Der Designschutz ist eine der zentralen Säulen des gewerblichen Rechtsschutzes in Europa. Unternehmen und Kreative können die äußere Gestaltung neuer und einzigartiger Produkte sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene schützen lassen. Zum 8. Dezember 2024 ist nun eine umfassende Reform des europäischen Designrechts in Kraft getreten. Mit der neuen Unionsgeschmacksmuster-Verordnung (Verordnung (EU) 2024/2822) (nachfolgend „UDV“) und der Design-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2024/2823) (nachfolgend „Design-RiLi“) soll das Schutzsystem für Designs modernisiert, Verfahren effizienter gestaltet und der rechtliche Rahmen an die Anforderungen des digitalen Zeitalters angepasst werden.
Eine der überfälligsten Änderungen der Reform betrifft die Terminologie: Der bisher verwendete und stark veraltete Begriff „Gemeinschaftsgeschmacksmuster“ wird durch das „Unionsdesign“ ersetzt. Allerdings bleibt die Umsetzung inkonsequent, da in der Verordnung weiterhin der veraltete Begriff „Geschmacksmuster“ auftaucht.
Welche weiteren wichtigen Neuerungen bringt die Reform mit sich? Im Folgenden werfen wir einen genaueren Blick auf die zentralen Änderungen.
Eine der wesentlichen Neuerungen ist die Erweiterung des Schutzbereichs von Designs. Dabei sollten insbesondere im Zuge der Digitalisierung hinzugetretene neue Erscheinungsformen erfasst werden. Bisher bezog sich der Designschutz vorrangig auf statische Erscheinungsformen von Produkten. Zudem waren digitale Inhalte bisher nicht explizit umfasst. Die Regelungen enthalten nun neue Definitionen für die Begriffe „Design“ und „Erzeugnis“ (vgl. Art. 2 Design-RiLi bzw. Art. 3 UDV). Der Schutz wird auf alle Gegenstände erweitert, unabhängig davon, ob sie in einem physischen Objekt oder digitaler Form vorliegen. Damit können künftig auch digitale Räume (z.B. in Computerspielen) oder digitale Gegenstände geschützt werden, was insbesondere für Objekte im Metaverse sowie NFTs praxisrelevant sein dürfte. Auch werden künftig Bewegungen, Zustandsänderungen oder andere Formen der Animation unter den Schutz fallen. Dynamische Benutzeroberflächen, wechselnde Farb- und Lichtmuster oder sich verändernde Formen können nun als Design geschützt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass sie sichtbar wiedergegeben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können.
Dies ist insbesondere für Unternehmen in den Bereichen Software, Automobilindustrie und Unterhaltungselektronik relevant. Computerprogramme bleiben aber weiterhin vom Erzeugnisbegriff ausgeschlossen. Ihr Schutz richtet sich nach dem Urheberrecht.
3D-Drucktechnologien führten die bislang geltenden Regelungen an ihre Grenzen. So konnte der reine Versand von Dateien an Verbraucher, die dann ihrerseits ein designverletzendes Erzeugnis über einen 3D-Drucker herstellten, in Ermangelung einer Nutzung der Erscheinungsform nicht als Designverletzung geahndet werden. Diese Schutzlücke soll nun durch die Regelungen in Art. 16 Abs. 2 lit. d Design-RiLi und Art. 19 Abs. 2 lit. d UDV geschlossen werden, mit denen Dritten künftig auch „das Erstellen, Herunterladen, Kopieren und das Teilen oder Verbreiten von Medien oder Software, mit denen das Design aufgezeichnet wird, um die Herstellung eines [designverletzenden] Erzeugnisses […] zu ermöglichen“ untersagt werden kann.
Zudem wird eine dem Unionsmarkenrecht entsprechende „Transitregelung“ ergänzt, um die Bekämpfung von Produktpiraterie zu erleichtern. Nach Art. 16 Abs. 3 Design-RiLi bzw. Art. 19 Abs. 3 UDV ist es Rechteinhabern erlaubt, die Durchfuhr rechtsverletzender Erzeugnisse durch das Hoheitsgebiet der EU und ihre Verbringung in sämtlichen zollrechtlichen Situationen zu verhindern, auch wenn solche Erzeugnisse nicht dazu bestimmt sind, in der Union in Verkehr gebracht zu werden.
Für die Inhaber eines eingetragenen Designs besteht nun mit Art. 24 Design-RiLi und Art. 26a UDV die gesetzlich verankerte Möglichkeit, das Design mit einem „D im Kreis“ als Eintragungssymbol zu kennzeichnen. Dritte sollen so – parallel zum „R im Kreis“ bei eingetragenen Marken – für bestehende Schutzrechte sensibilisiert werden.
Bisher konnten Designrechte dazu genutzt werden, um Nachbauten von sichtbaren Ersatzteilen (z.B. Fahrzeugkarosserieteile) zu verhindern. Die neue „Reparaturklausel“ erlaubt es Herstellern von Ersatzteilen künftig, geschützte Designs zu nutzen, um sog. must-match-Ersatzteile zu produzieren und zu vermarkten, die eingetragene Designs wiedergeben. Dabei müssen allerdings – kumulativ – bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen muss es sich um das Bauelement eines komplexen Erzeugnisses handeln und das Design des Bauelements muss von der Erscheinungsform des komplexen Erzeugnisses abhängen („must-match“). Zum anderen darf das Ersatzteil ausschließlich zum Zwecke der Reparatur des komplexen Erzeugnisses verwendet werden, um diesem seine ursprüngliche Erscheinungsform zurückzugeben. Hersteller oder Verkäufer derartiger Ersatzteile müssen Verbraucher zudem durch klare und gut sichtbare Angabe auf dem Ersatzteil oder in anderer geeigneter Form über den gewerblichen Ursprung und die Identität des Herstellers des Erzeugnisses informieren.
Die Einführung der Reparaturklausel wurde maßgeblich durch den europäischen Green Deal vorangetrieben, der darauf abzielt, den Rohstoffverbrauch zu reduzieren und Abfälle zu minimieren.
Für Deutschland ergeben sich diesbezüglich keine größeren Änderungen, da in Deutschland bereits in § 40a Designgesetz eine Reparaturklausel eingeführt wurde. Diese stimmt im Wesentlichen mit den neuen EU-Regelungen überein.
Die Schrankenregelungen im Designrecht werden zudem um zwei weitere Schranken ergänzt. Künftig stellen auch „Handlungen, die vorgenommen werden, um ein Erzeugnis als das des Inhabers des Geschmacksmusters zu identifizieren oder sich auf dieses zu beziehen“ sowie „Handlungen zum Zweck der Kommentierung, Kritik oder Parodie“ unter den Voraussetzungen der Schrankenregelungen keine Rechtsverletzungen mehr dar.
Mit der Reform wird auch das Verfahren zur Anmeldung von Designs auf EU-Ebene verändert. Die Einreichung von Sammelanmeldung wird erleichtert, da die einzelnen Designs einer Sammelanmeldung nicht mehr in dieselbe Locarno-Erzeugnisklasse fallen müssen. Die Ausgangsgebühr für ein Design bleibt bestehen, bei Sammelanmeldungen sinkt die Gebührenhöhe zum Teil etwas. Allerdings werden auf längere Sicht gesehen die Gebühren über die Kosten der Verlängerungen deutlich angehoben. So soll das Register aktuell gehalten und von „inaktiven“ Designs befreit werden.
Zudem gibt es nun erweiterte Möglichkeiten zur Darstellung eines Designs. So wurden die Darstellungsmöglichkeiten dem 21. Jahrhundert angepasst. Nach Art. 26 Abs. 1 der Design-RiLi ist das Design in einer beliebigen Form visuell darzustellen. Die Wiedergabe kann nicht nur statisch, sondern auch dynamisch oder animiert sein. Neben der Möglichkeit von Zeichnungen und Fotografien werden Videos, Computerbildgebung und -modellierung ausdrücklich erwähnt. Wie das technisch umgesetzt werden soll, ist bislang noch offen.
Die Reform umfasst sowohl die Unionsgeschmacksmuster-Verordnung als auch die Design-Richtlinie. Beide treten zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft:
Die Reform des EU-Designrechts markiert einen wichtigen Schritt zur Modernisierung des Designschutzes und war angesichts technologischer Entwicklungen längst überfällig. Sie bringt Designinhabern erweiterte Schutzmöglichkeiten, mehr Rechtssicherheit und eine bessere Abstimmung der nationalen Systeme innerhalb der EU. Besonders positiv sind die aktualisierten Definitionen von Design und Erzeugnis, die den Schutz an moderne Anforderungen anpassen und Innovationen gezielt fördern.
Allerdings bleiben einige Regelungen hinter den Erwartungen zurück. So wurden beispielsweise keine Regelungen zu KI-generierten Designs getroffen. Unklare Formulierungen könnten in der Praxis zudem für Unsicherheiten sorgen. Die weitere Entwicklung – insbesondere die gerichtliche Auslegung der neuen Schrankenregelungen – bleibt spannend und wird maßgeblich beeinflussen, wie sich der Designschutz in der Praxis gestaltet. Unternehmen und Designer sollten sich daher frühzeitig mit den Neuerungen befassen und ihre Schutzstrategien entsprechend anpassen. Es lohnt sich zudem, die Rechtsprechung im Blick zu behalten und gegebenenfalls flexibel auf neue Anforderungen zu reagieren.
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