Die AGB-Rechtsprechung, die das deutsche Vertragsrecht auch für Unternehmen maßgeblich prägt, hat sich erwartungsgemäß sehr dynamisch entwickelt.
Unternehmen müssen ihre Vertragsgestaltung zunehmend anpassen, da die Gerichte strengere Maßstäbe an die Transparenz und Einbeziehung von AGB anlegen. Unternehmen laufen schnell Gefahr, unwirksame und damit wettbewerbswidrige Vertragsklauseln zu verwenden, da sich die Rechtsprechung rasant weiterentwickelt.
Im Folgenden werden zentrale Entwicklungen und deren praktische Auswirkungen für Unternehmen dargestellt.
Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ist ein wesentlicher Bestandteil nahezu aller Vertragsverhältnisse – sowohl im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern als auch mit Unternehmen. Gerade im B2B-Bereich wurden AGB lange als ressourcenschonendes und rechtssicheres Werkzeug betrachtet. Die aktuelle Rechtsprechung macht jedoch klar: Auch hier gelten strenge Maßstäbe. Die richterliche Kontrolle ist kein bloßer Formalakt mehr – sie wird zum zentralen Prüfstein der Vertragswirksamkeit.
Die Einbeziehung von AGB ist nicht mehr selbstverständlich. Dies zeigt unter anderem ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 2. März 2023 (Az. III ZR 108/22). Darin stellte das Gericht klar, dass die Einbeziehung klassischer AGB nur dann wirksam ist, wenn der Vertragspartner klar und verständlich auf die Geltung der AGB hingewiesen wird. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Kunden in zumutbarer Weise von den AGB Kenntnis nehmen können.
Nach einem Urteil des LG Lübeck (Urt. v. 07.12.2023 – 14 S 19/23) ist die Einbeziehung von AGB im Zuge des technischen Wandels inzwischen allerdings auch dadurch vereinfacht worden, dass ein auf dem Formular abgedruckter QR-Code ausreicht. Auch die Einbeziehung von Klauseln, die bei Abschluss des Rahmenvertrages noch nicht existierten, kann wirksam erfolgen, wenn der Verwender ausdrücklich auf die Geltung der neuen AGB hinweist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es dem Vertragspartner möglich und zumutbar ist, die neuen AGB im Internet einzusehen oder herunterzuladen (OLG Hamburg, Urteil vom 31.8.2023 – 15 U 18/23). Allerdings stellen sich dann die bekannten Darlegungs- und Beweisprobleme, wonach der Verwender nachweisen muss, dass der Vertragspartner seine AGB auf seiner Hard- und Software einsehen konnte.
Auch in einem Urteil des BayObLG vom 14.08.2024 (102 AR 84/24 e) wird bestätigt, dass bei der Verwendung von AGB im B2B-Verhältnis diese nicht dem Angebotsschreiben beigefügt oder beigefügt werden müssen. Es genügt, wenn das Schreiben einen deutlichen Hinweis auf ihre Geltung und eine Internetadresse enthält, unter der die AGB abgerufen werden können. Dies gilt auch dann, wenn der Vertrag auf herkömmliche Weise, also schriftlich und nicht elektronisch, zustande gekommen ist. Es handelt sich also um einen „Medienbruch“, der aber vom BayObLG für zulässig erachtet wurde.
Unzulässig ist ein Medienbruch jedoch im B2C-Verhältnis, wenn ein Werbeschreiben eines Telekommunikationsanbieters an ältere Verbraucher ein Angebot zum Wechsel des Festnetzanschlusses enthält und dieses ausgefüllt per Post zurückgesandt wird. Das OLG Düsseldorf hat in diesem Fall mit Urteil vom 25.4.2024 (20 UKI 1/24) entschieden, dass ein unzulässiger Medienbruch vorliegt, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur über einen Link im Internet zu finden sind.
Eine ausnahmsweise strengere Beurteilung im B2B-Verhältnis erfolgt bei Unerfahrenheit des Bestellers im Baubereich. Das OLG Bamberg hat entschieden (Urteil vom 24.8.2023 – 12 U 58/22), dass die Aushändigung eines Exemplars bei Vertragsschluss für eine wirksame Einbeziehung zwingend erforderlich ist und der bloße Hinweis auf die AGB zur Einsichtnahme in den Geschäftsräumen hier nicht ausreicht.
Insgesamt ist in der jüngeren Rechtsprechung jedoch eine Tendenz zur erleichterten Einbeziehung im B2B-Verhältnis zu erkennen.
Einen weiteren Schwerpunkt der aktuellen Rechtsprechung bildet das AGB-rechtliche Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. An dessen Einhaltung stellt die Rechtsprechung sehr strenge Anforderungen.
Das Transparenzgebot verpflichtet Unternehmen, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners so klar und verständlich darzustellen, dass über Inhalt und Tragweite keine Zweifel bestehen. Jede vermeidbare Unklarheit kann insoweit zur Unwirksamkeit der betreffenden Vertragsklausel führen.
Ein Beispiel liefert das Kammergericht Berlin (Urteil vom 16. Oktober 2023, Az. 8 U 175/21), das eine Preisklausel einer Bank für unwirksam erklärte. Der Grund: Die Klausel ließ offen, wann genau Kosten für eine Restschuldbestätigung anfallen. Diese Unklarheit führte zur Unwirksamkeit – auch wenn die Klausel an sich sachlich gerechtfertigt gewesen wäre, denn der Vertragspartner muss aus der Klausel klar erkennen können, wann welche Kosten auf ihn zukommen.
Ebenso stellt der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil vom 07.02.2023 (VI ZR 137/22) nochmals klar, dass „die klare und transparente Vermittlung der mit dem beabsichtigten Vertragsschluss verbundenen Rechte und Pflichten Voraussetzung für eine informierte Sachentscheidung“ ist. „Der AGB-Verwender muss daher einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Zum anderen muss der Vertragspartner seine Rechte und Pflichten möglichst klar und einfach ohne fremde Hilfe erkennen können, damit er die rechtliche Tragweite der Vertragsbedingungen bei Vertragsschluss hinreichend erfassen kann und nicht von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird“.
Auch wenn auf andere externe Regelwerke verwiesen wird, muss die Klausel in Bezug auf das Regelwerk hinreichend bestimmbar sein. Zudem muss es möglich sein, den Regelungsgehalt zu erfassen (Urteil des OLG Hamburg vom 21.03.2024, 5 U 128/22).
Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 15.02.2024 (VII ZR 42/22) eine Vertragsstrafenklausel in einem Bauvertrag für unwirksam erklärt. Die AGB des Auftraggebers enthielten eine Vertragsstrafenklausel, die für den Fall des Verzugs eine Vertragsstrafe in Höhe von 0,2 % der im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme pro Werktag, begrenzt auf insgesamt 5 % dieser Summe, vorsah. Diese Klausel ist unwirksam. Der BGH erklärte die Vertragsstrafenklausel für unwirksam, da sie den Auftragnehmer unangemessen benachteilige und gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstoße. Die Klausel knüpfe an die ursprünglich vereinbarte Auftragssumme an, ohne die Möglichkeit zu berücksichtigen, dass die tatsächliche Vergütung im Rahmen eines Einheitspreisvertrages geringer ausfallen könne. Dies führe dazu, dass die Vertragsstrafe im Verhältnis zur tatsächlichen Vergütung überhöht sein könne, was eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers darstelle. Es sollte daher darauf geachtet werden, Vertragsstrafenklauseln in AGB bei Einheitspreisverträgen sorgfältig zu formulieren. Insbesondere sollte die Bezugsgröße für die Berechnung der Vertragsstrafe die tatsächliche Abrechnungssumme und nicht die ursprünglich vereinbarte Auftragssumme sein. Darüber hinaus ist es wichtig, die verwendeten Begriffe klar zu definieren, um Intransparenz zu vermeiden.
In einem Urteil des OLG Celle vom 4.4.2024 (2 U 34/23) wurde entschieden, dass eine im Vertrag enthaltene vorformulierte Bestätigung, dass dem Vertragspartner eine genaue Leistungsbeschreibung übergeben wird, diesem die Beweislast auferlegt. Dies liegt grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Verwenders, so dass hier eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB vorliegt, die eine solche Klausel unwirksam macht. Es bleibt also dabei: Klauseln mit Erklärungsfiktionen und/oder Beweislastumkehr werden von der Rechtsprechung regelmäßig nach § 307 BGB verworfen.
Das OLG Frankfurt a.M. hat eine Aufwendungsersatzklausel in einem Maklervertrag für unwirksam erklärt (Urt. v. 23.10.2024, 19 U 134/23). Indem „nachgewiesene Kosten für eigenes Personal“ und „anteilige Bürokosten“ vom Auftraggeber zu ersetzen seien, werde das wirtschaftliche Risiko des Maklers in unzulässiger Weise auf diesen abgewälzt. Damit wird auch die sog. „Sowieso-Kosten-Rechtsprechung“ des BGH nachvollzogen, nach der man Arbeitnehmer haben und selbst bezahlen muss.
Die aktuelle Rechtsprechung zum AGB-Recht erfordert von Unternehmen eine aktive Anpassung ihrer Vertragsgestaltung. Um rechtliche Risiken zu minimieren, sollten Unternehmen insbesondere folgende Maßnahmen ergreifen:
Die jüngste Entwicklung der Rechtsprechung zum AGB-Recht zeigt deutlich: Unternehmen können sich nicht mehr auf bewährte Standardformulierungen verlassen. Vielmehr ist eine proaktive und sorgfältige Auseinandersetzung mit der eigenen Vertragsgestaltung und eine regelmäßige Überprüfung der Vertrags- und AGB-Klauseln erforderlich. Die Anforderungen an die wirksame Einbeziehung und Transparenz von AGB sind deutlich gestiegen – sowohl im Verhältnis zu Verbrauchern als auch im B2B-Bereich. Wer rechtliche Risiken vermeiden will, sollte seine AGB regelmäßig an die aktuellen Standards anpassen und darauf achten, dass die Klauseln klar formuliert und verständlich in den Vertrag einbezogen werden. Insbesondere bei sensiblen Regelungen empfiehlt sich zudem eine individuelle und dokumentierte Vereinbarung. Nur so können spätere Streitigkeiten wirksam vermieden und die Wirksamkeit der vertraglichen Regelungen nachhaltig gesichert werden.
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