Rechtsprechungsänderung des BAG: Das Ende des Urlaubs vom Urlaub
BAG, Urteil vom 19. März 2019 – 9 AZR 315/17 (PM)
Immer mehr Arbeitnehmer wünschen sich ein Sabbatical, z.B. um mehr Zeit für sich und ihre Interessen oder eine längere Reise zu haben. Der Weg dorthin führt in der Regel über eine Vereinbarung von unbezahltem Sonderurlaub mit dem Arbeitgeber, da die Arbeitnehmer die Sicherheit des Jobs für den Lebensunterhalt nicht aufgeben und dem stressigen Alltag nur vorübergehend entfliehen möchten.
Das BAG hat jüngst ein für diesen Themenkomplex sehr bedeutsames Urteil gefällt und damit seine bisherige Rechtsprechung zugunsten der Arbeitgeberseite geändert. Bislang musste Arbeitnehmern auch für Zeiten eines Sabbaticals bezahlter (Erholungs-)Urlaub gewährt werden. Mit Urteil vom 6. Mai 2014 – 9 AZR 678/12 hatte das BAG entschieden, dass auch während eines ruhenden Arbeitsverhältnisses Urlaubsansprüche entstünden, so dass Arbeitgeber zwischenzeitlich gezwungen waren, sich (häufig kopfschüttelnd) an diese Rechtsprechung zu halten.
Bleibt ein Arbeitnehmer beispielsweise während des gesamten Jahres 2019 auf der Grundlage einer Vereinbarung über unbezahlten Sonderurlaub mit dem Arbeitgeber von der Arbeit fern, um eine Weltreise zu machen, erwarb er nach der bisherigen Rechtsprechung zumindest den vollen gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch von 20 Tagen bei einer Fünftagewoche. Er konnte somit praktisch den gesamten Januar 2020 bezahlten Urlaub nehmen, um Urlaub vom Urlaub zu machen.
Seit dem 19. März 2019 ist das nicht mehr möglich:
„Nach § 3 Abs. 1 BUrlG beläuft sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf 24 Werktage. Dies entspricht einem gesetzlichen Jahresurlaubsanspruch von 20 Tagen bei einer Fünftagewoche. Ist die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, muss die Anzahl der Urlaubstage unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus berechnet werden, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten“, so jetzt das BAG.
Weiter heißt es in der Pressemitteilung:
„Der Senat hat diese Umrechnung in Fällen des Sonderurlaubs bisher nicht vorgenommen. An dieser Rechtsprechung hält der Senat nicht fest. Befindet sich ein Arbeitnehmer im Urlaubsjahr ganz oder teilweise im unbezahlten Sonderurlaub, ist bei der Berechnung der Urlaubsdauer zu berücksichtigen, dass die Arbeitsvertragsparteien ihre Hauptleistungspflichten durch die Vereinbarung von Sonderurlaub vorübergehend ausgesetzt haben. Dies führt dazu, dass einem Arbeitnehmer für ein Kalenderjahr, in dem er sich durchgehend im unbezahlten Sonderurlaub befindet, mangels einer Arbeitspflicht kein Anspruch auf Erholungsurlaub zusteht.“
Bewertung
Die Rechtsprechungsänderung des BAG überzeugt. Es war aus Arbeitgebersicht nicht nachzuvollziehen, warum Mitarbeitern, deren Arbeitsverhältnis z.B. aufgrund eines Sabbaticals ruht, bezahlter Urlaub gewährt werden muss. Arbeitnehmer freuten sich über die „Großzügigkeit“.
Urlaub dient der Erholung der Mitarbeiter vom Arbeitsalltag. Erbringen Sie jedoch (auf eigenen Wunsch) aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung mit dem Arbeitgeber vorübergehend keine Arbeitsleistung, ist kein Grund ersichtlich, warum ihnen für diese Zeit zusätzlich Urlaub zur Erholung gewährt werden musste. Doch auch Arbeitnehmer sollten sich nicht zu sehr über die Rechtsprechungsänderung ärgern, denn aufgrund der damit verbundenen Kostenreduzierung für Arbeitgeber besteht die Möglichkeit, dass die Arbeitgeberseite der Vereinbarung von Sabbaticals zukünftig (noch) offener gegenüber steht.
Die neue Rechtsprechung des BAG dürfte neben der Vereinbarung eines Sabbaticals auch die Altersteilzeit im Blockmodell erfassen. Danach würde in der Passivphase der Altersteilzeit, in der die Arbeitspflicht des Mitarbeiters ruht, ebenfalls kein Urlaubsanspruch entstehen. So entschieden hat bereits das LAG Düsseldorf mit Urteil vom 13. Juli 2018 – 6 Sa 272/18. Im Revisionsverfahren (9 AZR 481/18) bekommt das BAG die Gelegenheit, auch diese Streitfrage zu klären und seine Rechtsprechung zum Nichtentstehen von Urlaubsansprüchen im ruhenden Arbeitsverhältnis zu festigen. Dies wäre wünschenswert.
Abzuwarten ist noch das vollständig begründete Urteil zu der bislang nur vorliegenden Pressemitteilung, aus dem sich ggf. noch weitere Erkenntnisse gewinnen lassen.
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