Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 10. Juli 2024 eine wegweisende Entscheidung (BGH-Urteil vom 10. Juli 2024 – VIII ZR 184/23) zu der Frage getroffen, ob Vermieter mit verjährten Schadensersatzansprüchen gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch aufrechnen können.
Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen für die Abwicklung von Mietverhältnissen, bei denen vom Mieter eine Kaution gestellt wurde.
In dem zugrunde liegenden Fall begehrte die Klägerin als Mieterin nach Beendigung des Mietverhältnisses und Rückgabe der Wohnung am 8. November 2019 die Rückzahlung einer Barkaution. Der beklagte Vermieter rechnete am 20. Mai 2020 (über sechs Monate später) über die Mietsicherheit ab und erklärte die Aufrechnung mit streitigen Schadensersatzansprüchen wegen Beschädigung der Mietsache. Da im Mietrecht Ansprüche wegen Beschädigungen an der Mietsache üblicherweise gemäß § 548 Abs. 1 S. 1 BGB nach sechs Monaten ab Rückgabe verjähren, berief sich die Klägerin auf die Verjährung der Schadensersatzansprüche.
Die Vorinstanzen gaben der Klage statt und verneinten eine wirksame Aufrechnung. Gemäß § 215 Alt. 1 BGB kann grundsätzlich auch mit einer bereits verjährten Forderung aufgerechnet werden, solange die Forderung in dem Zeitpunkt, in dem erstmals aufgerechnet hätte werden können, noch nicht verjährt war. Die Ausnahmeregelung des § 215 Alt. 1 BGB hielten die Gerichte jedoch nicht für einschlägig, weil die Forderungen nicht gleichartig gewesen seien und damit keine Aufrechnungslage bestanden habe.
Der Anspruch auf Rückzahlung der Barkaution stelle eine Geldforderung dar, wohingegen der Anspruch des Vermieters auf Schadensersatz wegen Beschädigung der Mietsache auf eine Naturalrestitution (z. B. Reparatur eines Schadens) gerichtet sei. Der Vermieter hätte zwar auch einen Geldanspruch nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB geltend machen können, diesen hätte er jedoch innerhalb der Verjährungsfrist von sechs Monaten geltend machen müssen.
In seiner Entscheidung hob der BGH die Entscheidung der Vorinstanzen auf und stellte fest, dass die Aufrechnung des Vermieters auch mit verjährten Schadensersatzansprüchen möglich ist. Entscheidend für die Urteilsfindung war die sogenannte „Ersetzungsbefugnis“ des Vermieters nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, welche es dem Vermieter erlaubt, anstelle einer Naturalrestitution Geldersatz zu verlangen.
Der BGH entschied, dass die Möglichkeit des Vermieters, Schadensersatzansprüche durch Aufrechnung gegen die Mietkaution geltend zu machen, nicht daran scheitern dürfe, dass die Ersetzungsbefugnis nicht innerhalb der Verjährungsfrist ausgeübt wurde.
In den Entscheidungen der Vorinstanzen sei nach Auffassung des BGH die Interessenlage der Parteien des Wohnraummietverhältnisses nicht hinreichend gewürdigt worden, da eine Barkautionsvereinbarung grundsätzlich darauf abziele, dem Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses eine einfache Möglichkeit zur Befriedigung seiner Ansprüche zu verschaffen. Folglich könne sich der Vermieter auch auf verjährte Schadensersatzansprüche berufen, sofern diese bei der Kautionsabrechnung in zulässiger Weise aufgerechnet werden.
Demgegenüber bestehe regelmäßig kein besonderes Interesse des Mieters, dass die Aufrechnung noch innerhalb der Verjährungsfrist erfolgt. Die isolierte Ausübung der Ersetzungsbefugnis stelle lediglich eine Formalität im Vorfeld zu der für beide Parteien maßgeblichen Abrechnung der Barkaution dar, die nach Rechtsprechung des Senats nicht zwangsläufig in unverjährter Zeit erfolgen muss.
Die Entscheidung stärkt die Position der Vermieter, da diese auch nach Ablauf der Verjährungsfrist von sechs Monaten Schadensersatzansprüche durch Aufrechnung gegen die Mietsicherheit geltend machen können. Dies bietet Vermietern mehr Sicherheit, indem sie eine Mietsicherheit über die Verjährungsfrist hinaus als Absicherung für ihre Ansprüche nutzen können.
Für Mieter hingegen bedeutet das Urteil, dass auch nach Ablauf der Verjährungsfrist noch ein Verlust der gestellten Mietsicherheit drohen kann. Möchte ein Mieter dieses Risiko verhindern, empfiehlt es sich, die Aufrechnungsmöglichkeit des Vermieters vertraglich auf sechs Monate zu beschränken, und zwar unabhängig davon, ob zuvor bereits eine Aufrechnungslage bestand oder nicht.
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