Fehler bei der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 8: LOI und MoU – Die vorvertragliche Falle
Oft steht im B2B Verkehr das unstillbare Bedürfnis, im Vorfeld der endgültigen Einigung der Vertragsparteien vorausgehend, etwas zu vereinbaren. Dies soll im Einzelfall grundsätzlich noch keinen bindenden Charakter für die Parteien haben.
Hierfür steht grundsätzlich das Instrument des Letter of Intent (LOI) oder das Memorandum of Understanding (MoU) zur Verfügung.
Während der echte Vorvertrag ein schuldrechtlicher Vertrag ist, der die Verpflichtung zum späteren Abschluss des eigentlichen Hauptvertrages herbeiführt, handelt es sich bei LOI und MoU rechtlich noch um unverbindliche Vereinbarungen. In jedem Fall aber können sie für die Auslegung des nachfolgenden, endgültigen Vertrages bedeutsam sein.
Da LOI und MoU grundsätzlich rechtlich unverbindlichen Charakter haben, lässt sich eine Begründung für ein Verschulden bei Vertragsschluss durch ein Abrücken von einer im LOI oder MoU enthaltenen Vereinbarung stets nur in Ausnahmefällen begründen. Allerdings kann auch der LOI und das MoU bereits verbindliche Vereinbarungen enthalten.
Im Gegensatz zu LOI und MoU setzt ein wirksamer Vorvertrag dabei voraus, dass die Parteien sich über die „essentialia negotii“, d.h. die wesentlichen Eckpunkte des Hauptvertrages bereits geeinigt haben und den Inhalt des Hauptvertrages zumindest bestimmbar ist.
Praxistipp:
Stets ist zu prüfen, ob tatsächlich schon eine rechtliche Bindung gewollt ist, oder ob nur im Sinne eines LOI oder MoU eine unverbindliche Erklärung vorliegen soll.
Entscheidend ist letztendlich, ob die Parteien eine echte Bindungswirkung angestrebt haben. Dabei kommt es nicht auf die Bezeichnung der vorvertraglichen Erklärungen an, da hier eine Falschbezeichnung nicht schadet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist vielmehr ausschließlich darauf abzustellen, ob aus dem „Empfängerhorizont“ der anderen Vertragspartei der jeweiligen Erklärung des Vertragspartners dem vorvertraglichen Papier bereits eine Bindungswirkung zukommt.
Anders als bei sonstigen vertraglichen Vereinbarungen geht die Rechtsprechung dabei aber nicht von der Vermutung der Vollständigkeit der vertraglichen Urkunde aus und berücksichtigt außerurkundliche Umstände nur dann, wenn sie in der Urkunde Anklang gefunden haben, sondern berücksichtigt bei derartigen vorvertraglichen Vereinbarungen, die äußeren Begleitumstände. Dies heißt insbesondere den Gang und den Inhalt der Verhandlungen der Parteien.
Praxistipp:
Bei der Gestaltung von LOI und MoU sind daher in jedem Fall die äußeren Begleitumstände der vorvertraglichen Verhandlungen zu berücksichtigen, um eine ungewollte Bindungswirkung zu vermeiden.
Die Parteien einer vorvertraglichen Erklärung in Form eines LOI/MoU müssen sich darüber im Klaren sein, dass die Ausgestaltung als verbindliche oder teilverbindliche Regelung nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont die Gefahr von Erfüllungs- bzw. Schadensersatzansprüchen aus der vertraglichen Vereinbarung selbst, aber auch aus den gesetzlichen Regelungen des § 311 Abs. 2 Nr. 1/ Nr. 2 in Verbindung mit § 280 BGB herbeiführt.
Praxistipp:
Vermeiden Sie die ungewollte Einbeziehung von rechtlichen Geschäftsgrundlagen.
Oft passiert es ungewollt, dass in vorvertraglichen LOIs oder MoUs rechtliche Geschäftsgrundlagen im Sinne des § 313 BGB einbezogen werden. Das kann zur Folge haben, dass bei Änderung dieser Geschäftsgrundlage der Vertrag angepasst werden muss oder aber bei Unzumutbarkeit ein Lösungsrecht vom Vertrag entsteht.
Praxistipp:
Wird ein Motiv oder ein Hintergrund der Zusammenarbeit oder eines Vorhabens in einem LOI/MoU beschrieben, soll eindeutig geklärt werden, ob es sich hierbei um eine rechtliche Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB handelt oder nicht.
Eine weitere Gefahr geht von Präambeln innerhalb von LOI/MU aus. Häufig werden hier „Selbstbeweihräucherungen“ der Parteien aufgenommen. Diese werden z.B. als Hersteller innovativer, marktführender Produkte beschrieben. Dies erhöht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes über die Regelung des § 276 BGB den Haftungsmaßstab für die sich so bezeichnende Partei. Wird sodann der LOI/MoU (wie so oft) nicht aufgehoben, kann dieser erhöhte Haftungsmaßstab auch in dem später geschlossenen Hauptvertrag hineinwirken.
Praxistipp:
Selbstbeweihräucherung in Präambeln sind in Verträgen, auch in LOI/MoU zu vermeiden, soweit man selber davon als Partei betroffen ist.
Zudem sollten sog. Gelegenheitsgesellschaften im Sinne des § 705ff BGB vermieden werden. Diese kommen häufig zum Tragen, weil in LOI/MoU die Parteien beschreiben, dass sie einen „gemeinsamen Zweck“ verfolgen. Die Verfolgung eines solchen gemeinsamen Zwecks ist aber das maßgebliche Gründungskriterium für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Sinne der § 705ff BGB. Die entsprechenden Rechtsfolgen sind allerdings häufig von den Parteien unerwünscht (z.B. gemeinsame Vertretung, gleicher Anteil am Erlös etc.).
Praxistipp:
Regeln Sie im LOI/MoU eindeutig, ob sie bei Beschreibung eines gemeinsamen Zwecks eine Gelegenheitsgesellschaft gründen wollen oder nicht!
Teil 8 unserer Blog-Reihe erscheint am 17.05.2019. Darin geht es um das Thema: Tipp zur Brexit-Vertragsgestaltung
Unsere Beitragsreihe „Fehler bei der Vertragsgestaltung vermeiden“ erscheint 14-tägig, immer Freitags.
Bisher erschienene Teile zum nachlesen:
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 1: Leistungsänderung
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 2 Haftungsausschlüsse und -begrenzungen
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 3 Vertragsstrafe
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 4 Schadenspauschalierung
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 5 Geheimhaltungsvereinbarung
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 6 AGB
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 7 Direktvertriebsrecht
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 8 LOI und MoU – Die vertragliche Falle
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