Überblick zur neuen Maschinenprodukteverordnung der Europäischen Union

Christian Thomas

Die Anforderungen an Sicherheit und produktrechtliche Konformität von Maschinen, die beim Inverkehrbringen bzw. der Inbetriebnahme auf dem Unionsmarkt erfüllt sein müssen, ergeben sich derzeit (noch) aus der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG. Diese wurde in Deutschland durch die 9. ProdSV in nationales Recht umgesetzt.

 

Bereits seit einigen Jahren wird auf europäischer Ebene jedoch an einer Novellierung des Maschinenprodukterechts gearbeitet, die nun mit Inkrafttreten der neuen Verordnung über Maschinenprodukte (Maschinenprodukteverordnung, MVO) kurz bevorsteht und damit auch die Ablösung der aktuellen Maschinenrichtlinie bedingt.

Wozu bedarf es der neuen EU-Maschinenprodukteverordnung?

 

Die geltenden Anforderungen an die Sicherheit von Maschinen wurden zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Maschinenrichtlinie im Jahr 2006 bewusst technologieunabhängig definiert. Insbesondere der technische Fortschritt bei der Digitalisierung führte aber dazu, dass – bedingt durch die Entwicklung neuer Produktarten – neue Risiken auftreten, die von der Maschinenrichtlinie nicht ausreichend erfasst sind. Nennenswert sind in diesem Zusammenhang insbesondere Risiken, die sich durch autonome Maschinen, Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI), Software-Updates und allgemein im Kontext von Cybersecurity ergeben. Wesentlicher Treiber der neuen Verordnung ist folglich, dass der aktuelle Rechtsrahmen nicht mehr zu den Produkten der 2020er-Jahre passt. Dies wird auch daran offenkundig, dass die Zuordnung bestimmter Produkte zum jeweils einschlägigen Rechtsakt respektive den Rechtsakten nicht (mehr) immer eindeutig ist. Das bedeutet auch, dass die Maschinenrichtlinie die heutige Produktgeneration schon jetzt nur unter Einschränkungen regulatorisch erfassen kann und die Schaffung eines neuen Rechtsrahmen erforderlich ist.

 

Deutlich wird dieses Erfordernis unter anderem auch daran, dass die geltenden Vorschriften zur Maschinensicherheit nicht dem europäischen Produktrechtsrahmen des sog. New Legislation Framework (NLF) entsprechen und Regelungsdefizite aufweisen, die signifikante rechtliche Unsicherheiten auslösen können.

 

 

Wie lautet der aktuelle Verfahrensstand?

 

Im Dezember 2022 haben das EU-Parlament, der EU-Rat sowie die EU-Kommissionen (sog. Trilog) die im Juli 2022 begonnenen Trilog-Verhandlungen erfolgreich beendet und sich damit grundsätzlich auf den Inhalt der Maschinenprodukteverordnung geeinigt. Der Ausschuss der Ständigen Vertreter der EU-Mitgliedstaaten hat dieser Fassung am 25. Januar 2023 zugestimmt, sodass nun noch die Beratung und Verabschiedung der Verordnung im EU-Parlament ausstehen. Die Abstimmung soll nach aktueller Planung am 18. April 2023 erfolgen. Anschließend wird die Verordnung im EU-Amtsblatt veröffentlicht und 20 Tage später in Kraft treten.

 

Die Vorgaben der Verordnung werden dann – so jedenfalls der letzte Diskussionsstand – 42 Monate nach Inkrafttreten der Verordnung, mithin im Herbst 2026, unmittelbar in allen Mitgliedstaaten verbindlich gelten und anwendbar sein. Nationale Umsetzungsrechtsakte sind nicht erforderlich. Auch wenn insofern noch ein gewisser zeitlicher Korridor verbleibt, ist ein frühzeitiges Befassen mit den Vorgaben der neuen Verordnung für zahlreiche Wirtschaftsakteure dringend ratsam. Schließlich müssen ab dem Zeitpunkt der Anwendbarkeit u. a. sämtliche Konformitätserklärungen, technischen Unterlagen etc. unmittelbar gemäß den Vorgaben der MVO erstellt sein bzw. in entsprechend aktualisierter Form vorliegen.

 

 

Was fällt in den Anwendungsbereich der Maschinenprodukteverordnung?

 

Mit Blick auf den sachlichen sowie personellen Anwendungsbereich der Verordnung ergeben sich keine grundlegenden Änderungen zur Maschinenrichtlinie. In den Anwendungsbereich der Verordnung fallen damit neben Maschinen auch verwandte Produkte („machinery and related products„) sowie unvollständige Maschinen. Daraus geht eine Klarstellung dergestalt hervor, dass die „Doppelbelegung“ des Begriffs Maschine, der im Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie immer wieder für Verwirrung sorgte, nun wegfällt. Die Maschinenprodukteverordnung definiert den Begriff der Maschine und subsumiert unter „verwandten Produkte“ unter anderem auswechselbare Einrichtungen, Sicherheitsbauteile, Ketten, Seile, Gurte sowie abnehmbare Gelenkwellen. Ausgenommen vom Anwendungsbereich sind Haushaltsgeräte mit WLAN-Funktion, die den Richtlinien 2014/35/EU bzw. 2014/53/EU unterfallen, sowie Waffen und Fahrzeuge zum Zweck der Beförderung von Personen oder Gütern im Verkehr.  

 

Ein wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit der Anpassung an den Rechtsrahmen des New Legislation Framework (NLF) ist, dass zukünftig neben dem Hersteller auch Einführer und Händler bestimmte Pflichten erfüllen müssen. Im Fall einer wesentlichen Modifikation einer Maschine – wann eine solche vorliegt, soll konkret definiert werden – wird derjenige, der die Maschine in dieser Weise modifiziert, zum rechtlichen Hersteller mit den entsprechenden Herstellerpflichten. Die Abgrenzungsfrage, wann eine Modifikation wesentlich im Sinne der Verordnung ist, wird insbesondere in der Praxis eine (weiterhin) hohe Relevanz besitzen. Bislang wird dies in Deutschland anhand eines Interpretationspapiers des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bewertet. Eine harmonisierte Aussage, etwa in Form eines Kommissionsleitfadens zur MVO, wäre allerdings aus wirtschaftlicher ebenso wie aus juristischer Perspektive durchaus wünschenswert.

 

 

Was ändert sich im Vergleich zur aktuellen Maschinenrichtlinie?

 

Eine wesentliche Änderung ist die Festlegung von Klassifizierungsregeln für sog. Hochrisikomaschinen. Zwar ist dieser, einem der Entwürfe entstammende Begriff im finalen Kompromisstext nicht mehr enthalten (und wird es demnach wohl auch in der endgültigen MVO nicht sein). Zwecks Abgrenzung wird er im vorliegenden Beitrag jedoch weiterhin verwendet. Unter Hochrisikomaschinen sind solche Maschinen zu verstehen, von denen unter Berücksichtigung ihrer Konstruktion und des Verwendungszwecks ein Risiko für die menschliche Gesundheit ausgeht. Diese Maschinen sind bislang in Anhang IV der Maschinenrichtlinie aufgeführt, werden künftig jedoch in Anhang I der MVO gelistet sein Die Kommission kann diese Liste durch delegierte Rechtsakte aktualisieren und sie auf diese Weise immer wieder an den Stand der Technik anpassen. Zu beachten ist außerdem, dass auch Software, die Sicherheitsfunktionen wahrnimmt (einschließlich KI-Systemen) sowie Maschinen, in die Sicherheitsfunktionen wahrnehmende KI-Systeme integriert sind, darunter gefasst werden. Die Einstufung von Maschinenprodukten mit sicherheitsrelevanten KI-Systemen als Hochrisikomaschinen wird bei den betroffenen Wirtschaftsakteuren zu einem deutlich aufwandsintensiverem Konformitätsbewertungsverfahren führen – insbesondere, da für die Maschinen des Anhangs I Verfahren unter Beteiligung einer benannten Stelle vorgeschrieben sind. Die Möglichkeit der Konformitätsbewertung mittels interner Fertigungskontrolle ist in diesen Fällen – anders als bei sonstigen Maschinen – nicht gegeben.

 

Eine weitere wichtige Änderung im Vergleich zur Maschinenrichtlinie besteht darin, dass zukünftig digitale Betriebsanleitungen und Konformitätserklärungen zur Verfügung gestellt werden können; diese Regelung ist allerdings mit gewissen Einschränkungen versehen. Wird etwa eine Betriebsanleitung in digitaler Form bereitgestellt, muss auf dem Produkt oder in den Begleitunterlagen die Fundstelle dieser digitalen Betriebsanleitungen angegeben werden. Auch muss die Anleitung in einer Form bereitgestellt werden, in der sie auf jedem Endgerät zu öffnen und zu speichern ist. Zudem muss der Marktüberwachungsbehörde auf Verlangen nach wie vor eine gedruckte Fassung kostenfrei zugänglich gemacht werden.

 

Im Grundsatz bleibt es dabei, dass die Hersteller für die Sicherheit und Konformität ihrer Produkte zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens verantwortlich sind. Bevor der Hersteller eine Maschine in Verkehr bringt bzw. sie in Betrieb nimmt, muss er eine Risikobewertung mit Blick auf Sicherheitsaspekte und den Gesundheitsschutz vornehmen. Eine Neuerung der MVO besteht darin, dass bei Maschinen mit sich entwickelndem oder autonomem Verhalten auch solche Risiken zu betrachten sind, die nach dem Inverkehrbringen der Maschine aufgrund der autonomen Entwicklung auftreten können. Aus praktischer Sicht stellt gerade diese Anforderungen eine erhebliche Herausforderung für die betroffenen Wirtschaftssektoren dar.

 

Abgesehen davon geht die Verantwortung für die Einhaltung des Standes der Technik und somit auch dafür, dass eine Maschine dauerhaft sicher betrieben werden kann, nach der Inbetriebnahme auf den Betreiber über. Allein diesen treffen dann die entsprechenden Pflichten aus der Betriebssicherheitsverordnung.

 

Dieses Konzept wird auch für die in diesem Feld erstmals neben die Product Safety tretende Product Security gelten. Maschinen müssen, der bereits erwähnten Logik folgend, vor interner sowie äußerer Beeinflussung bzw. Manipulation geschützt und sicher sein. Wesentlich ist dabei, dass dieses Thema durch die neue Maschinenprodukteverordnung zur Herstellerpflicht erklärt wird. Besonders beachtenswert ist insofern eine Regelung (Nr. 1.1.9 Anhang III des Entwurfs), die die Anforderungen an den Schutz gegen Beeinflussung definiert. Der Hersteller muss demnach sicherstellen, dass weder die Verknüpfung mit einem externen Datenträger noch die Verknüpfung mit remote devices über das Internet zu gefährlichen Situationen führen kann. Ihre inhaltliche Einbettung findet die Anforderung dabei in der Cyber-Strategie der EU.

 

 

Fazit

 

Das EU-Parlament wird die neue Maschinenverordnung kurzfristig verabschieden, sodass diese ebenso zeitnah in Kraft tritt und umfassend auf die Prozesse und Abläufe unterschiedlicher Marktteilnehmer einwirken wird. Inhaltlich ist im Rahmen der neuen Verordnung im Besonderen die Einführung von Pflichten der Product Security herauszustellen, die eine der grundlegendsten Neuerung darstellt. Eine verpflichtende Anwendung der neuen Verordnung ist zwar erst ab Herbst 2026 zu erwarten – unabhängig davon ist es jedoch schon heute allen betroffenen Wirtschaftsakteuren anzuraten, sich angesichts der anstehenden Rechtsänderungen frühzeitig mit der neuen MVO und den daraus konkret erwachsenden Pflichten zu befassen.

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