Gestern, am 05.10.2021, ist die „Verordnung zur Umsetzung der Vorgaben zu Fernwärme und Fernkälte in der Richtlinie (EU) 2018/2002 sowie in der Richtlinie (EU) 2018/2001“ vom 28.09.2021 in Kraft getreten und mit ihr umfangreiche Änderungen für den Bereich der Fernwärme- und Fernkälteversorgung.
Die Verordnung beinhaltet zwei Rechtsakte: Zum einen regelt die „Verordnung über die Verbrauchserfassung und Abrechnung bei der Versorgung mit Fernwärme oder Fernkälte (Fernwärme- oder Fernkälte-Verbrauchserfassungs- und -Abrechnungsverordnung – ‚FFVAV‘)“ Vorgaben für die Messung und Abrechnung des Verbrauchs von Fernwärme und Fernkälte durch ein Versorgungsunternehmen. Zum anderen wird die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme („AVBFernwärmeV“) zum Teil tiefgreifend geändert.
Die FFVAV setzt im Wesentlichen Vorgaben der Energieeffizienzrichtlinie 2018/2002/EU („EED“) um, die auf eine Umstellung der Messtechnologie für eine Sensibilisierung der Kunden mittels verbesserter Informationen über ihren tatsächlichen Energieverbrauch abzielt. Dies soll einen Beitrag zu den Energieeffizienzzielen der EU für das Jahr 2030 leisten. Daher müssen Versorgungsunternehmen jetzt auch im Bereich Fernwärme/Fernkälte Messeinrichtungen verwenden, die nicht nur den mess- und eichrechtlichen Vorschriften entsprechen, sondern darüber hinaus den tatsächlichen Fernwärme- oder Fernkälteverbrauch des Kunden präzise widerspiegeln. Ausnahmsweise darf die Verbrauchserfassung auf einer Schätzung beruhen, wenn der tatsächliche Verbrauch für einen bestimmten Zeitraum nicht zu ermitteln ist.
Darüber hinaus müssen künftig verbaute Messeinrichtungen – ohne eine weitere Übergangsfrist – fernauslesbar sein, das heißt, ohne Zugang zu einzelnen Nutzeinheiten abgelesen werden können. Bereits verbaute Messeinrichtungen müssen bis zum 31. Dezember 2026 entsprechend nachgerüstet werden. Versorgungsunternehmen bleibt es unbenommen, die Kosten für die Installation fernauslesbarer Zähler bzw. die Kosten einer entsprechenden Nachrüstung auf die Kunden umzulegen. Das Versorgungsunternehmen muss dem Kunden die Kosten allerdings unter Berücksichtigung möglicherweise zu erzielender Einsparungen verständlich darlegen.
Schließlich enthält die FFVAV noch Regelungen zu Form, Abrechnungsintervall (min. einmal jährlich) sowie Inhalt und Transparenz der Abrechnungen. Bereits ab nächstem Jahr sollen den Kunden Abrechnungs- und Verbrauchsinformationen einmal im Monat zur Verfügung gestellt werden. Dies alles dürfte Versorgungsunternehmen vor große logistische und organisatorische Herausforderungen stellen.
Noch grundlegender mögen die Änderungen der AVBFernwärmeV sein. Die noch aus dem Jahr 1980 stammende Verordnung ist bisher insgesamt erst dreimal geändert bzw. ergänzt worden. Die nunmehr vorgenommenen Änderungen sind dabei wohl am tiefgreifendsten. Zu nennen ist hier zuvorderst, dass Versorgungsunternehmen bei Einhaltung bestimmter Fristen ihren Kunden einmal jährlich die Möglichkeit einräumen müssen, die vereinbarte Leistung ohne Nachweise anzupassen, sofern sich die Leistung nicht um mehr als 50 Prozent reduziert. Der Kunde soll aber auch die Möglichkeit haben, die vereinbarte Leistung um mehr als 50 Prozent zu reduzieren, oder den Versorgungsvertrag gar mit einer zweimonatigen Frist zu kündigen, sofern er die Leistung durch den Einsatz erneuerbarer Energien ersetzen will und belegt, dass erneuerbare Energien eingesetzt werden „sollen“. Zuvor war der Kunde lediglich berechtigt, eine Vertragsanpassung zu verlangen, soweit er den Wärmebedarf unter Nutzung regenerativer Energiequellen decken wollte. Die Neuregelung dürfte die Preiskalkulation von Versorgungsunternehmen, die für die Amortisierung ihrer nicht unerheblichen Investitionskosten der Versorgungsanlagen zumeist eine Vertragslaufzeit von zehn Jahren oder sogar mehr zugrunde legen, stark erschweren. Darüber hinaus ist völlig unklar, welche Anforderungen an den Nachweis eines „geplanten“ Einsatzes erneuerbarer Energien zu stellen sind.
Eine zweite Änderung der AVBFernwärmeV adressiert eine bis dato offene Rechtsfrage. Und zwar waren Fernwärmeversorgungsunternehmen teilweise dazu übergegangen, den im Wärmeliefervertrag vereinbarten Preisanpassungsmechanismus auf § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV a.F. gestützt durch öffentliche Bekanntgabe einseitig anzupassen. Hiervon abzugrenzen sind Preisänderungen, die nur die vereinbarte Preisänderungsformel vollziehen. Solche Änderungen des Preises durch das Versorgungsunternehmen sind nach den jeweiligen Vorgaben des Wärmeliefervertrages – auch weiterhin – ohne weiteres möglich. Vertragsänderungen sind hingegen grundsätzlich nur durch übereinstimmende Willenserklärungen wirksam. In der Rechtsliteratur und teilweise in der Rechtsprechung wurde allerdings vertreten, dass die Veröffentlichung im Massenkundengeschäft das Erfordernis einer Einigung ersetzen könne und somit eine einseitige Änderung durch das Versorgungsunternehmen möglich sei. Der Bundesgerichthof hatte sich hierzu bisher nicht eindeutig positioniert. Auf Hinwirken des Bundesrates ist in § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV jetzt der Zusatz ergänzt worden, dass die Änderung einer Preisänderungsklausel nicht einseitig durch öffentliche Bekanntgabe erfolgen darf. Künftig wird man Preisänderungsklauseln also (wieder) nur durch übereinstimmende Willenserklärungen ändern dürfen. Das bedeutet im Massenkundengeschäft: durch persönliches Anschreiben und Zustimmung bzw. Nichtwidersprechen. Die Konsequenz hieraus dürfte allerdings sein, dass sich Versorger ein Anpassungsrecht im Wärmeliefervertrag vorbehalten müssen.
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