Fehler bei der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 4: Schadenspauschalierung

Fehler bei der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 4: Schadenspauschalierung

I. Wieso besteht ein Bedürfnis für die Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen?

Bei der Vertragsgestaltung sind Vertragsparteien insbesondere darauf bedacht, langwierige Streitigkeiten über die Höhe potentieller Schadensersatzansprüche zu vermeiden. Deshalb bietet es sich an, in AGB die Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen zu regeln.

Für Sie als Klauselverwender entfallen dadurch die Kosten, die für die Ermittlung der Schadenshöhe entstehen würden.

Dem Vertragspartner wird hingegen das finanzielle Risiko einer Vertragsverletzung aufgezeigt, wodurch dieser angehalten wird, sich vertragstreu zu verhalten.

Damit Sie Schadenspauschalierungsklauseln wirksam in einen Vertrag aufnehmen, um so zu einer vereinfachten Abwicklung von Geschäftsbeziehungen beizutragen, erläutern wir Ihnen in diesem Beitrag die rechtlichen Anforderungen und geben Ihnen abschließend Praxistipps, die bei der Klauselgestaltung zu berücksichtigen sind.

II. Wie hoch darf die Schadenspauschale sein?

Bei der Klauselgestaltung werden Sie sich zunächst die zentrale Frage stellen, wie hoch die Schadenspauschale in AGB sein darf. Zur Beantwortung der Frage müssen Sie Ihren Fokus auf § 309 Nr. 5 a BGB richten. Die gesetzliche Vorschrift sieht vor, dass eine Vereinbarung über einen pauschalierten Schadensersatzanspruch dann unwirksam ist, „wenn die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt“. Zwar gilt die Regelung nur unmittelbar bei Rechtsbeziehungen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher. Jedoch müssen die Wertungen auch im unternehmerischen Rechtsverkehr bei einer Klauselkontrolle nach § 307 BGB berücksichtigt werden, da eine Pauschalierung, die zu einer Bereicherung des Klauselverwenders führt, die sich nicht an dem gewöhnlichen Lauf der Dinge orientiert, den wesentlichen Grundgedanken des Schadensersatzrechts zuwider läuft und den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen benachteiligt.

Sie haben sich somit bei der Festlegung der Höhe der Schadenspauschale an dem branchentypischen Durchschnittsschaden auszurichten und dürfen Eigenheiten Ihres Unternehmens, die möglicherweise zu höheren Gewinnspannen führen, nicht berücksichtigen.

Beispiele aus der Rechtsprechung:

1. Eine Schadensersatzpauschale von 15% des Bruttoeinkaufpreises bei einem Neuwagenkauf (BGH, Urt. v. 27. 6. 2012 − VIII ZR 165/11) und von 10% des Bruttoeinkaufpreises bei einem Gebrauchtwagen (OLG München, Endurteil v. 14.09.2017 – 23 U 667/17) ist angemessen.

2. Im Möbelversandhandel ist eine Schadensersatzpauschale von 30% des Bruttoeinkaufpreises nicht zu beanstanden (BGH, Urt. v. 15. 6. 1982 – 11 U 1/82).

Es sei darauf hingewiesen, dass Sie als Klauselverwender Tatsachen darzutun und ggf. zu beweisen haben, dass der von Ihnen in der Pauschalierungsklausel festgelegte Pauschalbetrag dem branchenüblichen Durchschnittsschaden entspricht.

III. Muss der Nachweis eines wesentlich niedrigeren Schadens gestattet sein?

Im Gegensatz zu einer Rechtsbeziehung zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, wo gemäß § 309 Nr. 5 b BGB dem Vertragspartner ausdrücklich der Nachweis gestattet werden muss, dass ein Schaden oder eine Wertminderung überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale entstanden ist, gilt dies nicht im unternehmerischen Rechtsverkehr. Jedoch darf der Nachweis auch nicht von vornherein ausgeschlossen sein.

Negativbeispiel:

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Formulierung in einer Vertragsstrafenklausel:

„Bei Totalverlusten bemisst sich die Schadensersatzforderung der Bildagentur H. [Klägerin] nach dem Wegfall der Nutzungsmöglichkeiten eines Bildes. Sie gilt jedenfalls mit DM 3.000 pro Bild als vereinbart, ohne dass die Bildagentur insoweit die Höhe des Schadens nachzuweisen hat“

Wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners gemäß § 307 BGB unwirksam. Durch die Worte „jedenfalls mit DM 3.000 pro Bild“ sei ein stillschweigender Ausschluss des Gegenbeweises zu sehen, da der Eindruck entstehe, ein pauschalierter Schadensersatz von DM 3.000 bestehe definitiv.

IV. Darf neben einer Schadenspauschalierung die Geltendmachung eines höheren Schadens vorbehalten werden?

Wenn Sie eine AGB-rechtliche Schadenspauschalierungsklausel in den Vertrag aufnehmen, haben Sie nicht ohne weiteres die Wahl zwischen der Geltendmachung des pauschalen Schadens und dem Nachweis eines im Einzelfall höheren Schadens. Wer pauschaliert, bindet sich. Ansonsten würde zu Lasten Ihres Vertragspartners der Durchschnittsschaden stets zum Mindestschaden werden, was dem Zweck von § 309 Nr. 5 a BGB zuwiderlaufen würde. Lediglich in eng umgrenzten Einzelfällen von ungewöhnlich hohen Schäden ist eine entsprechende Regelung hinsichtlich des Vorbehalts eines höheren Schadens in AGB zulässig. Jedoch muss diese Ausnahmeregelung hinreichend klar und transparent formuliert sein.

So hat das OLG Köln mit Urteil vom 21.05.1999 – 6 U 122/98 beispielsweise im Rahmen von Sonderanfertigungen von Möbeln die Klausel: „Im Falle besonders hoher Schäden, wie z.B. bei Sonderanfertigungen, bleibt dem Verkäufer vorbehalten, an Stelle der Schadensersatzpauschale in Abs. 1 einen nachgewiesenen höheren Schaden geltend zu machen“, für wirksam angesehen.

V. Kann in einer AGB-Klausel neben einer Schadenspauschale auch eine Vertragsstrafe geregelt werden?

Ein Nebeneinander von verwirkter Vertragsstrafe und pauschaliertem Schadensersatz ist grundsätzlich unzulässig, da der Vertragspartner im Sinne von § 307 BGB unangemessen benachteiligt wird. Anderenfalls würden Sie als Klauselverwender in einer über Ihr Erfüllungsinteresse hinausgehenden nicht mehr zu rechtfertigenden Weise bereichert werden. Insoweit sieht § 340 Abs. 2 BGB nämlich vor, dass die Vertragsstrafe auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen ist.

Negativbeispiel:

Aus vorgenannten Erwägungen hat der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang folgende Klausel für unwirksam angesehen:

„Für jeden Fall der Zuwiderhandlung – je Adresse und Fall – wird eine Vertragsstrafe von 1000 DM vereinbart. Die weitere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch die Vertriebsorganisation bleibt vorbehalten. Wenn infolge der Auswertung der Adresse einem Konkurrenzunternehmen der Abschluss eines Vertrags ermöglicht wurde, hat der Mitarbeiter den hieraus der Vertriebsorganisation entstehenden Schaden zu ersetzen. Der Schaden wird für den Abschluss eines Versicherungsvertrags mit 50 DM pro Einheit angegeben”.

VI. Was ist bei der Klauselgestaltung zu beachten? – Praxistipps

1. Prüfen Sie sorgfältig, mit welchem durchschnittlich eintretenden Schaden zu rechnen ist und wie Sie diesen ggf. beweisen können.

2. Nehmen Sie auch im unternehmerischen Verkehr die Regelung auf, dass die Möglichkeit des Gegenbeweises ausdrücklich zugelassen wird.

– somit werden Zweifel vermieden, die ggf. zur Unwirksamkeit führen, da die Klausel den Eindruck erweckt, der Gegenbeweis werde von vornherein ausgeschlossen.

3. Vermeiden Sie Zusätze wie „mindestens“, „wenigstens“, „auf jeden Fall“.

4. Der Vorbehalt eines höheren Schadens ist mit äußerster Zurückhaltung zu behandeln

– es bedarf einer eingehenden Prüfung, ob im Einzelfall ein ungewöhnlich hoher Schaden droht. Diese Ausnahmeumstände müssen Ihrem Vertragspartner in der Klausel hinreichend klar dargelegt werden.

VII. Fazit

Der Gesetzgeber erkennt an, dass ein praktisches Bedürfnis für Schadenspauschalierungen besteht. Sie tragen zur Vereinfachung der Schadensabwicklung bei, indem Sie Nachweisprobleme für den Verwender in Hinblick auf die Höhe eines konkreten Schadens reduzieren. Durch die Einsparungen von Verwaltungs- und Verfahrenskosten werden aber auch mittelbar die Interessen des Vertragspartners berücksichtigt, indem Produkte zu geringeren Preisen angeboten werden können.

Sie sollten sich deshalb stets vor Augen führen, dass Schadenspauschalierungsklauseln eine interessengerechte Geschäftsabwicklung bewirken können. Umso mehr müssen Sie bei der Klauselformulierung darauf achten, die durchaus überschaubaren gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, damit wirksame Regelungen über einen pauschalierten Schadensersatzersatzanspruch bei der Vertragsgestaltung Berücksichtigung finden.

Teil 5 unserer Blog-Reihe erscheint am 22.03.2019. Darin geht es um das Thema: Geheimhaltungsvereinbarung

Unsere Beitragsreihe „Fehler bei der Vertragsgestaltung vermeiden“ erscheint 14-tägig, immer Freitags.

Bisher erschienene Teile zum nachlesen:
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 1: Leistungsänderung
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 2 Haftungsausschlüsse und -begrenzungen
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 3 Vertragsstrafe
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 4 Schadenspauschalierung
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 5 Geheimhaltungsvereinbarung
Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden – Teil 6 AGB

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