Fehler bei der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 1: Leistungsänderung
I. Ist ein Vorbehalt wegen der Änderung der Leistung zulässig?
Sowohl bei Verträgen zwischen Unternehmern und Verbrauchern als auch insbesondere im unternehmerischen Verkehr besteht das Bedürfnis, einen Vorbehalt wegen der Änderung der Leistung in einen Vertrag aufzunehmen.
Hintergrund ist, dass sich ein Unternehmer häufig vertraglich verpflichtet bestimmte Leistungen zu erbringen, deren Erfüllbarkeit von Vorleistungen Dritter abhängig ist, welche von diesen geändert werden können.
Deshalb bedarf es einer Vertragsgestaltung, die diesen Einfluss zu kompensieren vermag und die Durchführbarkeit des Vertrags weiter gewährleistet ohne hierbei den Vertragspartner in unzumutbarer Weise zu belasten.
Eine Vertragsklausel, welche unter bestimmten Umständen einseitig ein Abweichen von den vereinbarten Leistungen einräumt, ist nur in engen Grenzen zulässig.
In diesem Beitrag erläutern wir Ihnen, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen die Regelung eines Änderungsvorbehalts bei der Vertragsgestaltung wirksam vorgenommen werden kann und liefern Ihnen Praxistipps, die bei der Formulierung einer Leistungsänderungsklausel zu berücksichtigen sind.
II. Ist die Leistungsänderung für den Vertragspartner noch zumutbar?
Als zentrale Norm für die Beantwortung der Frage, ob die Regelung eines Vorbehalts wegen Leistungsänderung in AGB, die Sie gegenüber einem Verbraucher treffen, für diesen zumutbar ist, rückt § 308 Nr. 4 BGB in den Fokus.
Gemäß § 308 Nr. 4 BGB ist unwirksam:
„Die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist.“
Die Begrifflichkeit der Änderung der Leistung i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB meint eine andere Beschaffenheit oder Menge der versprochenen Leistung, wohingegen die Abweichung von der versprochenen Leistung eine andere Leistung überhaupt beschreibt. Da die Vorschrift beide Fälle gleich behandelt ist eine Abgrenzung der Tatbestände nicht notwendig und zentraler Gegenstand des Änderungsvorbehalts ist die Leistung des Verwenders.
§ 308 Nr. 4 BGB verwirklicht den Grundsatz: Verträge sind einzuhalten („pacta sunt servanda“). Einseitige Änderungsvorbehalte bedeuten insoweit einen Eingriff, weil sie ein nachträgliches Abweichen von den vereinbarten Vertragspflichten ermöglichen und damit in das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung (sog. Äquivalenz) eingreifen.
Im Rahmen des § 308 Nr. 4 BGB wird eine Interessenabwägung gefordert, anhand derer sich die Beurteilung bemisst, ob eine Leistungsänderungsklausel für den anderen Vertragsteil zumutbar ist.
Die Interessenabwägung zur Zumutbarkeit erfolgt unter den folgenden Gesichtspunkten:
Für den Vertragspartner hat die ordnungsgemäße Vertragserfüllung grundsätzlich Vorrang („pacta sunt servanda“). Dies gilt insbesondere für den Inhalt und Umfang der Hauptleistung. Er darf durch die Abänderung möglichst keine Nachteile erleiden.
Auf Seiten des Klauselverwenders muss ein anerkennungswürdiges Interesse bestehen, die versprochene Leistung ändern zu dürfen. Das kann jedenfalls nicht allein in seinem Profitinteresse liegen. Vielmehr dürfen die Umstände, die zur Leistungsänderung geführt haben, bei Vertragsschluss noch nicht vorhersehbar gewesen sein (sog. unternehmerisches Prognoserisiko), was häufig dann der Fall ist, wenn der Verwender selbst berechtigte Änderungen eines Herstellers oder Vorlieferanten hinnehmen muss.
Negativbeispiel:
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 16. Januar 2018 (Az.: X ZR 44/17) entschieden, dass die Klausel:
„Wenn die bestätigten Angebote oder Dienstleistungen nicht mehr vor der Abreise oder nach der Ankunft am Zielort möglich sind, behält S. sich das Recht vor, vergleichbare Angebote oder Dienstleistungen (zB Flug durch Hochgeschwindigkeitszug) zur Verfügung zu stellen“
gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam ist.
Die sprachlich unklar formulierte Voraussetzung, dass die Reiseleistung „nicht mehr vor der Abreise oder nach der Ankunft am Zielort möglich“ sein müsse, sei dahingehend zu verstehen, dass es genüge, dass die Reiseleistung vor oder nach Reiseantritt unmöglich wird. Dies schließe eine bereits vor Vertragsschluss eintretende und dem Reiseveranstalter bekannte Unmöglichkeit ein.
Aber auch bei der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB im Verkehr mit Unternehmern kommt der Rechtsgedanke von § 308 Nr. 4 BGB zum Tragen. Änderungsvorbehalte, die Sie gegenüber einem Unternehmer vereinbaren, sind nur zulässig, wo sie für Ihren Vertragspartner zumutbar sind.
Dies ist dann der Fall, soweit Mengen-, Gewichts- und Qualitätstoleranzen handelsüblich sind.
Unwirksam sind deshalb Regelungen, die dem Verwender das Recht einräumen, die Handelsspanne, Rabatte oder Boni abzuändern, ohne hierfür einen Ausgleich vorzusehen. Zweck der Anpassung darf nämlich nicht die einseitige Profitmaximierung sein.
Dagegen dürften Leistungsänderungen im Zusammenhang mit Dauerschuldverhältnissen zum Zweck der Anpassung an die sich ändernden Verhältnisse, im Rahmen des Angemessenen zulässig sein.
Auf jeden Fall unangemessen ist ein freies, an keine Voraussetzungen gebundenes Änderungsrecht des Verwenders.
III. Was ist bei der Klauselgestaltung zu beachten? – Praxistipps
Antizipieren Sie das Änderungspotential bereits bei Vertragsschluss und Klauselgestaltung
Vorüberlegungen:
· können überhaupt gewichtige Sachgründe für die Leistungsänderung in Hinblick auf den jeweiligen Vertragstyp bestehen?
· welche gewichtigen Sachgründe für die Leistungsänderung kommen in Frage?
· wird der Gesamtcharakter der Leistung gewahrt?
Formulieren Sie die Voraussetzungen und den Umfang des Leistungsbestimmungsrechts möglichst konkretisiert und kalkulierbar
Nicht ausreichend:
· ersatzloser Wegfall des Zumutbarkeitskriteriums (zB „jederzeit zur Änderung des Fahrplans berechtigt“)
· Absage der Dienstleistung (zB Unterrichtsstunden „aus sonstigen Gründen“)
· statt bestelltem Modell darf auch ein „Nachfolgemodell“ geliefert werden
Formulieren Sie einzelfall- und leistungsbezogen
IV. Fazit
Leistungsänderungen können in Verträgen wirksam als AGB Einklang finden. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund geboten, dass ein Unternehmer für die Erfüllbarkeit der Leistung gegenüber seinem Vertragspartner von Vorleistungen Dritter wie beispielsweise Herstellern und Vorlieferanten abhängig ist.
Die Regelung von pauschalen, an keine Voraussetzungen gebundenen Änderungsrechten des Verwenders, ist unwirksam. Bei der Klauselgestaltung müssen Sie deshalb sehr sorgfältig auf die Formulierung im Einzelfall achten. Es gilt, die gesetzlichen Anforderungen zu berücksichtigen, um eine wirksame Klausel in den Vertrag zu integrieren und sich dem Risiko einer Haftung und Abmahnung zu entziehen.
Der nächsten Beitrag unserer Blog-Reihe erscheint am 08.02.2019. Darin geht es um das Thema: Haftungssauschlüsse.
Unsere Beitragsreihe „Fehler bei der Vertragsgestaltung vermeiden“ erscheint 14-tägig, immer Freitags.
Bisher erschienene Teile zum nachlesen:
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 1: Leistungsänderung
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 2 Haftungsausschlüsse und -begrenzungen
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 3 Vertragsstrafe
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 4 Schadenspauschalierung
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 5 Geheimhaltungsvereinbarung
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 6 AGB
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