Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in seinem Urteil vom 2. November 2017 (Az.: 7 C 25.15 und 7 C 26.15) entschieden, dass in einem wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren für die Prüfung, ob die Verbesserung des Gewässerzustandes durch dessen Benutzung gefährdet wird, die tatsächliche Schadstoffbelastung maßgeblich ist. Es ist nicht ausreichend, allein auf eine Verringerung der Schadstoffeinleitung abzustellen.
Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) – zuletzt sorgte diese schon mit zahlreichen Klagen im Zusammenhang mit dem Abgasskandal für mediales Aufsehen – griff in dem gegenständlichen Verfahren die wasserrechtliche Erlaubnis an, durch die der Betreiberin eines Steinkohle- und Erdgaskraftwerks in Hanau (Main) die Entnahme von Kühl- und Spülwasser aus dem und die Einleitung von Abwasser in den Main zugelassen wurde.
Nach dem Ablauf einer zunächst bis Ende 2012 erteilten Erlaubnis wurde eine Interimserlaubnis bis Ende 2015 und daran anschließend eine weitere Erlaubnis bis Ende 2028 erteilt. Die DUH hielt diese (Verlängerung der ursprünglichen) Erlaubnis für rechtswidrig, weil vor deren Erteilung keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde. Konkret behauptete die Umwelthilfe Verstöße gegen die wasserrechtlichen Bewirtschaftungsziele sowie gegen die Verpflichtung zur schrittweisen Verringerung und Beendigung von Quecksilbereinträgen in Oberflächengewässer.
Wasserrechtliches Verbesserungsgebot
Ausgangspunkt der Bewertung ist das übergeordnete Ziel der europäischen Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG (WRRL), bis Ende 2015 einen „guten Zustand“ aller Oberflächengewässer der Europäischen Union zu erreichen. Dazu sollen die Qualität der Oberflächengewässer und des Grundwassers unter Förderung nachhaltiger Wassernutzung verbessert (Verbesserungsgebot) und die Verschlechterung des – insbesondere ökologischen sowie chemischen – Zustands vermieden werden (Verschlechterungsverbot).
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 1. Juli 2015 in dem Verfahren zur Weservertiefung auf die Vorlagefrage des BVerwG geantwortet, dass das Verschlechterungsverbot der WRRL auch für konkrete Vorhaben und Genehmigungsverfahren gilt und keine bloße programmatische Zielvorgabe für die Bewirtschaftungsplanung darstellt (Rs. C-461/13). Der EuGH bestimmt den Begriff der Verschlechterung streng formalistisch anhand der teilweise wenig trennscharfen Beschreibungen der Qualitätsstufen in Anhang V der WRRL. Darüber hinaus entfaltet auch das Verbesserungsgebot insoweit Wirkung, als konkrete Maßnahmen das Ziel eines guten Zustands der Oberflächenwasserkörper nicht gefährden dürfen.
Die zuständigen Behörden sind in jedem Verfahren verpflichtet, die Genehmigung eines konkreten Vorhabens zu versagen, wenn es eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers verursachen kann oder wenn es der Erreichung eines guten Zustands eines Oberflächengewässers zuwiderläuft. Die Entscheidung des EuGH hat in der Folge zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten über die Einhaltung der wasserrechtlichen Bewirtschaftungsziele aus Art. 4 WRRL im Rahmen konkreter Planungs- oder Genehmigungsverfahren geführt.
Tatsächliche Schadstoffbelastung relevant für Einhaltung des Verbesserungsgebots
Vorliegend hat die DUH die wasserrechtliche Erlaubnis der Anlagenbetreiberin zur Entnahme von Kühl- und Spülwasser sowie zur Einleitung von Abwasser in den Main angegriffen. Die Klagebefugnis des Umweltverbandes nach § 2 Abs. 1 UmwRG wird im Zusammenhang mit der Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis bereits bejaht, wenn streitig ist, ob es sich um ein Vorhaben nach der Anlage 1 Ziffern 13.1 bis 13.18 zum UVP-Gesetz handelt, für das eine Pflicht zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung besteht.
In der Vorinstanz hatte der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) die Klagen der DUH noch mit der Begründung abgewiesen, es habe aufgrund des immissionsschutzrechtlich bestandskräftig genehmigten Betriebs des Kraftwerks weder einer Umweltverträglichkeitsprüfung noch einer Öffentlichkeitsbeteiligung bedurft.
Für die wasserrechtliche Erlaubnis selbst bestehe generell keine UVP-Pflicht. Menge und Schädlichkeit des Abwassers, insbesondere im Hinblick auf die Quecksilberbelastung, seien in der gegenständlichen Erlaubnis so gering gehalten worden, wie dies nach dem Stand der Technik möglich und nach den einschlägigen Vorschriften erforderlich sei. Die genehmigte Quecksilberbelastung sei zudem geringer, als bei der vorangegangenen Erlaubnis. Durch Nebenbestimmungen werde hinreichend sichergestellt, dass es weder zu einer Verschlechterung des Gewässerzustandes komme noch eine Verbesserung verhindert werde.
Dieser Bewertung hat das BVerwG nun teilweise widersprochen und das Klageverfahren gegen die bis 2028 erteilte wasserrechtliche Erlaubnis an den VGH zurückverwiesen. Zwar bestätigte das BVerwG richtigerweise, dass es für die isolierte Neuerteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis im Anschluss an eine zuvor abgelaufene Erlaubnis für eine immissionsschutzrechtlich bestandskräftig genehmigte und unverändert betriebene Anlage keiner erneuten Umweltverträglichkeitsprüfung und auch keiner zusätzlichen Öffentlichkeitsbeteiligung bedarf. Auch habe der VGH eine Verschlechterung des Gewässerzustandes mit zutreffender Begründung verneint.
Allerdings dürfe bei der Prüfung, ob durch die erlaubte Gewässerbenutzung die anzustrebende Verbesserung des Gewässerzustandes gefährdet werde, nicht allein auf die (generelle) Reduzierung der Einleitermengen abgestellt werden. Nach Auffassung des BVerwG sei vielmehr die tatsächliche Schadstoffbelastung maßgeblich. Daher bedürfe es weiterer Feststellungen durch das Instanzgericht. Mit anderen Worten muss der VGH nun den tatsächlichen Schadstoffeintrag des Kraftwerks prüfen. Dabei ist zu klären, wie sich die Umweltbelastung des Mains durch quecksilberhaltige Abwässer konkret ermitteln lässt – und ob die Daten mit dem wasserrechtlichen Verbesserungsgebot in Einklang stehen.
Zukünftige Herausforderungen
Ausgehend von dieser Bewertung des BVerwG lässt sich mit Sicherheit vorhersagen, dass das wasserrechtliche Verbesserungsgebot die Gerichte auch weiterhin noch beschäftigen wird. Dabei ist eine stärkere Konturierung des konkreten Inhalts und Umfangs der Bewirtschaftungsziele erforderlich. Es bleibt zu hoffen, dass die damit befassten Gerichte die Reichweite insbesondere des Verbesserungsgebots durch ausgewogene, maßvolle Entscheidungen zukünftig nicht übermäßig ausweiten.
Betrachtet man das aktuelle Urteil des BVerwG im Zusammenhang mit seiner Entscheidung zur Elbvertiefung vom 9. Februar 2017 (Az.: 7 A 2.15), wird zunehmend deutlich, dass den Umweltverbänden durch die restriktive Auslegung der Bewirtschaftungsziele der WRRL ein ausgesprochen scharfes Schwert gereicht wurde, mit dem selbst der Betrieb bestandskräftig genehmigter Betriebe ernsthaft gefährdet werden kann.
Vor dem Hintergrund gestärkter Klagebefugnisse von Umweltverbänden und angesichts der offenbar von der DUH identifizierten Option, den begehrten Kohleausstieg mit wasserrechtlichen Argumenten voranzutreiben, werden mit Sicherheit weitere Entscheidungen folgen. Dabei sollten die Gerichte unbedingt darauf achten, dass das – berechtigte – Vertrauen der Anlagenbetreiber auf den Bestandsschutz ihrer genehmigten Anlagen nicht ausgehebelt wird.
Es mag durchaus kritisch hinterfragt werden, dass für die Erteilung (Verlängerung) einer wasserrechtlichen Erlaubnis selbst einerseits zwar keine förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung vorgesehen ist, andererseits aber die Umweltauswirkungen aufgrund der Anforderungen des wasserrechtlichen Verbesserungsgebots doch in gleicher Weise dezidiert geprüft werden müssen. Dies ist widersprüchlich und dem Wirtschafts- und Industriestandort Deutschland abträglich.
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