Krise und Insolvenz des e.V. – Schicksalsstunden eines Vereins

Sportclubs, Kindertagesstätten, Akteure in Kunst, Kultur und Brauchtum, NPOs – sie alle organisieren sich als Verein (e.V.). Viele sind gemeinnützig, ihre Vorstände ehrenamtlich tätig. Häufig wird hier erstaunlich viel Geld bewegt.

 

Fließen die Fördermittel oder Mitgliedseinnahmen nicht mehr wie geplant oder bleibt der sportliche Erfolg aus, gerät der Verein in die Krise. Oder er wird sogar insolvent. Was muss der Vereinsvorstand dann tun?

Schlechte Aussichten für die Liquidität

 

Die Aussichten sind düster. Die Kommunen müssen sparen. Wo sie freiwillig tätig sind, insbesondere bei Sport und Kultur, werden die Fördermittel gekürzt. Die Vereinsexistenz steht ebenso auf dem Spiel, wenn das Finanzamt Steuernachzahlungen fordert oder Schwarzlöhne an die höherklassige 1. Herrenmannschaft behauptet. Richtig kritisch wird es, wenn plötzlich der langjährige Pachtvertrag des Tennisclubs gekündigt wird. Die allgemein schlechte wirtschaftliche Lage mit weniger Spenden und die demographische Entwicklung kommen erschwerend hinzu. Jetzt werden aus den Ehrenamtlern Krisenmanager.

 

 

Insolvenzantragspflicht

 

Der Verein iSv. §§ 21, 22 BGB muss nach § 42 Abs. 2 BGB Insolvenzantrag stellen, wenn er zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Verein nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 InsO). Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Vereins die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Vereins in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich (§ 19 InsO). Zeigen sich finanzielle Schwierigkeiten, so ist als Erstes zu prüfen, ob der Verein wirklich insolvent ist. Im Zweifel sollte der Vorstand Rechtsrat einholen. Vom Ergebnis hängen alle weiteren Schritte ab.

 

Welche Insolvenzantragsfristen gelten?

 

Bei GmbH, Genossenschaft usw. schreibt § 15a InsO vor, dass der Insolvenzantrag bei Zahlungsunfähigkeit binnen drei Wochen und bei Überschuldung binnen sechs Wochen zu stellen ist. Diese klaren Höchstfristen gelten jedoch nicht für Vereine, § 15a Abs. 7 InsO. Der Vorstand muss den Insolvenzantrag „ohne schuldhaftes Zögern“ beim örtlich zuständigen Amtsgericht stellen, § 42 Abs. 2 Satz 2 BGB. Er muss also nicht sofort zum Amtsgericht gehen, darf die Dinge aber auch nicht laufen lassen. Sondern er muss sogleich Sanierungschancen prüfen und wahrnehmen. Dafür hat er einige Wochen Zeit, je nach Umständen auch mehr. Zeigen sich konkrete Sanierungschancen, bei denen z.B. die Kommune Betriebskostenzuschüsse oder Sponsoren neues Kapital in Aussicht stellen, so darf und muss der Vorstand daran arbeiten. Haben sich alle Optionen zerschlagen, ist der Antrag zu stellen. Auch Gläubiger wie Finanzamt und Krankenkassen können Insolvenzantrag stellen.

 

 

Ist Insolvenzverschleppung strafbar?

 

Ein Vereinsvorstand macht sich nicht strafbar, sollte er die Insolvenz verschleppen. Die Straftatbestände der fahrlässigen oder vorsätzlichen Insolvenzverschleppung gelten für den Verein nicht, vgl. § 15a Abs. 7 InsO. Strafrechtliche Konsequenzen drohen aber, wenn z.B. für die Beschäftigten keine Sozialversicherungsbeiträge mehr bezahlt werden (§ 266a StGB) oder wenn trotz Insolvenzreife weiter Lieferungen und Leistungen ohne Bezahlung bezogen werden, der sog. Wareneingehungsbetrug (§ 263 StGB).

 

 

Haftung bei Insolvenzverschleppung

 

Allerdings riskieren die Vorstandsmitglieder bei Insolvenzverschleppung zivilrechtlich die persönliche Haftung. Sie haften nach § 42 Abs. 2 Satz 2 BGB persönlich für den entstandenen Schaden, wenn sie den Antrag zu spät stellen. Das ist insb. der sog. Quotenschaden der Alt-Gläubiger, um den diese insgesamt schlechter als bei rechtzeitiger Antragstellung gestellt werden. Den Neu-Gläubigern, mit denen nach Insolvenzeintritt noch Geschäfte eingegangen werden, ist der Vertrauensschaden zu ersetzen. So soll der Vermögensabfluss durch rechtzeitige Antragstellung verhindert werden. Das Zahlungsverbot des § 15b InsO, welches eine mitunter erhebliche Haftung der Organe von GmbH, AG usw. für alle Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife vorsieht, gilt für den Vereinsvorstand nicht.

 

 

Krisenursachen?

 

Immer gilt, frühzeitig handeln! Je früher eine drohende Insolvenz erkannt wird, desto größer sind die Chancen, den Verein zu retten. Zeigen sich erste finanzielle Probleme, sind Sanierungsmaßnahmen anzugehen, um die spätere Insolvenz abzuwenden. Zunächst gilt es, die Gründe für die Krise zu identifizieren, das können z. B. sein:

 

  • Sinkende Mitgliederzahlen
  • Mangelnde Spenden
  • Ausbleibende Fördermittel und Betriebskostenzuschüsse
  • Steigende Kosten für Strom, Personal, Dienstleister, Bau etc.
  • Unerwartete Ausgaben, Nachzahlungen an Finanzamt usw.
  • Kündigung von Pacht- und Mietverträgen
  • Ermittlungsverfahren von Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung.

 

 

Sanierungsoptionen

 

Aus der Analyse ergeben sich die Sanierungsoptionen. Insbesondere ist schnell Liquidität zu beschaffen, sind die Ausgaben zu begrenzen und schlechte Verträge zu beenden, z.B.:

 

  • alle Ausgaben kritisch prüfen und reduzieren (z.B. Miete, Strom, Dienstleistungen)
  • Ehrenamtliche Tätigkeiten ausweiten
  • Betreuungs- und Öffnungszeiten sowie Kulturangebot einschränken
  • Fördermittel, Fluthilfen und Zuschüsse prüfen und beantragen
  • Neue Einnahmequellen erschließen (z.B. Sponsoring, Fundraising-Aktionen)
  • Mitgliederwerbung intensivieren
  • Veranstaltungen organisieren (z.B. Feste, Turniere, Merchandising)
  • Nicht zwingend benötigtes Vereinsvermögen verkaufen (z.B. Immobilien, Fahrzeuge)
  • Anpassung oder Kündigung von nachteiligen Verträgen
  • Gespräche mit Gläubigern führen, um Zahlungsziele oder Raten anzupassen, ggfs. Sanierung der Schulden über ein StaRUG-Verfahren oder
  • Strategische Insolvenz, z.B. in Eigenverwaltung mit Insolvenzplan

 

 

Sanierung über Insolvenzverfahren mittels Insolvenzplan?

 

In geeigneten Fällen kann ein Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung eine Option sein. Hier bleibt der Vereinsvorstand im Amt, unterstützt durch einen Sanierungsberater. Die Aufsicht führt ein gerichtlich bestellter Sachwalter. Hier kann ein Insolvenzplan erarbeitet werden. Das ist ein Vergleich mit den Gläubigern. Stimmen diese mehrheitlich dem Insolvenzplan zu, bestätigt das Insolvenzgericht den Plan und hebt das Verfahren auf. Dann kann die Mitgliederversammlung die Fortsetzung des Vereins beschließen, § 42 Abs. 1 Satz 2 InsO. Der erfolgreich sanierte Verein kann so seine Vereinstätigkeit fortführen. Hier wird der Verein nicht aufgelöst und abgewickelt, sondern der Rechtsträger (e.V.) bleibt erhalten. In einem regulären Insolvenzverfahren würde die juristische Person dagegen erlöschen.

 

 

Sportvereine: Lizenz nach Zwangsabstieg?

 

Für Sportvereine ist der Erhalt des Rechtsträgers wichtig. Denn an ihm hängt die Lizenz des Verbandes für die Teilnahme am Spielbetrieb. In einem Insolvenzplanverfahren können Vereine ihre Lizenz für die laufende Spielzeit behalten, und sogar eine neue Lizenz für die kommende Saison beantragen. Ein Zwangsabstieg lässt sich je nach Liga- und Verbandsstatuten nicht immer vermeiden. Bei Sportvereinen ist also im Sanierungskonzept einzuplanen, wie sich die Planinsolvenz auf Spielbetrieb und Einnahmen auswirken.

 

 

Wichtige Aspekte bei der Sanierung

 

Die Aussicht auf Sanierungserfolg steigt mit professioneller Unterstützung durch Experten. Wichtig ist auch die Kommunikation mit Mitgliedern und Gläubigern. Das gilt vor allem bei Sport- und Kulturvereinen, wo Emotionen dafür sorgen, dass sich Mitglieder und Fans dem Verein verbunden fühlen. Hier ist gute und transparente Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Bestandteil jeder Sanierung.

 

Fast genauso wichtig ist ein Punkt, den viele nicht auf dem Schirm haben: Positiv bleiben und die Motivation aufrechterhalten. Krise und Insolvenz sind eine Chance, sich zu erneuern, und nicht unbedingt das Ende.

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