Kooperationsverträge – Rechtliche Aspekte und Fallstricke (Teil 2: Anforderungen des AGB-Rechts an Kooperationsverträge)

Teilnehmer einer Kooperation und deren Rechtsberater sind häufig der Meinung, dass der Kooperationsvorgang ein so hochindividuelles Geschehen ist, dass die Anwendung des AGB-Rechts schlichtweg ausgeschlossen sei und es sich bei Kooperationsverträgen stets um sogenannte „Individualverträge“ handeln müsse – mit der Folge, dass das AGB-Recht und die dazu ergangene Rechtsprechung keine Anwendung finden.

 

Dazu ist jedoch festzuhalten: Unabhängig von dem Umstand, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes „Individualverträge“ schlichtweg nicht gibt, sondern vielmehr Klausel für Klausel in einem Vertrag danach zu prüfen ist, ob es sich um eine standardisierte Vertragsklausel (mit der Folge der Anwendbarkeit des AGB-Rechts) handelt oder um eine individual im Sinne des § 305 I.3 BGB ausgehandelte Klausel, ist diese übereilte – und unter rechtlichen Gesichtspunkten überaus riskante – Auffassung schlichtweg falsch.

 

– Teil 2 der neuen Blogreihe von Christoph Schmitt

Für die Anwendung des AGB-Rechtes kommt es vielmehr ausschließlich darauf an, ob die einzelnen Klauseln des Kooperationsvertrages „ausgehandelt“ im Sinne des § 05 I.3 BGB sind. Dabei herrscht bei den Kooperationspartnern und deren Beratern häufig das Fehlverständnis, dass ein Verhandeln über einzelne Klauseln des Kooperationsvertrages dieses „Aushandeln“ gerade darstelle. Dies ist allerdings rechtlich gesehen nicht der Fall.

 

„Ausgehandelt“ ist eine Vertragsklausel nämlich nur dann, wenn diese kumulativ (i) gegenüber dem Vertragspartner ernsthaft zur Disposition gestellt wurde und dem Vertragspartner des Kooperationsvertrages die reale Gestaltungsmacht eingeräumt wurde, den Kernbereich der Klausel zu verändern und (ii) tatsächlich über die Klausel verhandelt wurde sowie (iii) jedenfalls bei etwas komplexeren oder risikoreichen Klauseln der Klauselverwender nachweisen kann, dass der Andere Risiken und Tragweite der Klausel erkannt hat und diese für sachgerecht hält oder er die andere Partei über Risiken und Tragweite der Klausel belehrt hat. Dass diese strikten Anforderungen bei Kooperationensbegehren ebenso wenig zu erfüllen sein dürften wie auch im übrigen Wirtschaftsverkehr, mag zwar eine missliche Konstruktion des Gesetzgebers sein, hilft dem Klauselverwender in der Praxis jedoch nicht weiter.

 

Was ist zu tun?

 

Die Kooperationspartner sollten auch darauf achten, dass nach der Rechtsprechung schon inoffiziell von dem Vorliegen standardisierter und für den vielfältigen Einsatz vorgesehener Vertragsklauseln ausgegangen wird, wenn es sich um ein gedrucktes und vervielfältigtes Klauselwerk handelt, welches die Interessen seines Verwenders (desjenigen Kooperationspartners, der den Entwurf gefertigt hat) handelt.

 

Das bedeutet auch, dass es nicht einmal der allgemein gebräuchlichen Verwendung von Mustertexten im Bereich von Kooperationsverträgen bedarf, um die Anwendbarkeit des AGB-Rechts auszulösen. Vielmehr kann das AGB-Recht schon bedeutend früher – und oftmals zur Überraschung der Vertragsbeteiligten – eingreifen.

 

Ist das AGB-Recht aber auf dem Kooperationsvertrag und seinen Klauseln ganz oder teilweise anwendbar, haben diese im nächsten Schritt verschiedene rechtliche Bedingungen einzuhalten, um überhaupt Vertragsbestandteil zu werden oder rechtswirksam zu sein.

 

So dürfen die Vertragsklauseln zunächst nicht überraschend im Sinne des § 305c I BGB sein, da überraschende Vertragsklauseln nicht Vertragsbestandteil werden, auch wenn sie Teil der Vertragsurkunde sind. Konkret bedeutet dies, dass sich die Vertragsklauseln nicht allzu weit von dem entfernen dürfen, was bei einem Kooperationsvertrag nach dem gewählten Modell (Lieferkooperation/Marketingkooperation/Vertriebskooperation et cetera) als üblich anzusehen ist. Darüber hinaus müssen die Klauseln so ausgestaltet sein, dass sich der andere Kooperationspartner diese nach der konkreten Verhandlungssituation noch als Vertragsinhalt vorstellen kann. Stets überraschend sind daher solche Klauseln, die für das gewählte Vertragsmodell unüblich sind und bei denen der Vertragspartner im Rahmen der Vertragsverhandlungen diese ausdrücklich abgelehnt hat.

 

Rechtsunwirksam sind die Klauseln eines Kooperationsvertrages auch dann, wenn sie gegen das AGB-rechtliche Transparenzgebot des § 307 I.2 BGB verstoßen. Konkret bedeutet dies, dass die Klauseln so gefasst sein müssen, dass der durchschnittliche Vertragspartner Risiken und Tragweite der Klausel sowie etwaige daraus hervorgehende wirtschaftliche Belastungen erkennen können muss. Zudem führen regelmäßig gerade solche Klauseln, die vermeidbare Unklarheiten enthalten (z. B. durch die nicht definierte Verwendung von Begriffen wie „grundsätzlich, zumutbar, in der Regel“ etc.) dazu, dass die Vertragsklauseln als Ganzes unwirksam sind.

 

Ist das AGB-Recht auf den Kooperationsvertrag oder einzelner Klauseln anwendbar, dürfen die Klauseln darüber hinaus keine unangemessenen Benachteiligungen des Vertragspartners im Sinne des § 307 BGB darstellen, da es sie ansonsten ebenfalls rechtsunwirksam sind. Zwar ist die Unangemessenheit nach der Rechtsprechung klauselindividuell zu entscheiden, liegt aber regelmäßig dann vor, wenn ein Vertragspartner seine Interessen im Rahmen des Kooperationsvertrages durch einseitige Regelungen durchzusetzen versucht, ohne einen angemessenen Nachteilsausgleich für den anderen Kooperationspartner im Kooperationsvertrag vorzusehen. Als Beispiele lassen sich hier die Überwälzung einer verschuldensunabhängigen Haftung auf die Kooperationspartner oder im Rahmen von Lieferkooperationen eine einseitige Lieferverpflichtungen ohne Abnahmeverpflichtung des anderen Kooperationspartners ohne anderen Nachteilsausgleich – z. B. im Rahmen einer Produktionsvorhaltevergütung – heranziehen.

 

 

Fazit

 

Entgegen der landläufigen Vorstellungen unterliegen Kooperationsverträge in der Praxis sehr häufig dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Recht) der §§ 305–310 BGB sowie der hierzu ergangenen, mittlerweile sehr umfangreichen Rechtsprechung. Kooperationspartner sind daher in der Gestaltung des Kooperationsvertrages gut beraten, die AGB-rechtlichen Anforderungen des jeweiligen Vertragstyps – der Kerninhalt des Kooperationsvertrages ist – zu reflektieren und berücksichtigen. Zur rechtssicheren Gestaltung von Kooperationsverträgen – gerade solchen mit weitreichenden ökonomischen Folgen – kann es auch hilfreich sein, einen AGB-Rechtsexperten hinzuzuziehen. Sonst geschieht im juristischen Bereich das, was auch im wahren Leben geschieht: Der mühsamen Suche nach dem „einen richtigen“ Kooperationspartners zum Trotze steht man hinterher rechtlich mit leeren Händen oder, schlimmer noch, einem erheblichen Schaden da.

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