSG resultieren aus der EU-Verordnung nicht nur Sorgfaltspflichten, sondern rechtliche Verbote. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass Erzeugnisse, die unter Verstoß gegen die Vorgaben der VO (EU) 2023/1115 hergestellt werden, sind in der EU nicht verkehrsfähig. Die zentrale Verbotsnorm der Verordnung ist Art. 3. Dieser enthält drei Voraussetzungen, die allesamt erfüllt sein müssen, damit die Produkte verkehrsfähig sind.
Um die Einhaltung dieser Anforderungen sicherzustellen, fordert die EU-Entwaldungsverordnung von allen Marktteilnehmern, proaktiv zu ermitteln und zu dokumentieren, dass das Risiko eines Verstoßes gegen die Verordnung für die von ihnen hergestellten bzw. in Verkehr gebrachten relevanten Produkte nicht besteht bzw. zumindest vernachlässigbar ist. Es liegt damit an den Unternehmen selbst, die durch ihr Lieferkettenmanagement die Entwaldungsfreiheit und die Einhaltung der lokalen Vorschriften sicherzustellen. Dafür sind die folgenden drei Sorgfaltspflichten zu befolgen, zu dokumentieren und jährlich zu überprüfen:
In Summe ist es also erforderlich, regelmäßig Informationen über das Produkt, das Erzeugerland, die konkreten Erzeugungsflächen und die gesamte Lieferkette zu sammeln. Welche Anforderungen dabei im Detail bestehen, wird maßgeblich durch das sog. Länder-Benchmarking-System beeinflusst. Die Europäische Kommission stuft bis zum 30.12.2024 Länder in bestimmte Risikokategorien ein. Je nach Risikostufe werden leichtere oder strengere Anforderungen an die von den Marktteilnehmern durchzuführende Risikobewertung gestellt
Im Gegensatz zum Lieferkettensorgfaltsgesetz ergibt sich unmittelbar aus der EU-Verordnung ein hartes Verkehrsverbot für relevante Erzeugnisse, bei denen nicht nachgewiesen werden kann, dass sie ohne Abholzung und ohne Waldschädigung erzeugt wurden. Um es also deutlich festzuhalten: Wird z.B. ein relevantes Erzeugnis aus relevanten Rohstoffen, die ihren Ursprung an unterschiedlichen geologischen Orten haben, hergestellt, muss für alle diese Erzeugungsorte die Entwaldungsfreiheit positiv bestätigt werden. Informationsdefizite führen zwangsläufig zu einem Verkehrsverbot. Die nationalen Überwachungsbehörden können den Vertrieb nicht-konformer relevanter Erzeugnisse untersagen und zudem Korrekturmaßnahmen auf bereits ausgelieferte und im Feld beim Verbraucher befindliche Produkte anordnen. Aus Unternehmensperspektive drohen im Falle von Verstößen also erhebliche Eingriffe in die Durchführung von Absatzmaßnahmen.
Darüber hinaus drohen den betroffenen Marktteilnehmern bei Verstößen Bußgelder in Höhe von bis zu 4 % des erwirtschafteten Jahresumsatzes. Ein potenzieller Ausschluss von der öffentlichen Finanzierung und von Ausschreibungen von bis zu 12 Monaten tritt als weitere, ökonomisch einschneidende Sanktionsmaßnahme hinzu
Die neue EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten enthält umfangreiche Compliance-Vorgaben, die zahlreiche Unternehmen treffen. Eines besonderen Augenmerkes bedürfen daher die harten Verkehrsverbote sowie strenge Haftungsfolgen bei Verstößen. Insgesamt drohen vor diesem Hintergrund also deutlich schärfere Konsequenzen als nach dem LkSG. Gerade angesichts des engen Zeitrahmens bis zum Geltungsbeginn der maßgeblichen Pflichten ab 30.12.2024 sollten die zur Sicherstellung vollständiger Lieferketten-Compliance erforderlichen Schritte deshalb frühzeitig ergriffen und umgesetzt werden.
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