In industriellen Lieferketten ist Zeit oft ein kritischer Faktor. Um Engpässe zu vermeiden, greifen viele Unternehmen auf sogenannte Puffer- oder Zwischenlager zurück – also externe Lagerflächen, auf denen vorproduzierte Waren bis zum Abruf bereitgehalten werden. Doch was technisch sinnvoll ist, kann rechtlich zum Stolperstein werden – insbesondere dann, wenn vorformulierte Vertragsklauseln ins Spiel kommen.
Dieser Beitrag zeigt, wie Unternehmen solche Lagervereinbarungen rechtssicher gestalten können – mit Fokus auf typische Risikopunkte und AGB-rechtliche Anforderungen.
Pufferlager dienen dazu, Waren zwischen Einlagerung und Endverwendung bzw. Auslieferung flexibel vorzuhalten. Die vertragliche Umsetzung erfolgt in Form individueller Vereinbarungen zwischen Geschäftspartnern, z.B. einem Hersteller und einem Logistikdienstleister.
Dabei handelt es sich nicht um einen typischen Lagermietvertrag: Die Vereinbarung umfasst in der Regel auch zusätzliche Leistungen – etwa Kommissionierung, Abruflogistik oder Verpackung. Insofern ist der Vertrag regelmäßig eine Kombination aus Lager-, Dienst- und Rahmenvertrag, je nach Inhalt auch mit werkvertraglichen Elementen.
Zwar sind einige Normen des AGB-Rechts im B2B-Verhältnis ausgeschlossen, aber auch wenn beide Parteien Unternehmer sind, können die Anforderungen des AGB-Rechts nicht ignoriert werden. Werden standardisierte Vertragsbausteine verwendet – z.B. eigene Lieferbedingungen, Logistik-AGB oder Vorlagen – greift das AGB-Recht (§§ 305 ff. BGB). Die Vorschriften schützen vor unangemessener Benachteiligung – auch im unternehmerischen Verkehr.
Entscheidend sind zwei Prüfungsstufen:
Was in keiner Lagervereinbarung fehlen darf, ist vor allem eine präzise Beschreibung der Lagerleistung. Unternehmen müssen genau regeln, welche Produkte in welcher Form – zum Beispiel palettiert, verpackt oder lose – eingelagert werden und wer für die Be- und Entladung verantwortlich ist. Die genaue Definition der Lagergüter ist deshalb so wichtig, weil davon nicht nur die Abwicklung, sondern auch mögliche Haftungsfragen im Schadensfall abhängen können.
Ebenso entscheidend ist die Regelung des Abrufmechanismus. Die Vertragsparteien sollten eindeutig festlegen, wer abrufberechtigt ist (insbesondere bei Einbindung von Drittfirmen), innerhalb welcher Fristen die Abrufe zu erfolgen haben und auf welchem Wege dies zu geschehen hat. Ein häufiger Fehler in der Praxis ist es, keine Konsequenzen für den Fall vorzusehen, dass ein Abruf nicht oder verspätet erfolgt. In diesem Fall drohen Lagerüberhänge und Kapazitätsblockaden, die sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich problematisch sein können. Es empfiehlt sich daher, z.B. eine automatische Lieferung nach Ablauf einer bestimmten Lagerzeit oder eine Verpflichtung zur vollständigen Abnahme vorzusehen.
Auch die maximale Lagerdauer sollte vertraglich festgelegt werden. Unternehmen, die Lagerflächen zur Verfügung stellen, benötigen Planbarkeit – z.B. hinsichtlich Kapazitäten oder Umschlagzeiten. Wird keine Höchstdauer vereinbart, besteht die Gefahr, dass das Lagergut auf unbestimmte Zeit eingelagert wird. Dies kann nicht nur zu wirtschaftlichen Nachteilen, sondern auch zu rechtlichen Auseinandersetzungen über Besitzrechte, Abnahmeverzug oder Lagergeldforderungen führen. Entsprechend wichtig ist es, Regelungen zu treffen, was bei einer Überschreitung der Lagerdauer gilt, z.B. die Berechnung von Zusatzentgelten oder ein Rückgaberecht.
Von zentraler Bedeutung ist auch die Haftungsregelung. Der Lagerhalter trägt in der Regel ein gewisses Risiko für den Zustand und die Sicherheit der eingelagerten Waren. Ein vollständiger Haftungsausschluss – wie er häufig in Allgemeinen Geschäftsbedingungen versucht wird – ist jedoch unzulässig, insbesondere im Hinblick auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) zuletzt in seinen Urteilen vom 3. Februar 2021 (XII ZR 29/20) und vom 7. April 2021 (VIII ZR 49/19) bestätigt. Im Vertrag sollte daher klar geregelt sein, für welche Schäden oder Verluste gehaftet wird, in welchen Fällen eine Haftungsbeschränkung gelten soll und wer das Risiko für nicht versicherte Schäden trägt. Oft ist es sinnvoll, dem Auftraggeber die Pflicht zum Abschluss einer Versicherung aufzuerlegen – dies muss aber klar und eindeutig formuliert sein.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Preisgestaltung. Das Entgelt für die Lagerdienstleistung – etwa in Form von Lagergeld pro Zeiteinheit oder pro Palette – sollte ebenso klar geregelt sein wie mögliche Preisänderungen. Hier ist Vorsicht geboten: Einseitige Preisanpassungsklauseln sind nur dann wirksam, wenn sie sich an objektiv nachvollziehbaren Faktoren wie Indexwerten, Tarifentwicklungen oder konkreten Kostensteigerungen orientieren. Pauschale Änderungsrechte des Lagerhalters ohne klare Begründung verstoßen gegen das AGB-Recht und sind regelmäßig unwirksam.
Nicht zuletzt ist eine faire und rechtssichere Laufzeit- und Kündigungsregelung unerlässlich. Der Vertrag sollte eine Mindestlaufzeit und angemessene Kündigungsfristen vorsehen. Dabei ist zu beachten, dass ein vollständiger Ausschluss der ordentlichen Kündigung in vielen Fällen rechtlich problematisch ist. Ebenso sollte geregelt werden, in welchen Fällen eine außerordentliche Kündigung möglich ist – etwa bei Verstößen gegen wesentliche Vertragspflichten, Zahlungsverzug oder Annahmeverweigerung.
Insgesamt zeigt sich: Ein Pufferlagervertrag ist weit mehr als eine logistische Vereinbarung. Er berührt zentrale Fragen des Zivilrechts, des AGB-Rechts und der Haftungsverteilung. Wer auf standardisierte Vertragsmuster zurückgreift, ohne diese an die konkrete Geschäftssituation anzupassen, riskiert nicht nur unwirksame Klauseln, sondern auch erhebliche wirtschaftliche Schäden. Ein individuell gestalteter und rechtlich geprüfter Vertrag ist daher unverzichtbar – insbesondere, wenn die Lagerung Teil einer komplexen Lieferkette ist.
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